Kapitel 38

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Am Ende landete ich mit Asher in seinem Zimmer. Er hatte es ernst gemeint, dass er mich nicht alleine lassen würde und eine lange Diskussion war mir zu mühsam gewesen. Die Angst zu Daphne zu gehen war genauso beständig. Vielleicht war Gesellschaft eine gute Idee, damit ich auf keinen Fall in den Wald ging.

Asher schloss gerade hinter sich die Tür und ich hatte mich einigermaßen im Griff. Die Tränen waren verschwunden, trotzdem nagte die Verzweiflung an mir.

Ich verschränkte meine Finger miteinander und versuchte meine Unruhe zu überspielen. Es war einfach seltsam, wenn man zum ersten Mal in einer neuen Umgebung war. Dann die ständige Angst, dass Daphne sich meldete. Und natürlich die Frage wie ich das dem Werwolf erklären sollte. Er würde sicherlich nachhaken, was ein Problem war.

Das Zimmer an sich ähnelte dem unserem, da gab es kaum Unterschiede. Nur eben das jeder den Raum anders dekorierte.

Hier stach mir gleich ein Foto an der Wand ins Auge. Ich ging automatisch darauf zu und sagte dabei: "Sylvan und du seid wirklich süß." Beiden merkte man an, dass sie beste Freunde waren. Alleine wie sie in die Kamera lächelten.

Ich blieb vor dem Bild stehen, um es genauer zu betrachten. Den Campus dahinter erkannte ich, denn das Wohnheim der Werwölfe war knapp dahinter.

Asher stellte sich hinter mich und legte seine Arme um mich, dabei antwortete er: "Das war unser erster Tag an der Akademie. Meine Mum hat das Foto gemacht. Sie brennt immer auf Erinnerungen, irgendwie ist das ansteckend, deshalb hängen hier einige Fotos rum. Bei uns zu Hause sind dir vermutlich die hundert Bilder an der Wand aufgefallen."

Es wunderte mich, dass er darauf einging. Eher hatte ich mit einem Verhör gerechnet, aber der Werwolf überraschte mich.

"Ja, ich finde das wunderschön. Mit all den Fotos hat man die Erinnerungen verewigt. Ich kann deine Mum verstehen."

Er legte sein Kinn auf meinem Kopf ab und eine Weile blieb es still zwischen uns. Diese Ruhe war angenehm, die ließ einen das innere Gleichgewicht finden. Leichter wurde es, da die tote Hexe die Klappe hielt.

Meine Augen hatte ich geschlossen gehalten, denn so war es einfacher sich zu erden. Seinen Geruch nahm ich dabei wahr, welcher als Parfum verkauft vermutlich Millionen einbringen würde. 

Erst in dem Moment öffnete ich sie wieder und widmete mich den Bildern vor mir. Dort hingen einige, seine Mum hatte ihn wirklich damit angesteckt. Die meisten waren mit seiner Familie oder Freunden. 

Unwillkürlich musste ich lächeln, desto mehr davon ich betrachtete. Nebenbei merkte ich an: "Man sieht, dass ihr eine liebende Familie seid. Das ist wirklich schön." 

"Wie sind da deine Eltern?"

An der Antwort musste ich überlegen, denn zu fies wollte ich auch wieder nicht sein. Am Ende waren sie eben wie sie waren, man konnte schlecht aus seiner eigenen Haut. Es gab einfach Leute die herzlicher waren wie andere. Da hatte jeder seine eigene Persönlichkeit. 

"Egal was sie tun, ich bin mir ziemlich sicher, dass sie es gut meinen." Eine bessere Beschreibung fiel mir dazu nicht ein. Manchmal war es schwer die richtigen Worte zu finden. Aber man könnte es nie mit Ashers Familie vergleichen. Das war wie eine andere Welt. 

Ich legte meinen Kopf schräg und fuhr fort: "Sie sind keine schlechten Eltern, allerdings kann es anstrengend sein. Egal, reden wir über was anderes." Ich hatte genug von den schlechten Themen für einen Abend. Eigentlich wollte ich abschalten und den restlichen Planeten ignorieren. 

Asher war so lieb darauf einzugehen und fragte gleich: "Ich bin ungern die Zicke, aber wann setzen wir endlich meinen Plan um, in dem wir einen Film sehen?" Mit seiner Wortwahl hatte er es geschafft, denn mir kam ein leichtes Lachen über die Lippen. "Ja, das sollten wir machen. Welcher Film schwebt dir vor?"

Als er seine Arme um mich löste, meinte er: "Keine Ahnung, den können wir spontan aussuchen. Ich will einfach nur chillen."

"Okay."

An meiner Hand zog er mich mit sich zur rechten Seite des Zimmers, welche wohl die seine war. Auf unserem Weg dorthin fiel mir der Zitronenbaum auf. Er hatte ihn wirklich hier aufgestellt und bis jetzt schien er es gut zu haben. Soweit war die Pflanze in Ordnung, abwarten wie der längere Verlauf sein würde. 

Wir setzten uns auf sein Bett und Asher schnappte sich seinen Laptop, welcher bereits dort gelegen hatte. Die Dinger waren praktisch die Fernseher der Studenten, zumindest sahen Runa und ich auch immer darüber Filme oder Serien. Falls wir überhaupt mal Zeit dafür hatten. 

Während er den Laptop einschaltete, sagte er: "Ich freu mich schon auf die Stunde, die wir jetzt brauchen werden bis wir überhaupt einen geeigneten Film gefunden haben. Irgendwie ist das immer so." Ich zuckte mit den Schultern, denn eigentlich war es mir ziemlich egal was wir uns anschauten. Ich wollte gerade einfach bei ihm sein. "Du hast die Wahl, weil ich nicht wählerisch bin." 

"Dann bin ich gespannt wann der Zeitpunkt kommt an dem du das bereust." Für diese freche Aussage stieß ihm meinen Ellbogen in die Seite, was ihn zum Lachen brachte. Es war furchtbar wie ansteckend das war, weshalb ich es nur kurz halten konnte. 

Mit dieser Gesellschaft war klar, dass es ein guter restlicher Abend werden würde. 

~~~

Mittlerweile saßen wir nicht mehr auf dem Bett, sondern hatten uns hingelegt. Mein Kopf lag auf seiner Brust und den Film, der nebenbei lief, beachtete ich kaum. Ich war auf seinen Herzschlag konzentriert und genoss die Nähe. Da Asher so lieb war mir ein Shirt von sich zu leihen, war es richtig gemütlich. Das Abendkleid war auf Dauer unbequem und wenig für einen Filmabend geeignet. 

Mit Runa hatte ich geklärt, dass meine Abwesenheit kein Problem war, denn sie hatte Spaß mit Rouven. Auf die Erzählung war ich gespannt, wie das überhaupt zustande gekommen war. 

Einen Arm hatte ich um Asher gelegt, über welchen er mit seiner Hand streichelte. Leise fragte er dabei: "Was war vorhin los? Du musst mir das nicht beantworten, aber ich wollte gefragt haben." Meine Anspannung bei diesem Thema versuchte ich zu überspielen. 

Es war schwierig wie ich das erklären sollte, denn mir war bewusst, dass es besser war manche Dinge für sich zu behalten. Ich könnte mir einen Haufen Probleme einbringen, wenn das zu viele Leute wussten. An sich vertraute ich Asher, nur war es ein Risiko. Außerdem hatte meine Mum lediglich genehmigt, dass ich mit Runa darüber sprach, was Sinn machte. Als starke Hexe konnte sie das am ehesten nachempfinden, vor allem war sie stets loyal. 

Nach einem Räuspern antwortete ich: "Die üblichen Hexenprobleme kurz vor der Berufung. Da sind die Nerven allgemein angespannt, weshalb wir gerne überreagieren." Das entsprach der Wahrheit, denn für eine mächtige Hexe war es tatsächlich normal und wenigstens ein paar Infos hatte der Werwolf damit.

"Wieso wolltest du dann alleine sein? Ist es bei mir nicht besser?" Er fuhr weiterhin meinen Arm auf und ab, was mich die Augen schließen ließ, dabei antwortete ich leise: "Doch."

Von Daphne war nichts mehr zu hören gewesen und mein gedankliches Chaos hielt die Klappe. Die Verzweiflung war verschwunden, so hatte ich mich entspannen können. 

"Dann weißt du ja zu wem du zukünftig gehen sollst, wenn es dir schlecht geht." Diese Worte waren derart süß, dass man direkt losheulen wollte. Zum zweiten Mal an diesem Abend bekam ich Tränen in meinen Augen, nur hatte es diesmal positive Gründe. Ich erwiderte darauf nichts, weil ich Angst hatte, ob meine Stimme das verraten würde. 

Und manchmal war schweigen die beste Lösung. 

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