Sweet Nothing

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Vielleicht war die Frage dumm. Aber was lief jetzt zwischen Jared und mir?

Zusammen waren wir ganz sicher nicht. Aber nur Freunde auch nicht, nach dem wir uns geküsst hatten. Freundschaft Plus auch nicht, denn ich hatte nicht einmal das Gefühl, mit ihm befreundet zu sein.

Eigentlich... waren wir nichts. Für unsere Beziehung gab es nicht einmal eine Bezeichnung. Wir waren nichts - ein süßes Nichts, in das ich mich verlieren würde.

Ich konnte nicht schlafen. Es war 3 Uhr Morgens und ich hatte noch immer kein Auge zu gedrückt. Die frische Nachtluft streifte über meine nackten Arme, während kühle Tropfen von meinen Haaren auf meine Oberschenkel fielen. Zwei Mal hatte ich geduscht. Und es änderte nichts daran, wie ekelhaft ich mich fühlte.

Der Anblick des Mondes gab mir das Gefühl, nicht vollkommen allein zu sein. Sie war immer da. Wie eine beschützende Mutter, die mir selbst durch ihr Schweigen weise erschien.

Ich bin verliebt. Hoffnungslos verliebt. In einen Jungen, der mir seine Distanz zeigt, indem er mir Nahe kommt. Es widerspricht sich, doch mein Herz versteht es.

Mich in ihn zu verlieben, war wie einem Schmetterling nach zu jagen. Ihn einzufangen war unmöglich. Doch wenn ich still blieb, setzte er sich von selbst auf meine Nase.

Ich konnte mich nicht einmal daran erinnern, wie es anfing. Schon als ich ihn das erste Mal sah, fühlte ich mich merkwürdig zu ihm hingezogen. Seine grünen Augen hatten ein Feuer in sich, was mir die Hitze in die Wangen steigen ließ. Er war immer wieder gemein zu mir. Durch seine ätzende Art, hatte er sich einen Weg unter meine Haut gebahnt.

Ich wusste aber, dass mehr in ihm steckte. Dass er seine Gründe hatte, sich wie ein Arschloch zu verhalten. Und jedes Mal, wenn er mir seine warme Seite zeigte - jedes Mal, wenn er zeigte, dass er sich interessierte und ich ihm nicht egal war, ging er mir immer tiefer unter die Haut.

Und der Kuss ... Wenn ich an diesen Kuss dachte, durchzog mich ein warmes Kribbeln. Ich wollte dieses Gefühl noch einmal erleben. Dabei war es nicht garantiert, dass es noch einmal geschehen würde. Drew hatte mir ausdrücklich den Kontakt zu Jared verboten. Und die Sachen, die er mir über ihn erzählt hatte, verletzten mich und brachten mich zum nachdenken.

Als Drew auf der High School Basketballtrainer war, hörte er Jared oft mit anderen Mädchen in der Duschkabine der Männerduschen. Er sah sogar gebrauchte Kondome im Mülleimer. Ich wusste nicht, ob das stimmte. Doch es passte zu dem, was ich über Jared wusste.

Aber spielte es überhaupt eine Rolle, wie er in der Vergangenheit war?

Der Blick auf das dunkle Meer, das selbst im schwachen Mondlicht noch glänzte, beruhigte mich. Die Erde war ein wunderschöner Planet. Unabhängig von den Menschen die auf ihr lebten und sie zerstörten.

Neben mir lagen zwei Bücher. Beide hatte ich durchgelesen. Vielleicht sollte ich noch einmal hineingehen und versuchen zu schlafen. Aber das könnte ich sowieso nicht.

Immer wieder spielte ich mit den Gedanken, von Zuhause abzuhauen. Aber dann könnte ich mein Studium vergessen. Außerdem verdiente ich dafür nicht genug Geld.

So schlimm war es jetzt auch nicht.

Ich schämte mich für diesen Gedanken. Natürlich war es schlimm. Ich wünschte das hier niemanden. Ich würde jedem, der in meiner Situation stecken würde, raten, abzuhauen. Aber mir selber wollte ich das Leben hier zumuten. Für mich war es erträglich. Ich hatte schon viel ertragen. Und es würde nicht für immer sein. Nur bis ich mir eine eigene Wohnung leisten konnte und ich alt genug war, um aus zu ziehen.

Bis die Sonne aufging saß ich auf dem Balkon. Nur mit einem großen, weißen Shirt bekleidet. Die Möwen krähten laut und flogen über meinem Kopf hinweg. Ich ging hinein, in meinen begehbaren Kleiderschrank und zog mir das gelbe Sommerkleid an, welches ich anhatte, als ich Jared das erste Mal gesehen hatte. Er hatte gesagt, ich würde aussehen wie ein Kind mit diesem Kleid. Mal sehen, ob er diesmal überhaupt etwas zu mir zu sagen hatte.

Was, wenn er einfach gar nichts sagte? Wenn er so tat, als würde ich nicht existieren? Ich meine, ich hatte nicht einmal ein Handy. Er konnte mir also nicht Sachen schreiben wie hast du Morgen was vor? oder Was machst du gerade?

Einfache Textnachrichten, die zeigten, dass er sich interessierte.

Vielleicht interessierte er sich aber nicht.

***

Ich war die erste, die im Saal des Philosophiekurses erschien. Immer wieder verfiel ich in eine Art Halbschlaf. Bis die Frage meines Dozenten mich in einen Flowzustand versetzte und meine Fingerspitzen zu glühen begannen, als ich meine Antwort niederschrieb.

Was bedeutet Liebe?

Um diese Frage zu beantworten, muss ich kurz klar stellen, was Liebe nicht ist. Liebe ist kein Tauschhandel. Sie nimmt nicht, sie gibt nicht, sie ist. Liebe kennt kein Ego. Liebe will nicht einsperren.

Es gibt drei Arten von Liebe. Eros. Philia. Agape.

Eros ist die Chemie zwischen zwei Personen. Sie zeigt sich durch intensiven Augenkontakt, ziehen im Unterleib und elektrisches Knistern. Man fühlt sich lebendiger als sonst in Gegenwart dieser Person - oder allein am Gedanken dieser Person. Diese Art Liebe ist pure Leidenschaft und das Verlangen, anzufassen und angefasst zu werden. Sie wird von Anziehung geprägt.

Philia ist die Liebe der Seele. Sie sieht den Charakter und die Individualität einer Person, kann sie schätzen, lieben und als Teil seiner selbst sehen. Sie zeigt sich durch Mitternachtsgespräche, durch das leuchten in den Augen des Gegenübers. Man fühlt sich angenommen, kann über Gott und die Welt sprechen. Sie ist die platonische Ebene der Liebe und wird von Wertschätzung und Bewunderung geprägt.

Agape aber, ist die höchste Form der Liebe. Sie ist bedingungslos und zweifelt nicht. Sie ist selbstlos, befreiend und spirituell. Sie sagt nicht "Ich liebe dich, trotz deiner Fehler." Sie sagt "Ich liebe dich, mit all deinen Fehlern." Sie erwartet nichts vom Gegenüber. Sie ist ein unendlicher Zustand, die Verbindung mit Gott und der Weltenseele.

Ich wuchs inmitten toxischer Beziehungen auf. Machtspiele, Mindgames und Eifersucht. Das ist nichts, was ich für mich wollte. Dad ist Mom fremdgegangen. Mom wurde stark depressiv und hatte es ihm heimgezahlt. Er konnte das nicht verstehen und verließ sie darauf hin. Nichts davon war gesund. Alleine für meine zukünftigen Kinder wollte ich ihren Fehler nicht wiederholen.

Als ich dann mit meinem Vater wegzog, hatte er immer wieder neue Frauen nach Hause gebracht. Jede hatte mehr erwartet, als er geben konnte. Oder wollte.

Ich stand auf und überreichte dem Dozenten mein Heft. Als ich den Saal darauf hin verließ, spürte ich die Blicke der anderen auf mir. Doch es war mir egal.

Der Flur kam mir immer wieder endlos vor, wenn ich ihn entlang ging. Und meine Augen fielen immer wieder zu. Ich gähnte und stützte mich kurz an einen der Schließfächer ab. Für ein paar Sekunden nur, wollte ich meine Augen schließen. Kurz bevor meine Knie nachgaben, schreckte ich hoch.

Ein Schmatzen, Keuchen und Stöhnen riss mich aus meiner Schlaftrunkenheit.

Und direkt zog sich mein Herz zusammen. Allein an den Geräuschen konnte ich heraushören, dass es Jared und Stace waren.

Aber warum? Gestern hatte er mich doch geküsst. Ich hatte deutlich gespürt, wie er mich wollte.

Aber anscheinend reichte ich ihm nicht. Ich langweilte ihn. Ich war nicht interessant genug. Nur weil er mich geküsst hatte, hieß das nicht, dass er das nicht auch mit zehn anderen Mädchen tat.

Ich war nichts besonderes. Eine von vielen. Warum tat es so weh, obwohl er mich mehr als deutlich vorgewarnt hatte?

Das war meine Antwort auf das, was wir hatten. Nichts. Ein süßes Nichts, in das ich mich verloren hatte.

Und ich spürte den Fall mit jeder Faser. Er war schmerzvoller als der Fall von der Treppe im Wohnheim.

Catch me if I fallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt