32 ✔️

1.8K 87 1
                                    

Carla.

Eine Woche ist vergangen. Eine Woche, in welcher ich mich durchschleppte und mich von Vorlesung zur Arbeit schleppte. Ich wollte nicht mal mehr raus und das ich jetzt vorlesungsfreie Zeit habe, kam mir sehr gelegen. Es sind keine richtigen Semesterferien, wie es jeder kennt. Man bereitet sich mehr auf seine ganzen Prüfungen vor, macht vielleicht ein Prakikum und viele weitere Dinge. Aber da ich nebenbei arbeiten gehe, hat es sich mit meinem Praktikum geregelt und ich müsste mich nur noch auf meine Prüfungen vorbereiten und mit meiner nächsten wichtigeren Hausarbeit anfangen.

Das ist auch einer der zwei Gründe, weshalb ich nun vor dem Haus meiner Großmutter in Florenz stehe. Ich habe nur eine kleine Reisetasche mit den wichtigsten Klamotten, sowie meine Unterlagen der Uni gepackt. Einen Rucksack habe ich ebenfalls dabei, wo mein Notebook, mein Reisepass, Ladekabel sowie Powerbank, Kopfhörer und ein Buch zum Lesen dabei sind.

Außer meinen Eltern und Rosa weiß keiner Bescheid, nicht mal meine Nonna. Ich weiß, dass sie sich freuen wird, mich wieder zu sehen und das macht mich in diesem Moment mehr als glücklich.

Der zweite Grund, weshalb ich meine sieben Sachen gepackt und hier her geflogen bin, ist das Chaos in meinem derzeitigen Leben. Ich will einfach ein paar freie Tage haben, nicht mehr in Stuttgart sein und mich auf meine Prüfungen konzentrieren, welche im Dezember anstehen.

Eine Woche, mehr will ich nicht. Und in dieser Woche würde ich mein Handy komplett ausgeschaltet lassen. Denn meine Freunde und auch Dardan schreiben mir immer wieder. Sie fragen mich wie es mir geht. Vor allem Micah macht sich große Sorgen um mich, da ich am jenen Abend bei ihm Zuhause meine Seele ausgeweint habe, bis nichts mehr heraus kam. Ich habe mich endlich ausgeweint und es tat mehr als gut. Verdammt gut.

Egzona und Mariele wiederum wollen die ganze Zeit wissen, wie das Gespräch zwischen dem Albaner und mir verlief. Ob wir uns vertragen hätten oder nicht. Aber ich antwortete nicht darauf und das brachte die beiden dazu, mich zu zuspamen.

Paolo und Luis schrieben mir zwar auch, aber nicht aus dem selben Grund. Sie wollen einfach nur nach meinem Befinden fragen und wissen, ob ich wieder mal am Start sei, wenn wir als Gruppe etwas unternehmen. Ich sagte höflich ab.

Und Dardan? Dieser schreibt mir wie am Abend des Konzertes jede Sekunde. Abends und in der Nacht noch mehr als am Tag. Ich glaube auch, dass er am Tag seinen Schlaf nachholt. Er schreibt mir immer wieder, dass es ihm Leid täte, dass er nicht wollte, dass es so zwischen uns endet und er mich sehen möchte. Er fleht mich schon regelrecht an. Doch ich reagiere nicht darauf. Ich zeige gar keine Reaktion.

Ich klingle gerade an der Haustür meiner Großmutter, welche zusammen mit meiner Tante und meinem Onkel und dessen Tochter zusammen lebt. Wenige Minuten später öffnet sich auch schon die Tür vor mir und meine Tante Valeria steht vor mir.

„Carla?", sagt sie in ihrem italienischen Akzent, welchen ich so sehr vermisst habe und lächle daher nur auf. Sie zieht mich gleich in eine innige Umarmung und küsst meine Stirn. „Dio mio, habe ich dich vermisst."

Ich lege meine Arme ebenfalls um sie und erwidere ihre herzliche Umarmung. Ich liebe meine Familie hier in Italien, es ist einfach ein komplett anderes Gefühl als in Deutschland.

„Valeria, wer ist das? Was brauchst du wieder so lange? Sag einfach, dass wir nichts kaufen", höre ich ihren Mann Sergio rufen, welcher ebenfalls zur Tür kommt und inne hält, als er mich erblickt. „Oh, du", ist alles was er sagt, bis er mich ebenfalls umarmt. „Deine Nonna wird sich freuen."

„Ich weiß", lache ich und betrete dann endlich das Haus. Es fühlt sich gut an, Zuhause angekommen zu sein. Denn Zuhause ist da, wo dein Herz ist. Und mein Herz schlägt für diese und die andere Stadt.

„Mamma, du hast hohen Besuch", ruft meine Tante Valeria und zieht mich mit in das Wohnzimmer. Sergio nimmt meine Reisetasche und folgt uns.

Meine Nonna sitzt in ihrem Sessel und schaut auf den kleinen Röhrenfernseher. Natürlich besitzen sie noch einen Fernseher, der moderner ist, doch meine Oma kann es nicht übers Herz bringen, dieses wegzugeben. Immerhin hat es mein Nonno ihr geschenkt.

„Wer denn?", fragt meine Oma und schaut nicht mal auf.

„Ciao Nonna", lächle ich und laufe auf sie zu. Diese sieht sofort zu mir und blickt mich sprachlos an. „Ich bin nach Hause gekommen."

Ich knie mich vor sie hin, so wie ich es als kleines Kind immer tat und schaue zu ihr hoch. Tränen sammeln sich in unseren Augen.

„Oh Valentina", flüstert sie und küsst meinen Kopf. Valentina. So nennt er mich auch. „Ich habe dich so vermisst, Stellina."

Seitdem Nonno nicht mehr da ist, nennt sie mich so, doch es ist nicht mehr das selbe. Aber es gibt mir ein Bisschen das Gefühl davon. Sie waren auch fast 60 Jahre verheiratet.

„Ich dich auch, Nonna, ich dich auch."

Nachdem ich ihnen erzählt habe, dass ich nur eine Woche hier bleibe, riefen sie gleich die ganze Familie an, um zusammen zu essen. Während Valeria und Sonia das Haus auf forderman bringen, sind Nonna, Claudia und Isabella in der Küche tätig. Ihre Männer sind alle noch arbeiten, aber wissen ebenfalls Bescheid.

Chiara, meine Cousine und die einzige Tochter von Tante Val hilft mir im Gästezimmer. Sie bezieht das Bett, während ich meine Klamotten in den Schrank lege. Sie erzählt mir von Lorenzo und seiner neugeborenen Tochter, welche nun drei Monate alt ist.

„Hast du deine Eltern schon angerufen?", fragt sie mich dann nachdem sie das Bett fertig hat und zu mir sieht. „Man, ich vermisse deinen Vater so."

Ich nicke lächelnd und lege den letzten Pullover in den Schrank. „Ja hab ich. Als ich am Flughafen war."

„Und weshalb bist du wirklich hier?", schaut sie mich fragend an, setzt sich auf mein Bett und klopft neben sich. „Du weißt, dass du es mir erzählen kannst oder?"

Wieder nicke ich und setze mich zu ihr. Mit den Gedanken an Dardan spiele ich an meinen Fingern. „Ich will morgen zu Nonno und erstmal da reden. Das wäre für mich erstmal am besten", lächle ich dann gezwungen und zucke leicht mit den Schultern. „Außerdem muss ich lernen und dachte mir, dass es hier besser wäre und in Deutschland habe ich zu viele Ablenkungen."

„In Ordnung", lächelt sie mich sanft an. Das Lächeln hat sie von ihrer Mutter geerbt. Denn immer wenn sie lächelt, hat sie ein Grübchen auf der linken Seite und kommt auch nur hervor wenn es ehrlich ist. Bei einem ehrlichen Lächeln von ihr strahlen ihre grünen Augen auch.

Ich mag Chiara einfach so sehr. Nicht nur weil sie meine Cousine ist, sondern auch, weil sie einen wirklich goldenen Charakter hat. Außerdem ist sie Einzelkind und somit irgendwie auch unsere Schwester. Von jedem von uns.

Guten Tag, Signora Di Santis", platzt Carlo in das Zimmer und hinter ihm Alessandro. Carlo's Akzent, bei seinen deutschen Worten, kommt deutlich hervor, weshalb ich grinsen muss. „Meine Lieblingscousine ist wieder da."

Und schon schließen mich beide in ihre Arme. Naja, es endet eher in einer Gruppenumarmung, welche ich wirklich genieße.

Es ist schön wieder die Familie zu sehen.

𝖸𝖫𝖫𝖨 𝖨𝖬. | 𝘿𝘼𝙍𝘿𝘼𝙉.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt