Triggered

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"Wieso bin ich hier?", fragte ich Eliah, der in der kleinen Küche auf einen hohen Hocker saß und sein Smartphone in der einen und eine Tasse mit schwarzem Kaffee in der anderen Hand hielt.

Ich sah an meinem Kleid herunter und wunderte mich über den großen, braunen Fleck mittig des Kleides. Gott sei Dank wusste Vanessa nichts hiervon.

"Was für einen Tag haben wir heute? Und was ist gestern passiert? Ich fühle mich elend." Ich rieb mir über meine Stirnfalten und kratzte mich am Hals.

"Kaffee?", fragte er nur und deutete auf die Kaffeemaschine neben dem Kühlschrank. Eigentlich mochte ich keinen Kaffee, aber vielleicht half es ja. Also schnappte ich mir eine Tasse vom Regal und goss mir etwas der dunkelbraunen Flüssigkeit ein.

"Was ist passiert?", wiederholte ich die Frage, dessen Antwort mir am wichtigsten war und setzte mich auf den Hocker gegenüber von ihm.

"Wir waren feiern. Ich hab dir gesagt, du sollst nichts trinken. Du hast getrunken", er seufzte leicht und fasste sich mit der Hand gegen die Stirn, "und bist mit nem Fremden mitgegangen. Bist bei ihm eingepennt. Ich, selbstlos wie ich bin, habe dich persönlich bei ihm abgeholt. Du hast einen Hangover. Ende der Geschichte."

"Ich bin mit einen Fremden mit gegangen?", fragte ich so laut, dass ich selber zusammenzucken musste, da Lautstärke das letzte war, was ich jetzt gebrauchen konnte.

"Ja. Entweder hat er dich abgefüllt oder er hat dir Drogen ins Getränk gemixt. Ich weiß es nicht, tippe aber auf letzteres."

"Hä? Wieso sollte das jemand tun?", fragte ich verwundert.

Er schüttelte den Kopf und nahm einen Schluck aus seiner Tasse. "Manche Typen wollen einfach flexen. Da ist es egal, wie durchschnittlich oder scheiße die Weiber aussehen. Manche Typen sind einfach verzweifelt." Er zuckte die Schultern und stellte seine Tasse auf die Theke vor sich.

"Wieso kann ich mich nicht erinnern?"

"Wie gesagt, hangover."

"Ich habe aber nichts getrunken... Glaube ich. Ich kann mich an gar nichts erinnern. Ich weiß nicht mal, woher der hier kommt." Ich deutete auf den Fleck am Bauch.

Er zuckte nur mit den Schultern. "Das haben einige Drogen so an sich - vor allem in hoher Dosierung und gestreckt mit anderen chemischen Substanzen."

Ich konnte nicht glauben, dass ausgerechnet mir so etwas passierte. Ich dachte immer, ich wäre die aller letzte, der sowas passieren konnte - vor allem, weil ich so gut wie nie feiern ging.

Was, wenn der Fremde und ich... es miteinander getan haben. Vielleicht kam daher der große, braune Fleck auf meinem Kleid. Geschockt starrte ich an mir herunter.

"Keine Sorge", besänftigte er mich, so als könnte er Gedanken lesen. "Soweit ich weiß, habt ihr nicht gefickt."

Das erleichterte mich etwas - trotzdem fühlte ich mich merkwürdig dreckig. Seelisch, so wie körperlich. Als hätte man mich in eine Mülltonne gesteckt und sie ordentlich durch geschüttelt.

Als ich den ersten Schluck meines Kaffees nahm, verebbte das üble Gefühl ein wenig.

"Welcher Tag ist heute? Und wo ist mein Handy?"

"Donnerstag. Woher soll ich das wissen?"

Ich stütze meine Ellenbogen auf die Platte der Minitheke ab und raufte verzweifelt meine Haare. Als ob ich allen ernstes schon wieder ein neues Handy brauchte.

Den restlichen Kaffee trank ich wie bittere Medizin und ich merkte, wie es mir nach jedem Schluck besser ging - auch wenn es scheußlich schmeckte.

"Ich will dich ungern nerven", seufzte ich. "Aber könntest du mich nach Hause bringen?"

***

Zuhause war es still. Gott sei Dank war Drew immer noch arbeiten. Es war das reinste Chaos. Bierflaschen standen auf dem Wohnzimmertisch, Zigarettenstummel lagen auf einer Untertasse und das dreckige Geschirr stand, vor sich hin gammelnd, auf der Spüle.

Und obwohl sich mein Kopf noch immer matschig und meine Beine und Arme sich wie langgezogenes Gummi anfühlten, wusste ich, dass ich das ganze Chaos so schnell wie möglich beseitigen musste.

Also brachte ich den Müll heraus, spülte und trocknete das Geschirr, wischte auf den Möbeln Staub, wechselte das Bettzeug - auch ekelhafterweise das von Drew -, saugte und wischte den Boden.

Normalerweise hörte ich dabei immer laut Musik, doch heute war mir absolut nicht danach.

Als ich fertig war, ging ich in mein Badezimmer und setzte mich in die Badewanne. Ich drehte den Wasserhahn auf und ließ das heiße Wasser der Dusche auf mich hinab prasseln. Ich konnte Stunden hier sitzen bleiben. Meine Arme fühlten sich kraftlos an und ich spürte schon jetzt den Muskelkater, obwohl ich mich nicht einmal viel bewegt hatte.

Ich shampoonierte mich mit der doppelten Dosis wie sonst ein, denn hatte ich das Gefühl, unrein zu sein. Doch egal, wie stark ich mich wusch. Dieses Gefühl blieb in mir, so als hätte ich etwas zwischen den Zähnen, was ich nicht heraus bekam. Nur dass es nicht meine Zähne, sondern meine Seele betraf. Vielleicht sind es wirklich Drogen gewesen. Vielleicht auch die Tatsache, dass ich mich nicht an die gestrigen Ereignisse erinnern konnte und mir das wie ein Kontrollverlust vorkam.

Ich schluckte den Klos herunter, der sich in meiner Kehle bildete und ließ meine brennenden Augen offen, damit Tränen nicht die geringste Chance hatten, über meine Wangen zu laufen. Heulen würde alles nur noch schlimmer machen. Doch mein Herz klaffte. Das Haus war still, das einzige, was zu hören war, war das leichte Echo der Tropfen, die rhythmisch auf der Wanne landeten.

Manchmal spürte ich den Schmerz nicht. Es war, als würde mein Herz anfangen die Wunden zu heilen und die Ruine wieder aufzubauen. Aber dann konnte die kleinste Kleinigkeit mich triggern und ich war wieder genau da, wo ich angefangen hatte - mein Herz war eine offene Wunde, eine Ruine.

Und der einzige Grund dafür war, dass ich mich unerklärlich einsam und allein fühlte, in einem so großen, stillen Haus. Ich vermisste meinen Dad. Und meine Mom. Und beide auf eine ganz unterschiedliche Art und Weise. Es war schwer, mir das einzugestehen - doch beide hatten mich sehr schwer enttäuscht. Ich fühlte mich wie das letzte Überbleibsel ihrer stürmischen und unsicheren Beziehung. Sie fuhren beide auf verschiedenen Strecken und ich war ein Gebrauchtteil, was zu keinem der beiden Gefährten mehr passte. Es war unfair, so zu denken. Schließlich hatte Dad sich wirklich bemüht und Mom war nicht mehr auf dieser Welt, um sich zu rechtfertigen. Trotzdem änderte es nichts daran, wie ich mich fühlte. Selbst wenn man mir das Gegenteil einreden wollen würde, ich würde es nicht glauben. Ich bin überflüssig auf dieser Erde. Abfall dieser Gesellschaft. Mich hätte es nie geben sollen. Ich war Produkt einer abgefuckten Liebesgeschichte, die zum scheitern verurteilt war. Und als es dann so weit war und die Geschichte endete, wusste niemand so genau wo hin mit mir. Ich war ein Erinnerungsstück, das niemand behalten wollte.

Und eigentlich hatte Drew recht - wieso sollte ein Mädchen wie ich studieren? Wieso erlaubte ich es mir überhaupt, Träume zu haben? Ich und Schriftstellerin werden? Niemals.

Ich stellte die Dusche ab und ging mit einem Handtuch um den Körper gebunden in mein Zimmer. Dort öffnete ich das Fenster, zog mir ein weites Shirt an und legte mich ins Bett.

Das Meerrauschen holte mich wenigstens etwas aus meinen negativen Gedanken in die Realität zurück. Der Schlaf, in den ich fiel, war dennoch die Hölle.


Catch me if I fallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt