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Carla. 

Wieder mal hetze ich mich nach meiner Arbeit zur Bahn. Das kommt davon, wenn ich meiner Schwester meinen Wagen ausleihe und meine Eltern, die anderen beiden Autos brauchen.

Total aus der Puste lege ich meine Hände an meinen Knien ab und hole tief Luft, ehe die Bahn einfährt und ich in diesen einsteige. Ich suche lange nach einem freien Platz, da die Bahn um diese Uhrzeit immer überfüllt ist.

Gerade als ich einen freien Platz gefunden habe, vibriert mein Handy in meiner Jackentasche. Ich greife danach und hebe - ohne auf den Bildschrim zu gucken - ab. „Di Santis?"

„Hey Sorellina", lacht mir meine ältere Schwester entgegen. (Sorellina = kleine Schwester)

Ich grinse etwas. „Hey Rosa, was gibt es?"

„Es geht um dein Auto", fängt sie an, doch ich unterbreche sie sofort.

„Was ist mit Speedy?", frage ich panisch und ernte komische Blicke der Menschen in meiner Nähe ein.

„Nichts, wollte dir nur Bescheid geben, dass ich es zum Waschen bringe", lacht sie. „Keine Sorge, ich behandle Speedy wie mein eigenes Auto."

„Das hoffe ich doch für dich", seufze ich laut auf und bin erleichtert. „Sonst noch was?"

„Nicht so zickig, Fräulein", lacht sie wieder, fast wie ein Engel. „Wir sehen uns dann heute Abend. A Dopo!" (A Dopo = Bis Später!)

„A dopo", erwidere ich nachdem sie schon aufgelegt hat und streiche mir frustriert durch die Haare.

Es ist gerade mal Mittwoch und ich bin jetzt schon fertig mit den Nerven. Morgen habe ich ein paar Vorlesungen und am Freitag ist ein freier Tag für mich, denn ich habe mir für dieses Wochenende freigenommen.

Freitag will ich dann mit Egzona und Mariele einen gemütlichen Filmeabend machen. Ich hoffe bloß, das Egzona auch Zeit hat, denn bei ihr ist es mit der Ausbildung nicht so einfach wie bei Mariele und bei mir.

Mariele kam vor zwei Jahren nach Stuttgart um - genau so wie ich - Betriebswirtschaftslehre zu studieren. Wir hatten uns wirklich in einer stinknormalen - dennoch komischen - Situation kennengelernt. Nein, wir sind nicht gegeneinander geknallt oder haben uns auf irgendeiner Studentenparty kennengelernt. Naja, letzteres mehr oder weniger. Denn an einem Dienstagabend hatte einer der Studenten eine Party geschmissen, auf der ich ebenfalls war und es am nächsten Tag bereut hatte. Zwar war meine erste Vorlesung um 13 Uhr, aber ich hatte bis 12 Uhr geschlafen und kam gerade rechtzeitig in den Saal gestolpert. Nachdem ich mich dann auch in eine der Reihen gesetzt hatte, fiel ich in einen leichten Schlaf. Mariele saß neben mir und hatte mich nach der Vorlesung aufgeweckt, mit den Worten: „Schwester, unser Prof hat es zu 100% bemerkt, dass du gestern eine wilde Nacht hattest." Seit diesem Tag sind wir unzertrennlich.

Ich bemerke schon fast zu spät, dass ich aussteigen muss und stolpere aus der Tür heraus und bleibe fast in der Tür stecken. „Arschloch", rufe ich dem Bahnfahrer entgegen, da ich ganz vorne im Wagon saß. Der Bahnfahrer kommentiert meine Beleidiung nicht, und fährt einfach weiter.

Ich laufe dann schließlich weiter und überlege, ob ich mir nicht doch einfach ein Taxi bis nach Hause bestellen soll, da ich einen fünfzehn Minuten Weg nach Hause habe. Das schlimme jedoch ist, das ich meine Kopfhörer heute morgen Zuhause vergessen und nicht mehr die Zeit hatte, diese wieder zu holen.

Seufzend entscheide ich mich dann dagegen. Wofür unnötig Geld ausgeben, wenn ich auch was für meine Figur tun kann? Richtig, wäre sinnlos jetzt ein Taxi zu bestellen. Dann könnte ich ja eher um die Ecke zum KFC und mir was zu essen kaufen. Kommt fast auf's selbe hinaus.

Gerade als ich um die Ecke laufe und in meiner Tasche nach meinem Portmonee suche, werde ich angerempelt und auf den Boden geworfen. „Alter", rufe ich laut und blicke nach oben. „Kannst du nicht aufpassen? Was soll das?"

„Pass doch selber auf, Barbie", lacht mich ein 14 jährige Junge aus und läuft ganz cool mit seinen Freunden weiter. Die Generation von heute ist auch nicht mehr das selbe.

Seufzend stehe ich auf und schüttle den Kopf. Kleines Dreckskind, ich bringe jeden heute noch um.

Ich atme tief durch und setze meinen Weg zum KFC fort. Während ich laufe, nehme ich mein Handy heraus und schreibe meiner Schwester eine Nachricht.

an Rosa:
willst du was von kfc, rosalie?

Sie heißt eigentlich nur Rosa, aber ich liebe es sie immer Rosalie zu nennen, da sie es verabscheut.

Als ich endlich das Gebäude erreiche, bekomme ich auch gleichzeitig eine Nachricht von Rosa, die mir einfach nur ihre Bestellung aufgelistet hat. Ich stelle mich an eine der kürzeren Kassen an und warte bis ich an der Reihe bin.

15 Minuten später verlasse ich die Einrichtung mit einer vollen Tüte und mache mich wieder auf den Weg nach Hause. Ich freue mich wie verrückt auf mein Bett, welches auf mich wartet. Und natürlich auf das Essen, welches ich mir gekauft habe. Wäre ich mit dem Taxi gefahren, hätte ich nichts kaufen können.

Während ich nach Hause laufe, rennen schon fast viele Geschäftsleute an mir vorbei und achten nicht auf ihre Mitmenschen. Solche Leute verachte ich am meisten. Aber ich bin froh, das ich nicht so eine Person bin und auch niemals so eine Person sein möchte.

Ich komme an unserem Gebäude, wo sich unsere Wohnung befindet, an und schließe die Tür auf. In der dritten Etage auf der rechten Seite ist unsere Wohnung, welche ich ebenfalls aufschließe.

„Ich bin Zuhause", rufe ich und knalle die Tür hinter mir zu. „Jemand da?"

„Nein", höre ich jemanden aus dem Wohnzimmer - Mama.

Ich ziehe meine grüne Jacke aus und hänge sie an der Gaderobe auf. Meine Schuhe streife ich mir ebenfalls von den Füßen ab und kicke sie in die Ecke hinter der Tür. Danach laufe ich ins Wohnzimmer und begrüße meine Mama mit einem Kuss auf die Wange.

„Hallo Tesoro", lächelt sie mich warm an und schaut wieder zum Fernseher, wo eine Serie gespielt wird.

„Ist Rosa schon gekommen oder ist sie noch unterwegs?", frage ich sie und lehne mich gegen den Türrahmen.

„Unterwegs", antwortet sie mir kurz gebunden.

Ich brumme genervt auf und nicke dann. „Weißt du, wann sie kommt?"

Meine Mutter sieht wieder zu mir und hebt fragend eine Augenbraue hoch. „Wieso fragst du mich so viel über deine Schwester aus?"

Ich ziehe eine Grimasse und zucke mit den Schultern. „Ich bin neugierig und interessiere mich eben für meine Schwester. Wieso sollte ich dann nicht fragen?"

„Du bist eindeutig die komischere Tochter, die ich gezeugt habe", lacht meine Mutter und schüttelt mit dem Kopf.

𝖸𝖫𝖫𝖨 𝖨𝖬. | 𝘿𝘼𝙍𝘿𝘼𝙉.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt