93. Kapitel armes Hascherl

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Wie bis jetzt bei jeder Mahlzeit, die ich zusammen mit Charming eingenommen habe, fängt der Herr irgendwann an, sich von meinem Teller zu bedienen. "Freundchen wie oft denn noch, das ist meins und nicht deins" haue ich ihm auf die Hand und er schaut mich entsetzt an. "Aua, Schneechen ich brauche meine Hand noch, sonst kann ich keine Musik mehr machen. Und dann verdiene ich kein Geld und kann mir nichts zu essen mehr leisten und werde kläglich verhungern" spricht er nun mit gespielt weinerlicher Stimme und nicht zu vergessen den Hundeblick, welchen er dazu aufsetzt "Dann musst du mich bei Dir aufnehmen und dich um mich kümmern". "Bitte was, ich glaub der hat Fieber oder so, bestimmt nehme ich ihn bei mir auf" denke ich, sage aber zu ihm "Oh Gott, du armes Hascherl, na das kann ich mit meinem Gewissen gerade noch so verantworten. Musst du dir halt ne reiche Frau suchen, die versorgt dich dann schon ordentlich." versuche ich mir ein Lachen zu verkneifen und streichel ihm dabei ernst dreinblickend über die Wange. Dies scheint er erst zu genießen, bis in seinem Hirn wohl die Bedeutung meiner Worte angekommen ist. Alle anderen beömmeln sich mal wieder über unser Geplänkel und er haut jetzt ein entsetztes "Aber wieso, du bist doch dafür verantwortlich, ich machs nicht mehr versprochen" raus. Der zerknirschte Blick erster Güte soll mich wohl auch zum Einknicken bringen, aber nicht mit mir. Da täuscht sich der Herr ob seiner Wirkung auf mich, wäre ja noch schöner, wenn ich mich von ihm um den Finger wickeln lasse. Erst der Finger und hinterher nimmt der mich noch ganz, nee nee. Dieses gegenseitige Ärgern und Necken mit ihm macht mir eigentlich schon richtig Spaß und ich bin über mich selbst überrascht, was ich da teilweise von mir gebe. So beschließe ich, dass er mich vielleicht doch etwas um den Finger wickeln darf, nur will ich es ihn nicht merken lassen, sonst habe ich bestimmt ganz schnell verloren. Das Essen ist mittlerweile auch beendet und die anderen schlagen vor, weiter in die Bar zu ziehen. Ich mag eigentlich lieber ins Bett, war heute doch irgendwie anstrengend und das nicht nur körperlich. Die emotionale Anstrengung ist sogar größer gewesen und dementsprechend mürbe und müde bin ich nun. Ok, wie verkaufe ich das jetzt, ohne als Spielverderber dazustehen. "Ich will kein Spielverderber sein und seid nicht böse, aber die kleine Lady wird von mir jetzt ins Bettchen oder zumindest auf den Balkon verfrachtet. Ein bisschen Ruhe ist für uns heute ganz gut. Sind ja noch ein paar Tage und wir sehen uns morgen wieder." entschuldigt uns Charming bei den anderen und hilft mir wieder galant beim Aufstehen. Unsere Freunde zeigen Verständnis und verabschieden sich. "Sorry, ich hoffe du bist nicht böse" kommt nun von ihm "aber ich bin echt kaputt und hab auch das Gefühl, dass du auch lieber Ruhe haben möchtest." Ich hake mich bei ihm ein und bestätige sein Gesagtes, froh darüber, dass er mehr oder weniger der Buhmann ist. Was mich allerdings erstaunt, ist die Tatsache, dass er genau meine Worte und Gedanken ausgesprochen hat. Hat der in meinem Hirn einen Spion oder kann der Gedanken lesen? 

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