80 | crushing guilt

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CHLOE

"Du siehst nicht sonderlich gut aus."

"Ja, so fühle ich mich auch."

"Scheiße, Chloe, was hast du getan?", fragte Kyle sichtlich amüsiert.

Der Stuhl an meinem Platz im Englischraum knarrte auf dem Boden, als ich ihn zurück zog, um mich neben Kyle zu setzten.

"Ich hätte niemals gedacht, dass ich das mal sagen werde, aber Alkohol vertrage ich wirklich nicht mehr so gut wie früher", stöhnte ich und rieb mir die müden Augen, die mit Sicherheit dunkle Ränder hatten.

"Gab's einen Grund für's trinken?", fragte er mit sichtlicher Skepsis.

Ich schnaubte. "Seit wann braucht man Gründe für's trinken?"

"Seit man eine Jenna in seinem Leben hat", zog er mich auf.

"Es hat nichts mit ihr zu tun ... oder mit sonst irgendwem", widersprach ich brummend, obwohl ich den Grund für meine miese Laune insgeheim wusste. Ich wollte es nur nicht zugeben. Ich war ein Feigling ... 

Er verdrehte die Augen und zuckte gleichzeitig mit den Achseln. "Wenn du meinst ..." Verdammt, wie ich es hasste, wenn er diesen Satz sagte. Er tat es nämlich all zu oft und gerne. Was wollte er damit überhaupt erreichen? War das etwa seine Art mir stumm zu sagen, dass er weiß, dass ich alles verschissen habe, genauso gut wie ich es auch weiß, es mir aber niemals eingestehen würde?

So oder so war es einfach nur nervig.

Sichtlich grübelte er. Nachdenklich rieb er sich sein Kinn. "Wie ... wie läuft es sonst so? Mit euch, meine ich. Ist das ... etwas ernstes?"

"Ich weiß es nicht", gestand ich seufzend und sackte auf meinem Stuhl ein. Ich wünschte mir, dass alles einfacher sein würde.

Er verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte den Oberkörper etwas zurück. "Warum bist du nicht bei ihr?"

"Ich weiß es nicht", wiederholte ich.

"Hast du es versaut?"

Ich vergrub frustriert das Gesicht in meinen Händen. "Fuck, ich weiß es verdammt noch mal nicht!"

Mrs. Zion, unsere Englischlehrerin, betrat den Raum mit einer Kaffeetasse in der Hand und einer schweren Tasche um die Schulter.

"Ich versteh dich nicht, White. Warum musst du dir ständig selbst Steine in den Weg legen?" Kyles Verachtung schickte mir einen kalten Schauer über den Rücken.

Ich sah ihm nicht mehr in die Augen, sondern starrte aus dem Fenster. "Ich weiß es wirklich nicht", flüsterte ich erschöpft, wusste jedoch nicht, ob er es hörte.

• • •

Nachdem Mrs. Zion den Unterricht beendete und uns entließ, wünschte ich Kyle viel Glück bei seiner Matheklausur. Sobald dann alle Schüler aus dem Klassenraum flitzten, tapste auch ich zum Ausgang des Raumes.

"Warten Sie, Chloe", ertönte es hinter mir.

Ich biss mir auf die Zunge und drehte mich langsam um, bevor ich nach vorne zum Lehrerpult schlenderte, an dem meine Lehrerin saß und in ein offenes Notizbuch blickte.

Sie hob den Kopf und richtete das Brillengestell auf ihrer Nase. "Chloe, ist alles in Ordnung mit Ihnen?", fragte sie aufrichtig mit einem mitleidigen Blick.

Mrs. Zion wechselte erst in diesem Jahr zu unserer Schule. Darüber war ich echt verdammt froh, da sie tausendmal fröhlicher als meine alte Englischlehrerin war. Die war ein wirkliches Miststück, der es gefiel ihre Schüler runterzumachen. Aber in dieser Sekunde war von der fröhlichen Zion nichts zu sehen. Wie vom Erdboden verschluckt.

Missing part of MineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt