Bus Drive

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Barrie wollte mich zum Old but Gold begleiten. Wir saßen beide im Bus, der schon nach kurzer Zeit an der Haltestation neben dem Laden hielt.

"Kann ich dich echt nicht auf ein Date mit mir überreden?", fragte er, als wir ausstiegen.

"Im Moment habe ich ganz andere Dinge um die Ohren", murmelte ich. Drew's Hausregeln zum Beispiel.

"Komm schon, schreibst du mir deshalb nicht zurück?", fragte er schon vorwurfsvoll. Er konnte nicht verhindern, beleidigt zu klingen, doch hatte es zumindest versucht.

"Was?" Oh. Er hatte ja meine Nummer. Aber ich kein Handy mehr. "Mein Handy ist Schrott. Deshalb brauche ich einen Job, um mir ein neues zu kaufen."

Ich wollte fragen "Warum hast du so ein Interesse daran, mit mir auszugehen?", doch tat ich das nicht, da ich wie ein Loser klingen würde. Außerdem wäre die ehrlichste Antwort, die er mir geben könnte "Ich will dich einfach ficken."

Selbst das viel mir schwer zu glauben, da er wahrscheinlich genug willige Groupies kannte, mit denen er schlafen konnte wann immer er wollte.

Er war einen Kopf größer als ich und hielt mir ein Magazin über dem Kopf, welches er sich beim gehen aus der Tasche gezogen hatte. Es begann nämlich leicht zu regnen. Der Weg zum Secondhandshop war nicht weit. Ich liebte diesen Ort von New Jersey. Dieser Ortsteil erinnerte mich ein wenig an Paris, mit den Blumenkörben, die an den Laternenmast hingen. Es roch salzig auf den Straßen, da das Meer nicht weit von hier war. Und die Häuser hatten einen altmodischen Touch. Vorallem Old but Gold stach heraus, mit der verschnörkelten Schrift auf einem goldenen Schild. Die roten Fensterrahmen und die kleinen, steinigen Stufen vor Läden Eingang, auf denen kleine Blumentöpfe standen, sahen niedlich aus.

Als wir hineingingen, strömte mir wieder der vertraute Geruch von Kaffeebohnen und alten, staubigen Teppichen in die Nase. So wie letztes Mal, wank mich die Frau an der Kasse zu sich.

Ihre unbändigen, dunklen Locken waren in einem chaotischen Zopf zusammengebunden. Sie trug ein lockeres Kleid und ihr Lächeln strahlte über ihr ganzes Gesicht. "Willkommen!", rief sie. "Ich habe gehofft, dich wieder zu sehen!"

Ich erwiderte ihr Lächeln. "Ich freue mich auch, wieder hier zu sein."

"Kann ich etwas für Sie beiden tun?", fragte sie und blickte abwechselnd von Barrie zu mir und wieder zurück.

"Ja", sagte ich und spielte mit den Ärmeln meiner Strickjacke herum.

Erwartungsvoll sah sie mich an. Ihre großen, braunen Augen leuchteten.

"Ich wollte fragen, ob Sie vielleicht jemanden brauchen, der Ihnen bei der Arbeit hilft. Also...", murmelte ich und verfluchte mich innerlich für meine Unsicherheit. "haben sie vielleicht eine Stelle frei?"

Ihr Lächeln wurde breiter. "Aha! Da will jemand das Familiengeschäft aufrecht erhalten!", trällerte die Dame und verschwand in einem Raum hinter der Kasse.

"Ich schaue mich hier ein bisschen um, okay? Sag Bescheid wenn du fertig bist", sagte Barrie und verließ Gott sei Dank die Kasse.

Eigentlich sah er schon gut aus, mit seinen braunen Augen und dem hellen Haar, dass er immer zu einem Dutt zusammengebunden hatte. Und diese braune Lederjacke stand ihm wirklich gut.

Die Frau kam mit einem dicken Buch in der Hand wieder und ließ es auf dem Tresen fallen.

"Dir könnte ich niemals nein sagen, Carmen", sagte sie fröhlich und blätterte in dem Buch her. Es war ein Fotoalbum.
"Deine Mutter wäre stolz auf dich. Sie war immer sehr stolz auf dich."

Meiner Mutter gegenüber hatte ich gemischte Gefühle. Ich kannte sie nicht einmal richtig, nur aus der Kindheit. Es hatte aber seine Gründe, warum ich mit meinem Vater weggezogen bin, anstatt bei ihr zu bleiben. Auch wenn es manchmal echt weh tat, darüber nachzudenken.

"Du kannst mich außerdem Fiona nennen." Sie zeigte auf ein Foto, wo eine blondhaarige Frau mit langen glatten Haaren und eine dunkelhaarige Frau mit kurzen Locken gemeinsam auf der Motorhaube eines roten Mercedes saßen. Die Blondine trug ein kurzes Sommerkleid und die Frau mit den Locken trug eine dreiviertel Hose, ein rotes Poloshirt und eine Sonnenbrille. Beide waren wunderschön, doch man konnte deutlich sehen, dass sie einen Altersunterschied von mindestens 10 Jahren hatten. "Das waren Agnes und ich vor 7 Jahren. Sie sieht dir so ähnlich. Die Augen musst du aber von deinem Vater haben. Ist er nicht Kubaner oder so? Ein wirklich gutaussehender Typ." Sie zwinkerte mir zu.

Ich fand es irgendwie schmerzhaft, aber auch schön, dass sie mir so viel über sie erzählen konnte. Wenn ich den Job wirklich bekam, dann würde ich nicht nur körperliche Arbeit leisten, sondern auch emotionale.

"Du kannst hier gerne arbeiten. Du wirst zwar nicht viel Lohn bekommen, da das hier ein sehr kleiner Betrieb ist und wir nicht viel Umsatz machen, aber ich würde mich wirklich sehr über deine Unterstützung freuen. Wer weiß, vielleicht bringst du ja ein paar frische Ideen in diesen staubigen Laden." Sie breitete ihre Arme aus, um ihren Satz zu untermauern.

Ich konnte mir das Lächeln nicht verkneifen. Es tat schon an den Wangen weh. Ich konnte den Job wirklich haben? Wow.  "Vielen Dank!", sagte ich über beide Ohren grinsend.

"Du kannst morgen schon anfangen. Bis dahin kann ich auch einen Zettel mit deinen Arbeitszeiten erstellen. Kannst du mir deine Handynummer geben, damit ich dich erreichen kann?"

"Oh", seufzte ich. "Das hört sich blöd an, aber mein Handy ist letzte Woche kaputt gegangen. Seit dem habe ich auch kein Ersatz gefunden."

Sie machte große Augen. "Ach wirklich? Hier sind genug Handys, such dir eins aus. Sie sind zwar nicht gerade die neusten Modelle und einige haben eine kaputte Kamera oder ein kaputtes Display, aber ansonsten funktionieren sie einwandfrei." Erst jetzt fiel mir die Glasvitrine auf, die auf dem Tresen der Kasse stand. In ihr waren ein paar elektrische Geräte zusehen, darunter auch Smartphones.

Sie kramte einen Schlüssel aus der Schublade und öffnete die Vitrine. "Nimm dir eins. Sehe es als kleines Willkommensgeschenk."

Das beste Smartphone unter den sieben Exemplaren war ein iPhone 4. Ich nahm das hässlichste, dickste und kleinste Handy, was ich sehen konnte. Es war vielleicht 30$ wert, wenn überhaupt. Ein langer Kratzer zog durch das Display.

"Danke", sagte ich abermals und steckte es in meine Tasche. Diese Frau war wirklich zu gut. "Dann bis Morgen um diese Uhrzeit?", fragte ich.

Sie nickte. "Ich freue mich!"

Barrie stand in der Nähe der Kasse, auf einem Teppich, auf dem Musikinstrumente aufgestellt waren. Er zupfte konzentriert an einer Gitarre herum.

Ich ging auf ihn zu, da blickte er auf. "Ich bin fertig", sagte ich.

Er kaufte sich drei Plektrums, bevor wir den Laden verließen.
Draußen regnete es in Strömen und als wir in den Bus stiegen, waren wir beide klitschnass.

Ich wollte mich, so nass wie ich war, nicht hinsetzen. Die Klamotten klebten klamm an mir und irgendwie hatte ich das Gefühl, beobachtet zu werden.

Als ich mich umdrehte, sah ich, wie Jared auf einen der Sitzplätze saß und mich unverändert ansah. Ich spürte seinen Blick auch noch, als ich weg sah. Barrie machte einen Schritt näher an mich heran, so dass der Arm in seiner Lederjacke mich streifte.

Aus Neugier blickte ich wieder in seine Richtung, tat aber so, als würde ich einfach so durch die Gegend starren. Seine Augen ließen nicht von mir ab. Dann richtete ich meinen Blick wieder auf ihn und versuchte so unfreundlich wie möglich zu gucken.

Unbeeindruckt zog Jared eine ein Augenbraue in die Höhe, sagte aber nichts. Ich verdrehte die Augen und sah ein für alle Male weg. Mein Blick richtete sich aus dem Fenster.







Catch me if I fallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt