90. Kapitel sensibel und Mimimi

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Auf dem Weg zur Kabine halten wir beide die Klappe. Was bei mir mehr daran liegt, dass ich innerlich schon mal versuche mir die Worte für das Kommende zurecht zu legen. Charming öffnet die Tür und stiefelt gleich durch zum Balkon, um auch diesen zu öffnen. Ich lege meine Sachen ab und nehme noch Gläser und den Öffner mit raus. Er deutet mir an, dass ich mir doch meinen Sitzplatz aussuchen möchte und schenkt uns schonmal etwas Wein ein. Wir nehmen unsere Gläser und prosten uns zu, wobei er einen Schluck nimmt und ich das Glas in meinen Händen erstmal nur hin und her drehe. "Soviel zum alkoholfreien Tag, sehr standhaft liebe Marga" denke ich mir. Ich schaue auf's Meer und sortiere meine Gedanken, da ich immer noch nicht weiß, wie und wo ich mit erklären anfangen soll. Ein kleines Räuspern holt mich ins Jetzt zurück "Kann ich irgendwas tun, damit ich es Dir etwas leichter mache." Ah man, wieso ist der Typ so sensibel und ich so ne Mimimi. Na gut, Augen zu und los, ist jetzt die Devise. Diese Reise entwickelt sich für mich wahrlich zu einem Selbstfindungskurs und ich bin mehr und  mehr über mein Handeln überrascht. Normalerweise würde ich mich in mein Schneckenhaus verziehen und abwarten, bis das Interesse an mir und meiner Vergangenheit abgeebbt ist. Doch hier kann ich mich weder verziehen, noch scheint der Herr sein Interesse an mir aus unerfindlichen Gründen zu verlieren. Ich atme einmal tief ein und wieder aus, nehme einen Schluck vom Wein und fange an zu erzählen. Ich erzähle ihm von meinem und Saschas Kennenlernen, unserer ersten rosaroten Verliebtheit und müsste jetzt eigentlich zu dem Punkt kommen, der alles verändert hat. Wobei ich bis heute nicht verstehe, was der Auslöser war, falls es den überhaupt gab. Doch ich sitze einfach nur da, starre vor mich hin und umklammere immer fester das Glas in meinen Händen, sogar so fest, dass meine Knöchel bereits weiß werden und das Glas unter dem Druck meiner Finger anfängt zu knacken. Dies bemerke ich allerdings erst, als Charming vorsichtig meine Umklammerung löst, das Glas nimmt und es auf den Tisch stellt. "Hej Lumikki, es ist gut, wenn du es nicht erzählen kannst, du musst nicht" bringt er leise hervor und hockt vor mir, dabei immer noch meine Hände festhaltend. Mein Blick richtet sich auf diesen unfassbaren Kerl und ich kann die Tränen nicht mehr zurückhalten. Sofort zieht er mich in seinen Arm und nun sitzen wir beide auf dem Boden des Balkons. Er hält mich ganz fest an sich gedrückt, so dass ich seinen Herzschlag hören kann. Seine Wärme, Nähe und sein Geruch lassen mich schlussendlich ruhiger werden und ich kann weiter reden. Ich erzähle ihm aber lieber nur eine abgeschwächte Version von Saschas Übergriffen auf mich, egal ob sie jetzt körperlich oder verbal waren. Samu versteift sich immer mehr, je mehr ich erzähle und ich breche irgendwann ab. Aber hoch schauen zu ihm traue ich mich nicht, ich habe Angst vor seiner Reaktion und will mich von ihm entfernen. Ich hätte es nicht erzählen dürfen, er wird nichts mehr mit mir zu tun haben wollen. So eine verschrobene Person wie ich bin, braucht er nicht in seinem Leben, bin ich mir sehr sicher. Doch er lässt es nicht zu, im Gegenteil, er drückt mich nur noch fester an sich und murmelt leise in mein Haar "What the f…, was hat der Typ genommen, dass er so zu dir war. Der ist doch krank" Das seine Stimme dabei leicht zittert ist mir nicht entgangen. Er hebt seinen Kopf von meinen und mit seiner Hand umfasst er mein Kinn, um meinen Kopf so anzuheben, dass ich ihn ansehen muss.  

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