76 | second chance

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CHLOE

Mit einer Hand fuhr ich langsam über das fehlende Stückchen an der Ecke der alten Kommode aus Kirschholz.

"Hübsch habt ihr's hier", sagte ich etwas unbehaglich.

"Danke ... Setzt dich doch", bat Kiara und zeigte auf ihr breites Bett, dass in der Mitte des Raums stand. Aber bevor ich das tat, sah ich mich weiter um.

Das Aquarium, welches auf der Kommode stand, leuchtete in einem dunklen Blau. Die vollgekleisterten Wände wurden mit Postern von Nirvana, ACDC, Elvis Presley und Miley Cyrus, sowohl Fotos von ihr und ... Freunden – neuen Freunden verziert.

Ungewollt versetzte es mir einen Stich, sie so glücklich zu sehen.

"Warum ... warum bist du hier?", fragte sie zurückhaltend aber dennoch misstrauisch.

Vorsichtig setzte ich mich an die Bettkante neben sie und spürte, wie sie direkt den Atem anhielt. Ich tat es ihr gleich.

"Kiara ...", fing ich zögerlich an. "Ich ... ich will das nicht. Das ist alles zu viel. Fuck ... Du kannst doch nicht einfach nach so einer langen Zeit plötzlich wieder in mein Leben treten und alles über den Haufen werfen, nur weil du doch deine Meinung geändert hast!"

"Glaub mir, wenn ich könnte, würde ich mir den nächst besten DeLorean schnappen, zurück reisen und alles rückgängig machen, aber ich kann es leider nicht." Ohne darüber nachzudenken, legte sie ihre sonnengebräunte Hand auf meine.

Mein Körper fing an zu prickeln. Zum einen wegen ihrer Bemerkung aus Zurück in die Zukunft, zum anderen wegen ihrer Hand auf meiner.

Ich spähte zu ihren Fingern, dann in ihre kümmerten, bernsteinfarbigen Augen. Alle Härchen auf meiner Haut stellten sich auf. Das letzte Mal, wo sie mich mit diesem gequälten Blick betrachtete, war bei Dads Beerdigung.

Kurz danach war sie weg ...

Sobald Kiara realisierte, was genau sie dort tat, zog sie ihre Hand schnell wieder weg und sah auf den Boden. "Sorry ...", murmelte sie verlegen. "Ich würde dir so gerne zeigen, dass ich eine zweite Chance verdient habe, Chloe. Ich will das wieder gut machen."

"Wie willst du das bitte schaffen? Ich glaube, du verstehst immer noch nicht, wie selbstsüchtig du warst!" Aufgebracht stand ich auf, zog mir an den Haaren und lief den Raum auf und ab. "Ich will nicht, dass du mir schon wieder ... Dass du mich schon wieder hängen lässt."

Heftig schüttelte sie den Kopf. "Das würde ich niemals. Ich habe aus meinen Fehlern gelernt. Denkst du, wenn ich nicht dazu bereit wäre alles für deine Vergebung zu tun, hätte ich mich nicht bei dir gemeldet?"

"Na ja, streng genommen hast du das nicht. Du warst auf einmal da", murmelte ich für mich selbst.

"Ich stand eine halbe Stunde vor eurem Haus und habe mir tausende Haare rausgerissen, weil ich so ängstlich war. Sogar als ich endlich klingelte, wollte ich einen Rückzieher machen und schnell weg rennen."

Kiara Bennett und ängstlich? Wo war die versteckte Kamera?

"Deine Mutter ... Gott, als ich sie sah, dachte ich, das wäre nur ein Traum. Dann in dem Haus, wo ich mehr Zeit verbrachte als in meinem eigenen, fühlte ich mich ... befreit. Alles schaute genauso aus wie damals. Der dunkle Boden, die knirschende Treppe, die kleine Kücken Uhr in der Küche, die Babyschuhe von dir und Marcus, die neben der Tür zum Badezimmer hingen. Es wirkte alles, wie früher und–"

Missing part of MineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt