92 | busted lies

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CHLOE

"Sag: Entschuldige, Chloe, dass ich ein so unausstehlicher Bruder bin. Erst dann höre ich auf."

Marcus zappelte in meinem Schwitzkasten. "Okay! Okay! Entschuldige, Chloe, dass ich ein so unausstehlicher Bruder bin! Ich hab's gesagt, jetzt lass mich los!"

Ich lachte und entfernte meinen Arm um seinen Nacken. "Schwächling", zog ich ihn auf.

"Ich glaub, du hast mir die Schulter ausgekugelt", quengelte er und drehte theatralisch seine linke Schulter.

"Meine Schulter ist ausgekugelt", äffte ich ihn mit albernem Ton nach.

"Blödes Biest." Marcus seufzte und pustete sich das Haar aus der Stirn. "Na schön, genug rumgetobt. Ich bin auch nicht mehr der jüngste."

Ich runzelte die Stirn. "Alter, du bist achtzehn, nicht achtzig."

Gemeinsam tapsten wir wieder die Treppe runter. "Ich fahre jetzt zu Cilya und lasse dir ganz viel Zeit alleine, du Monster."

"Gut, aber versprich mir, dass du vorsichtig bist", forderte ich von ihm.

"Beim fahren?"

"Nein, beim vögeln! Ich brauche keine zweite Ausgabe von dir."

Er schubste mich. "Klappe." Ich lachte nur und beobachtete, wie er aus seiner Hosentasche seinen Schlüsselbund fischte. "Bis nachher."

"Bis nachher", echote ich, hob die Hand an die Stirn und salutierte zum Abschied wie ein Soldat. Marcus schmunzelte und öffnete die Haustür. Ich seufzte ausgelaugt und verschwand im Wohnzimmer.

Eigentlich rechnete ich jede Sekunde mit dem zufallen der Vordertür, doch es ertönte nichts. In Gedanken verfluchte ich Marcus wieder, da er zum tausendsten mal vergaß, die Tür hinter sich komplett zu zuziehen. Ich stöhnte genervt und machte mich auf, um seine Faulheit wieder zu korrigieren.

An der Tür angekommen entwischte mir alles an Sauerstoff. "Heilige Scheiße", fluchte ich und starrte ungläubig zwischen meinem Bruder, Jenna und Kiara hin und her.

"Genau das Selbe meinte Marcus auch vor etwa einer Minute", ließ mich Kiara unsicher wissen. Toll, dass sie trotz dieser seltsamen Situation immer noch in der Lage dazu war, Witze zu reißen.

Das war zu bizarr, um wahr zu sein.

In meinem Leben gab es früher immer nur Kiara. Aber seit einigen Wochen gab es auch Jenna. Die beiden waren wie völlig verschiedene Universen, weshalb es absolut absurd war, dass sich beide aus heiterem Himmel gegenüber standen. Ich hatte keinen verdammten Schimmer warum, allerdings hatte ich einfach nie damit gerechnet, dass die beiden sich mal begegnen könnten.

Sie waren von grundauf verschieden. Kiara war ein Freigeist und wollte die Welt sehen, Jenna wollte Standhaftigkeit und eine gute Ausbildung. Kiara gab einen Scheiß darauf, was andere von ihr denken, Jenna zerbrach, sobald sie keine Anerkennung kriegte.

Trotz der riesigen Unterschiede hatten sie aber tatsächlich auch Gemeinsamkeiten. Aus einem mir wirklich undenkbaren Grund mochten mich beide und wussten als einzigen auf dieser Welt, wie abgefuckt mein Leben war.

Jenna wusste wenig über Kiara, aber Kiara wusste überhaupt nichts von Jenna. Na ja, sie vermutete jedoch etwas, obwohl ich mich nicht mal getraut hatte, etwas dazu zu sagen ...

"Was geht hier ab?", fragte ich und schaute dabei in Jennas versteinertes Gesicht. Sie selbst konnte die Augen von Kiara nicht abwenden. Wusste sie, dass es Kiara war? Warum überhaupt waren beide auf meiner Veranda? Hatten sie geredet?

Missing part of MineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt