Date Night

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Draußen schneite es noch immer und die Schneeschicht auf dem Bürgersteig und auf den Rasen der Vorgärten hatte sich verdoppelt. Der Himmel trug schon etwas dunklere Töne, obwohl es gerade Mal fünf Uhr Abends war. Ich konnte den Vollmond im kobaltblauen Himmel deutlich scheinen sehen, die Sterne würden erst später, mit der zunehmenden Dunkelheit des Himmels zu sehen sein.

Als ich Zuhause ankam, bemerkte ich, dass weder Licht durch die Fenster schien, noch, dass Jareds neues, altes Auto auf dem Parkplatz stand. Erleichtert atmete ich eine Nebelwolke aus und ging auf den verschneiten Steinweg hin zur Haustür, öffnete sie und flitzte die Treppen hinauf, in die oberste Etage.

Ich kramte die Schlüssel aus meiner Jackentasche und öffnete die Tür. Drinnen knipste ich das Licht an, drehte die Heizung im Wohnzimmer auf und zog mir eine bequeme Leggings und einen von Jareds weiten Hoodies an. Als ich mich nur im BH vor dem Ganzkörperspiegel im Flur betrachtete, fiel mir der kleine Nadeleinstich am Unterarm auf.

Ein kleiner, verräterischer, roter Punkt. Wenn ich heute in meinem langärmligen Pyjama schlief, würde es seine Aufmerksamkeit schon nicht erregen. Das Päckchen Heroin, welches mir Eliah zugeworfen hatte, holte ich fix aus meiner Jackentasche und legte es zwischen den Seiten des Buchs Mohnblumen und Bücherstaub – da würde niemand drauf kommen, es zu suchen. Die Blätter des Buches waren gelblich und gewellt, da ich es einmal zu viel in Bade schaum getauft hatte.

Ich legte mich im  vorgewärmten Wohnzimmer auf die unsere Secondhand Sofalandschaft und schlang eine plüschige Tagesdecke um mich. Vor dem Fernseher schaute ich dann Rick and Morty auf Netflix.

Es dauerte nicht lange, da hörte ich den raschelnden Schlüsselbund an der Haustür. Jared war wieder da! Und mit ihm kam eine Welle des schlechten Gewissens, welches ich einigermaßen gut verdrängt hatte.

„Carmen?", fragte er vom Flur aus.

„Ja?", fragte ich. Ich erhob mich und flitzte in den Flur. Als ich ihn sah, waren all meine Sorgen wie weggewischt. Er war einfach nur da und alles fühlte sich richtig an. Seine Mundwinkel erhoben sich, als er mich sah und auch seine hellgrünen Augen begannen erfreut zu funkeln.

„Ich hab den Job", sagte er und konnte seine Euphorie über diesen Erfolg nicht verbergen.

Ich machte Luftsprünge und hängte mich um seinen Hals. Es fühlte sich so toll an. Ich war meine Sucht langsam los und er hatte einen Job. Wir wohnten zusammen. Alles war irgendwie gut. Wir würden es endlich schaffen, ein normales, glückliches Leben zu führen und diese grauen, beschissenen Zeiten werden irgendwann nur noch als ein blasser Punkt in der Erinnerung erscheinen, umgeben von schöneren, farbenfrohen Erinnerungen, die ich bald mit ihm erleben werde.

„Habe ich je an dir gezweifelt?", fragte ich mit einem so starken Grinsen, dass meine Wangen schmerzten. „Sie mussten dein Talent sofort erkannt haben!"

Er zuckte mit den Schultern. „Ich glaube nicht, dass man so viel Talent als einfacher Lagerarbeiter benötigt. Aber ja – ich hab mir überlegt es mit dir gemeinsam in einer Pizzeria zu feiern."

Ich meinte, mein Herz müsste vor Freude explodieren. Nach dieser viel zu langen, grauen Woche, war das hier wie ein Lichtblick. Wie ein Vorgeschmack auf die unbegreiflich schöne Zukunft, die uns erwartete. Ich wurde aus meinem tiefen, schwarzen Loch in das warme Tageslicht der Sonne hinaus gezogen. Und in diesem Moment kam mir nichts paradiesischer vor, als mit der Person, die mir am meisten etwas bedeutete, gemeinsam in einer Pizzeria zu sitzen, Pasta zu essen und über harmlose, ganz banale Dinge zu reden. Vielleicht auch ein wenig herumzualbern und einfach wieder zu leben.

„Das sollten wir wirklich feiern!"

Jared war noch angezogen, in seinen dunklen Boots und der fülligen Winterjacke.

Ich zog mir meinen Mantel über und setzte mich auf die erste Stufe der Treppe, um meine Stiefel anzuziehen.

„Warst du weg?", fragte er mit Blick auf meine nassen Stiefeletten. Er versuchte, nicht besorgt zu klingen, doch scheiterte kläglich.

Ich sah meine Stiefeletten an, die noch feucht vom Schnee waren. Sie erinnerten mich an meine Schandtat und ließen mir das Blut in die Wangen pulsieren. Ich hoffte, ich war nicht errötet. „Ich war ein bisschen spazieren. Es hat geschneit und ich wollte mir das nicht nur vom Wohnzimmerfenster aus ansehen."

Er nickte leicht und sah mir in die Augen. Ich fand in seinen Augen keinen Zweifel. Er vertraute mir blind. Und ich hatte ihn einfach so hintergangen, ich Miststück. Er verdiente jemand besseren. Jemand, der in jeglicher Hinsicht anders war als ich.

Wir verließen das Haus, ohne das Licht auszumachen. Als wir los fuhren, war es kurz nach sechs. Ziemlich früh, für ein gemeinsames Abendessen – aber umso schöner, denn waren die Pizzerien um diese Uhrzeit noch nicht so rappel voll.

Auf der Fahrt in die Innenstadt blickte ich ab und zu zur Seite auf den Fahrersitz, auf dem Jared saß und den Blick auf die Straße fixiert hatte. Ab und zu blickte ich auf die Straßenlaternen und die Neonschilder verschiedener Bars und Kiosks. Aber die meiste Zeit der zwanzigminütigen Fahrt, beobachtete ich den Nachthimmel. Die Sterne glitzerten auf dem dunklen Kleid des Luftmeers und der Mond leuchtete wie das traurige Gesicht einer weisen Frau.

Sie begleitete mich schon mein Leben lang und auch heute fühlte ich mich von ihrer Gegenwart beschützt und behütet.

Wir hielten vor einer Pizzeria Namens Marco Polo. Als wir eintraten wurden wir von einer hübschen Kellnerin – so Mitte 20 – an einen Tisch mit Fenster geführt. Eine angenehme Wärme und der Geruch von Pizza füllten die Atmosphäre des Raumes.

Die Aussicht vom Fenster hatte etwas romantisches an sich. Die funkelnden Sterne und die Lichter der Stadt, spiegelten sich auf den Hudson River wider, auf dem die Schiffe mit Fenstern, aus denen es orange leuchtete, schifften.

Man sah die Skyline von New York City perfekt und ich fragte mich, ob sich auf der anderen Seite des Flusses, ein ähnliches Restaurant befand, aus dessen Fenster gerade jemand die Skyline von New Jersey betrachtete.

Die selbe Frau, die uns zum Tisch geführt hatte, kam diesmal mit zwei Karten wieder. „Etwas zu Trinken?", fragte sie, während sie und sie Karten überreichte. Sie hatte ihr schwarzes Haar zu einem Dutt hochgesteckt und ihre Lippen waren knallrot.

Jared sah mich fragend, mit hochgezogener Augenbraue an. Ich sollte zuerst meine Bestellung aufgeben. „Mountain Dew, bitte", sagte ich. Jared blickte mich daraufhin mit verschmitztem Grinsen an, als würde er meine Getränkewahl lächerlich finden. Ich zog daraufhin eine Grimasse und er schüttelte gespielt verzweifelt den Kopf.

„Für mich das selbe", bestellte er.

Als die Kellnerin mit einem Nicken davon ging, öffneten wir beide unsere Karten und suchten uns eines der vielen Gerichte aus.

Die Kellnerin kam nach kurzer Zeit mit den Getränken zurück.„Haben Sie schon etwas?"

Jared nickte mir zu und deutete mir, zu erst zu sprechen „Ich hätte gerne die Pasta mit Käsesahnesauce", sagte ich.

Die Kellnerin nickte, schrieb auf und blickte zu Jared. „Mister?"

„Einmal die 78."

„Einmal die 13 und einmal die 78. Kommt sofort." In schnellen Schritten verließ sie wieder unseren Tisch.

„Und ...", begann Jared. Ich wusste, dass Smalltalk nicht sein Genre war, aber diese Situation bot sich perfekt dafür. „Wie fühlst du dich?"

Wie ich mich jetzt fühlte? Diese Frage ließ das schlechte Gewissen erneut in mir hochsteigen und ich bereute es nun mehr als alles andere, zurück zu Eliah gekehrt zu sein. Das hätte echt nicht sein müssen. „Die bessere Frage wäre, wie du dich fühlst, schließlich feiern wir gerade dich und deinen neuen Job", versuchte ich von mir abzulenken.

„Wir feiern nicht nur mich und meinen neuen Job, sondern auch dich und deinen Neuanfang. Unseren Neuanfang." Er hob sein Glas mit Mountain Dew in die Luft und animierte mich dazu, das gleiche mit meinem Glas zu tun. Dabei kam ich mir etwas lächerlich vor. Als wir anstießen sagte er: „Auf unseren Neuanfang."

Catch me if I fallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt