Daddy Issues

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Nach der letzten Vorlesung packte ich meinen Kram zusammen und verließ den Saal. Mir war bewusst, dass heute der letzte Tag war, an dem ich diesen Mülldienstjob machen musste.

Als ich mit meiner Greifzange und dem Müllbeutel hinaus ging, traute ich meinen Augen nicht. Jared hatte tatsächlich sein Wort gehalten und war schon dabei, denn Müll aufzusammeln. Vielleicht drohte der Rektor, ihn sonst der Uni zu verweisen. Anders konnte es nicht sein.

Sein Blick streifte mich kurz, doch den Rest der Zeit ignorierte er mich und ich ihn. Die Spannung war so hoch, dass ich es in der Luft surren hören konnte, wenn er in meiner Nähe war.

Als wir fertig waren und unsere Geräte beim Hausmeister Abgaben, holte Jared sein Handy aus der Tasche und schaute aufs Display. Ich konnte genau beobachten, wie seine Augen sich weiteten. Er wurde blass und raufte sich durchs Haar. Sein Smartphone hielt er zitternd in der Hand.

"Was ist los?", fragte ich vorsichtig nach. Eigentlich wollte ich nicht fragen, doch er sah ziemlich ernst aus.

Er antwortete nicht. Als er sich den Weg an mir vorbei aus dem Gebäude drängte, rempelte er mich leicht an. So, als wäre ich nicht da.

Das konnte ich nicht auf mir sitzen lassen. Mit schnellen Schritten ging ich ihm hinterher. "Geht's noch?!", keifte ich. Doch er beachtete mich nicht und ging in großen und schnellen Schritten weiter.

Ich nahm mir vor, ihm zu folgen, bis er sich mir zur Rede stellte. Ich hatte keine Lust auf das Hin und Her. Wir mussten keine Freunde sein, er brauchte nicht einmal höflich oder nett mir gegenüber sein. Das einzige, was ich erwartete, war, dass er mich nicht wie ein Stück Dreck behandelte. Das hatte ich nicht nötig.

Jareds schwarzer Mustang stand noch auf dem Uni-Parkplatz. Trotzdem ging er Richtung Bushaltestelle. Was zur Hölle war los mit ihm?

Immer wieder raufte er sich durch sein Haar und murmelte ein leises "Fuck".

Er sah aus, als würde er Streit suchen. Als würde er den nächst besten, der ihm im Weg stand, eine reinhauen wollen. Ich ging hinter ihm und sah, wie sich seine Muskeln unter seinem weißen T-Shirt spannten. Seine Vene am Unterarm zeichnete sich deutlich ab, da er seine Hand zur Faust ballte.

Genervt drehte er sich zu mir um. "Verpiss dich, kümmer dich um deine eigenen Probleme", pampte er mich an und ging in schnellen Schritten weiter.

"Jared", fuhr ich ihn an und griff nach seinem Handgelenk. Es durchzuckte mich wie ein Stromschlag, als ich das realisierte. Als er hielt und sich abermals zu mir drehte, ließ ich direkt wieder los. "Du bist gerade mein Problem", fauchte ich.

"Kann nicht sein", sagte er kopfschüttelnd. Wieder ging er schnell weiter. "Wenn ich in deinem Leben so eine große Rolle spiele, dass du mich als Problem betitelst, ist das schon traurig, findest du nicht? Immerhin kennen wir uns nicht mal."

An der Bushaltestelle stiegen wir beide in den selben Bus. Genervt rollte er mit den Augen. Mir egal. Ich wollte dieses Thema ein für alle mal klären. Egal, wie das hier jetzt ausging.

Der Bus fuhr los und wir beide standen eng aneinander, da es hier rappelvoll war. Jared hielt sich an einer der Schlaufen an der Decke des Busses fest, während ich mich vergeblich nach irgendetwas umsah, an das ich mich festhalten konnte.

Aber es war so randvoll, dass die Stangen schon alle belegt waren. An die Schlaufen an der Decke könnte ich nur dran kommen, wenn ich mich auf die Zehenspitzen stellte und hüpfte. Also auch keine Option.

Als der Bus anfuhr, verlagerte ich einfach mein Gleichgewicht, damit ich nicht hinfiel.

In den nächsten Stationen stiegen immer mehr Leute ein. Ich wurde gegen Jared gedrückt, der daraufhin genervt ausatmete. Ich stand mit dem Rücken zu ihm und spürte seine Brust an meinem Hinterkopf.

Plötzlich legte der Bus eine Vollbremsung hin, so dass ich nach Vorne stolperte und beinahe mit einem anderen Typen zusammenknallte. Doch jemand hielt meinen Unterarm fest und zog mich rechtzeitig zurück. Ich wusste nicht, wer - und ich drehte mich auch nicht um, um es heraus zu finden. Meine Intuition sagte mir, dass es Jared war. Diese kleine Geste, zeigte mir, wer er wirklich war. Wer er sein konnte, wenn sein Ego nicht immer im Weg stehen würde.

Der Bus hupte laut und fuhr dann weiter. Ich stand in Jareds Wärme und spürte, wie mein Herz plötzlich schneller schlug. Meine Knie begannen leicht zu zittern. Und das alles nur, weil er mich berührt hatte und ich seine Nähe spüren konnte.

Vielleicht lag es an meinen Vaterkomplexen, dass ich mich zu Typen wie Jared hingezogen fühlte. Typen, die sich wie ein Arschloch verhielten, im nächsten Moment aber ihre sanfte Seite zeigten. Typen, die niemals auf mich stehen würden. Typen wie Jared - unverschämt heiß, aber charakterlich kaputt.

War es die richtige Entscheidung, mit ihm zu gehen? Noch konnte ich aussteigen und nach Hause gehen. Je weiter der Bus fuhr, desto unsicherer war ich mir bei der Idee, ihm zu folgen und ihn zur Rede zu stellen.

Egal. Schlimmer, als es jetzt zwischen uns stand, konnte es so oder so nicht werden.

Als der Bus an der Manhattenstreet hielt, stieg Jared aus und ich ging ihm nach. Endlich wieder frische Luft. Im Bus hatte ich das Gefühl, den Schweiß meiner Mitmenschen einzuatmen.

Mit schnellen Schritten ging Jared die Straße hinunter.

"Jared, warte!", rief ich und eilte ihm hinterher.

Er drehte sich nicht einmal um.

Vielleicht sollte ich es einfach gut sein lassen. Jemand wie er verdiente nicht einen Funken meiner Aufmerksamkeit. Wieso versuchte ich überhaupt, es mit ihm zu klären? Er hatte nicht das geringste Interesse, irgendwas mit mir zu klären. Aber ich musste es wissen. Ich musste wissen, warum er mich so fertig machte.

Wenn mein Dad wüsste, dass ich mir sein Verhalten gefallen lassen würde, dann wäre er enttäuscht. Naja, wenn er wüsste, dass ich ihm wortwörtlich hinterher lief, um es mit ihm zu klären, wäre er auch enttäuscht. Erst wenn ich Jared die Eier abschneiden würde, wäre er zufrieden. Aber das war seine Art, Probleme zu lösen. Meine nicht.

"Warum bist du so ein Arsch?", fragte ich, als ich ihn fast einholt und neben ihm her lief.

"Warum bist du so penetrant?", konterte er zwischen zusammengebissenen Zähnen.

"Wovon läufst du weg? Rede kurz mit mir. Dann lasse ich dich in Ruhe, ich schwöre es", rief ich und warf aufgebracht meine Hände in die Luft. "Beantworte mir nur diese eine Frage."

Doch er hörte nicht. Er lief plötzlich in ein graues Hochhausgebäude hinein, welches mir merkwürdig bekannt vor kam und stürmte die Treppen hinauf. Ich zögerte, doch folgte ihm dann entschlossen. "Was willst du bei Eliah?", fragte ich.

Als er vor seiner Tür stehen blieb, ohne sich zu bewegen und seine Hand zur Faust ballte, merkte ich, dass ich die falsche Frage gestellt hatte.








Catch me if I fallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt