Bye

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Ich fühle mich leer. Nichts von mir ist übrig geblieben. Alles was ich war, hat er mir genommen. Alles was ich war, ist nichts mehr wert. Das Badewasser hat mein Blut rosa gefärbt. Toxische Tränen brannten auf meinen Wangen. Zwischen meinen Beinen pulsiert und brennt es. Ein Feuer, das nie aufhören wird und dessen Brandstifter für mich ein unergründlich Schatten ist, dessen Umrisse ich aber mehr als deutlich erkannt habe. Man sagt, wenn man in seinem Leben an den Punkt gelangt ist, an dem man alles verloren hat, ist man wirklich frei. Definiert sich Freiheit dadurch, dass man in Ketten liegt? Dass man sich schwerer fühlt als sonst und man am liebsten im Salzmeer der eigenen Tränen ersaufen will?

Meine Finger zitterten während ich Worte schrieb, die meine Tränen wieder löschten und sie kaum lesbar machten.

Das Schlimme ist nicht nur, was mir widerfahren ist. Es ist auch die Tatsache, dass ich ganz alleine bin. Die Beziehung zu Jared ist scheinbar doch nicht so tief und innig, wie ich gedacht habe. Wie denn auch? Wir kennen uns erst wenige Wochen, auch wenn es sich wirklich so anfühlt, wie mehr. Er ist einfach ohne ein Wort gegangen. Auch Vanessa ist viel zu sehr mit ihrem neuen Leben beschäftigt, als dass sie mal Zeit findet, um sich bei mir zu melden. Aber wem will ich Vorwürfe machen, schließlich habe ich nicht einmal ein Handy. Ein Fluch liegt über mir. Gott schaut hinunter auf die Erde, reibt sich die Hände und fragt sich, was er als nächstes tun kann, um mich an meine Grenzen zu zwingen.

Es war zehn Uhr Abends. Ich schmiss mein Tagebuch unter mein Kissen.

Der Mond erschien wie eine blasse Sichel am noch hellen Sommerhimmel. Obwohl die Luft warm war und mich wie eine stickige Decke ummantelte, zog ich meine Jeansjacke über, als ich aus dem Haus schlich. Ich wusste nicht, wohin ich ging, doch stieg ich ohne groß darüber nachzudenken in den nächsten Bus.

Alles war so skurril, seit dem ich hier her gezogen war. Ich fragte mich oft, wie sich das Leben so entwickelt hätte, wenn Mom noch leben würde und Dad nicht im Gefängnis säße. Dass das Leben dann besser aussehen würde, war keine Frage.

Ich ließ meine Schultern sinken und lehnte mich in den Sitz zurück. Meine Hände glitten in meine Jackentaschen und hielten sich an den zerknüllten Papierschnipseln fest, die sich darin gesammelt hatten. Ich kramte sie heraus. Ein zerknüllter Kassenbon, eine zerknüllte Dollarnote und ein einfaches, zusammengeknülltes Stück Papier.

Mit zusammengezogenen Augenbrauen faltete ich es auf.

Es handelte sich um die Nummer von Eliah. Wann hätte er sie mir denn zugesteckt? Ich konnte mich nicht daran erinnern, glaubte aber an Zeichen des Universums.

Ich schüttelte den Kopf. Nein, das konnte ich nicht tun. Erstens kannte ich ihn kaum und zweitens würde es Jared enttäuschen, wenn er es herausfinden würde er hatte mich oft genug vor ihm gewarnt. Aber er hat dich auch enttäuscht, Carmen. Wo war er, als du ihn gebraucht hast? Eliah ist es, der dir deine Hilfe angeboten hat, nicht Jared.

Ich mahlte meine Zähne aufeinander. Was ein Arschloch.
In der Innenstadt stieg ich aus und suchte mir die nächst beste Telefonzelle. Sie befand sich direkt am Bahnhof. Gott sei Dank existierten diese Dinger noch.

Der Automat schluckte meinen Dollarschein. Mit schnellem Herzschlag und zitternden Fingern tippte ich tatsächlich Eliahs Handynummer vom Zettel ab und drückte auf den grünen Hörer.

Catch me if I fallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt