74 | talk urge

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CHLOE

Seit einer halben Stunde saß ich mit zitternden Händen auf dem Beifahrersitz von Marcus' Wagen, unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen.

"Denkst du, sie wird mich sofort erkennen? Ich meine, jetzt bin ich doch viel älter, größer, muskulöser ... heißer ..." Marcus sah sich selbst im Rückspiegel an. "Glaubst du, sie weiß noch, wie ich sie früher immer nannte?"

"Halt die Klappe, Marcus. Ich muss nachdenken", herrschte ich ihn an, obwohl ich das mit und auch ohne ihn nicht hinbekommen hätte.

Er stöhnte frustriert. "Worüber nachdenken? Mann, Chloe, worauf wartest du noch? Geh da jetzt endlich rein und rede mit ihr!", forderte mein Bruder mit einem Nicken in Richtung des neuen Hauses von Kiara und ihrem Vater.

"Ich ... Ich weiß nicht was ich ihr sagen soll. Es ist alles so kompliziert zwischen uns. Wie sollen wir das wieder gerade biegen?" Ich war noch nie gut im reden und erst recht nicht beim Streit schlichten!

"Die Antwort darauf liegt dadrin!« Er streckte seinen Arm an meinem Kopf vorbei zu dem Haus. »Jetzt beweg endlich deinen Arsch und klopf an dieser Tür."

Tief atmete ich langsam ein und ruckartig aus. "Okay. Okay, ich mach's." Zielstrebig öffnete ich die Autotür. Der Boden unter meinen Füßen fühlte sich gar nicht an wie Bordstein, sondern eher wie Treibsand. Mühsam hob ich einen Fuß nach dem anderen. Nach Fünf Schritten Richtung Haustür, sprintete ich allerdings schnell wieder ans Auto. "Ich kann das nicht!", jammerte ich wie ein kleines Mädchen.

Idiot!

Marcus fuhr sich genervt mit der Zunge in die Innenseite seiner Unterlippe. Anschließend stieg er aus. Erst war ich irritiert, doch sobald er um den Wagen herum auf mich zukam und seine Arme um meine Beine schlang, wusste ich Bescheid. Er hob mich hoch und legte meinen Körper über seine Schulter.

Zappelnd klopfte ich auf seinen Rücken. "Marcus! Lass mich sofort runter!" Seit wann war er bitte so stark? Ich dachte immer, dass er nicht mal stark genug für Einkaufstüten wäre.

"Das ist ja unausstehlich mit dir! Wenn du es nicht kannst, mach ich es eben für dich", sagte er nur ein wenig angestrengt. Angekommen an der Haustür betätigte er die schrille Klingel.

Panik stieg in mir auf. "Marcus, ich schwöre dir, wenn du mich nicht sofort runter lässt, werde ich dich persönlich kastrieren!"

Mit meinem Hintern zur Haustür gerichtet, hörte ich, wie sie sich öffnete. "Ähm ... Hallo?", sagte Kiaras Dad zögerlich. Ich hielt die Luft an.

"Hi, Mr. Bennett! Ich bezweifle, dass Sie mich wiedererkennen. Marcus White, Bruder von ..." Er ließ mich endlich runter. "Chloe White." Er zeigte mit seiner Hand auf mich, so als hätte er ein Zaubertrick vorgeführt.

"Äh ... Hi, Tom", stammelte ich.

"Ich ... Wow! Die White Zwillinge! Ihr beide ... Ihr habt euch wirklich nicht verändert. Na ja, bis auf euer Äußeres." Er musterte meine und Marcus' tätowierte Haut. Automatisch rieben wir synchron unsere Arme.

Auch bei ihm hörte man den australischen Akzent raus.

"Sie ... Sie sehen auch noch genauso aus wie damals, Mr. B." Marcus wirkte so lässig ... Warum beherrschte er das einfache Plaudern besser als ich? Wie hatte er das geschafft?

Mit Blick auf den blanken Kopf von Kiaras Dad, seinen Sommersprossen und seinen braun-gelben Augen, die er an seine Tochter weiter gab, dachte ich an all die Male zurück, als ich Kiara damit aufzog, dass sie das selbe Gesicht wie ihr Vater hatte. Und jedes Mal wollte sie mir eine überbraten. Einzig und alleine ihre dunkelblonden Haare erbte sie von ihrer Mutter.

Missing part of MineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt