Wir fuhren in Jareds Auto zu Drew nach Hause. Es war Mitternacht. Der Himmel war so bewölkt, dass die Sterne gar nicht und der Halbmond nur zwielichtig zu sehen waren.
„Ich kann nicht glauben, dass wir das wirklich tun", flüsterte ich beinahe tonlos.
Doch wir taten es. Jared hatte Eliah das Auto geliehen – ich konnte mir das nur schwer vorstellen, doch Eliah hatte das gemeint. Wahrscheinlich war Eliahs Definition von "Ausleihen" es klauen und niemals wieder zurück bringen.
Ich hielt den Baseballschläger mit hitzigen Fingern in der Hand und war nervöser denn je.
Dass wir das hier taten, erschien mir surreal – als wäre ich die Darstellerin in einem Actionfilm. Und Eliah war mein Komplize.
Nicht nur die schwarzen Banditenmützen, die wir beide trugen, waren der Grund dafür, dass ich mich so fühlte.
Er hielt an der Straße und lies den Motor an, als wir ausstiegen.
Ich glaubte, dass niemand auf diesem Planeten eiskalter war als Eliah. Er hatte seine Hände in die Taschen seiner schwarzen Sportjacke gesteckt und lehnte sich an der Motorhaube des Autos an.
Mit einem Nicken in die Richtung des neuen Autos von Drew, auf das er so stolz war, deutete er mir, endlich los zu legen.
Doch irgendetwas lähmte mich. Sein Haus, in dem ich so viel Scheiß erleben musste - ich wollte es in Flammen setzen, um es nie wieder sehen zu müssen.
Ich nahm den Baseballschläger und schlug ihn dumpf gegen den Kofferraum. Eine kleine Delle war zu sehen – mehr nicht. Aber selbst das ließ in mir Panik aufkeimen. Panik, dass er rauskam und wer weiß was mit mir anstellen würde. Ich schluckte.
„Dein Ernst, Carmen?", fragte Eliah mit einem bitteren Lachen. „Dieser Mann da" - er zeigte auf die Haustür Drew's Hauses - „hat dich vergewaltigt." Eliah sprach dieses Wort mit so einer Verachtung aus, dass es mir eiskalt den Rücken herunter lief.
Er war der erste, der es verbalisiert hatte und es damit noch realer machte. Irgendwie war ich ihm dafür dankbar, denn er ließ mich so fühlen, als wäre ich nicht verrückt. Als wäre meine Angst und mein Hass gegenüber diesem Mann begründet.
Meine Hand umschloss den Baseballschläger so fest, dass er eigentlich zu Sandstaub hätte zerfallen müssen.
"Ein Auto zerstören wird weder seine Taten ungeschehen machen, noch wird es die Rechnung gleichen, die er verdient. Aber glaub mir", sagte er locker und ermutigte mich mit einem Nicken. "Du wirst dich besser fühlen."
Mit langsamen Schritten kam er auf mich zu. Sein scharfer Blick tyrannisierte mich. „Er hat dich ausgezogen -" Seine Stimme wurde rasender, lauter. „Dich festgehalten! Sein armseliger Schwanz hat dich entjungfert. Und jetzt hast du die Gelegenheit, es ihm wenigsten ein bisschen heimzuzahlen!"
Seine Worte hatten mein Blut in Wallung gebracht. Meine Zähne bissen aufeinander, bei dem Gedanken, wie weit mein Stiefvater gegangen war.
Ich gab mich dem Gefühl der Wut vollkommen hin, holte aus und schlug den Schläger in die Heckscheibe von Drew's neuem Jaguar.
Ich bebte und zitterte am ganzen Körper. Das Glas zersprang in tausende Teile und die Alarmanlage die daraufhin erklang, sorgte nur dafür, dass ich die nächsten Hiebe noch härter und schneller tätigte – wer wusste, wie viel Zeit mir noch blieb.
Noch einmal eine solche Gelegenheit würde ich nie bekommen. Mutwillig schlug ich Dellen in die glänzende Karosserie.
Ich verspürte ein Gefühl der Zufriedenheit und Genugtuung. Ich hatte die Macht über einen sehr wichtigen Teil seines Lebens – sein heißgeliebter Schlitten.
Und ich schlug ihn zu Brei. Es gab rein gar nichts, was er dagegen tun konnte. Genauso wie es rein gar nichts gab, was ich tun konnte, als er mich in seinen widerwärtigen Griffeln gehabt hatte.
Plötzlich nahm ich aus dem Augenwinkel wahr, wie das Licht im Flur durch das Fensterglas der Tür schien. Vorhin war es stockdunkel gewesen. Drew kam heraus. In seiner Hand eine Waffe.
„He, was soll das?!", schrie er zornig und lief auf mich zu. Als ich ihn sah - sein fransiger Oberlippenbart, die Falten auf seiner öligen Stirn und die Krause Brustbehaarung, die aus dem V-Ausschnittes seines T-Shirt guckte –wurde mir nur übel.
Kein Mensch ahnte, wozu dieser Mensch fähig war. Er war kein Mensch.
Ich lief ebenso auf ihn zu und holte mit voller Wucht mit dem Baseballschläger aus, obwohl er die Waffe direkt auf mich gerichtet hatte.
Mir war mein Leben bis zu einem gewissen Punkt sowieso scheiß egal, von daher hatte ich nichts mehr zu verlieren.
Doch er schoss nicht. Er wusste, dass es nur drei Menschen gab, die ein Motiv dazu hatten, seinen Wagen zu zerstören – und zufällig hatten zwei davon sich zusammen getan.
Drew griff den Baseballschläger in der Luft und warf ihn dann auf den Rasen seines Vorgartens. Er griff mit einer schnellen Bewegung mein Handgelenk und drehte meinen Arm um, so dass ich mit dem Rücken zu ihm stand und er die Kontrolle über meine Bewegungen übernehmen konnte.
„Carmen, du Miststück. Ich habe dich schon vermisst", flüsterte er bedrohlich. In seiner Stimme lag ein erregtes Flimmern.
Seine Hand drückte mein Handgelenk so fest, dass ich vor Schmerz aufschrie. „Aber wie wirst du das mit meinem Wagen wieder gut machen? Ich hätte da ein paar Ideen ..." Er flüsterte die Worte so dicht an meinem Ohr, dass die Feuchtigkeit seiner Speicheltröpfchen in mir eine ekelerregende Gänsehaut auslösten.
„Lass sie sofort los", bebte Eliah und machte ein paar Schritte auf uns zu. In der Dunkelheit seiner Stimme lag etwas so unantastbares und bitteres bei, dass es mir das Blut in den Adern gefror.
Drew lachte nur, zog mich dicht zu sich heran und richtete seine Knarre auf Eliah.
„Tus nicht!", kreischte ich und konnte spüren, wie meine Stimme mich von innen zeriss.
Seine andere Hand wanderte meinen Rücken runter zu meinem Po und ich trat ihn daraufhin gegen das Schienbein.
„Du bist ein toter Mann", sagte Eliah mit eiskaltem Blick und zögerte keine Sekunde dabei, seinen Revolver aus seiner Sportjacke zu ziehen und ihn auf Drew zu richten.
Mein Stiefvater war schlau und benutzte mich als sein Schutzschild.
„Ah, hört ihr das?", sagte Drew im unbeschwerten Ton - so als würde er über Vogelzwitschern reden, und nicht über die Sirenen im Straßenverkehr. „Meine Kollegen müssten jeden Moment hier sein ..."
Ich trat ihm mit voller Wucht auf seinen Fuß, so dass er seinen Griff soweit lockerte, dass ich mich umdrehen konnte.
Ohne viel Zeit zu verlieren, folgte mein nächster Tritt und mein Knie landete in seine Kronjuwelen.
Drew ließ mich los und krümmte sich vor Schmerz. Ich sah in seine weit aufgerissenen Augen und hörte darauf hin einen Knall.
Alles ging so schnell und dennoch hatte ich das Gefühl, dass ich in einem unendlich langen Moment gefangen war.
Drew fiel auf den Steinweg und eine Blutlache bildete sich unter ihm. Ich fiel auf die Knie und spürte, wie ein lautes Kreischen ein scharfes Ziehen in meinem Kopf auslöste. Erst als ich merkte, dass meine Luft ausblieb, vernahm ich, dass dieses schrille Kreischen von mir kam.
„Was hast du getan? Was hast du getan?!" In diesem Moment sah ich nicht Drew vor mir, der mit mir Sachen gemacht hatte, die ein Stiefvater nicht mit der Tochter seiner toten Frau machen durfte, sondern einen Menschen.
Einen erschossenen Menschen, der Hilfe brauchte. „Ruf einen Krankenwagen!" Ich konnte meine Stimme kaum wieder erkennen, so hoch und aggressiv klang sie.
„Dafür haben wir jetzt keine Zeit", hörte ich Eliah's seelenruhige Stimme auf mich ein flüstern. Ich spürte, wie Eliah mein Handgelenk griff und mich hochzog. Er führte meinen betäubten, torkelnden Körper zu Jareds Auto. Ich ließ es geschehen, war zu benommen um irgendwie zu reagieren.
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Catch me if I fall
ChickLitAbgeschlossen ✔️ Er verachtet sie. Er schmeckt sie. Er stürzt sie in den Abgrund. Sie fällt. Wir lagen auf den Rücken und brauchten nichts zu sagen. Ich glaubte, genau das brauchte er gerade - und ich konnte klar verstehen, wieso. Was immer ihn bedr...