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Carla.

Eine Woche ist schon vergangen, seitdem Dardan und ich uns das letzte Mal gesehen haben. Eine Woche, in der wir weder geschrieben noch geredet haben. Kein Zeichen. Weder von ihm noch von mir.

Aber wenn er nicht mehr will, wenn er mich nicht mehr möchte, dann ist es seine Entscheidung. Sein Herz wird ihm schon sagen, was er machen soll.

Es ist Freitag. Heute ist die letzte Vorlesung für diese Woche und dann kann ich in das Wochenende springen. Bis jetzt haben meine Freunde und ich nichts großartiges geplant, aber wahrscheinlich werden wir wieder spontan etwas unternehmen. Und darauf freue ich mich am meisten.

Ich komme gerade im Hörsaal an und laufe zu den hinteren Reihen, wo Mariele und Havva schon Platz genommen haben. Doch bevor ich mich setzen kann, werde ich gerufen. Ich drehe mich verwirrt um und blicke fragend in das Gesicht von Alban. Was macht er denn hier?

„Carla, zemer", sagt er völlig außer Atem. Hinter ihm steht Poyraz und sieht ebenfalls irritiert aus.

„Was geht denn jetzt ab?", fragt Mariele und beobachtet das Geschehen.

„Wenn ich das wüsste", murmle ich und laufe zurück zur Tür. Ich spüre die brennenden Blicke der anderen auf mir und merke selbst, wie unangenehm es mir ist. „Was willst du hier, Alban?"

Alban hebt seine Hand um mir zu sagen, dass ich ihm etwas Zeit geben soll. Deshalb sehe ich zu Poyraz, der zwischen ihm und mir hin und her schaut. „Ich glaube, ich bin im falschen Film", flüstert er perplex vor sich hin, verschwindet dann aber. Besser so, denn Bock auf ihn habe ich im geringsten.

„Können wir kurz vor die Tür?", höre ich dann Alban fragen und nicke kaum bemerkbar auf. Auch wenn ich den jüngeren Mushkolaj in mein Herz geschlossen habe, wäre es mir lieber, wenn ich ihn nicht mehr sehe oder überhaupt noch Kontakt zu ihm habe. Genauso wie zu seinem Bruder.

Als wir dann vor der Tür stehen, sehe ich ihn erwartungsvoll an. Ich will wissen, was er von mir möchte und ich kann und bin mir sicher, dass es mit seinem Bruder zu tun hat. Das bestätigt er mir auch im nächsten Moment.

„Es geht um Dardan", beginnt er dann, doch ich unterbreche ihn sofort.

„Ich möchte nichts über ihn hören, Alban", sage ich dann und versuche kalt zu wirken, während alles in mir - bei seinem Namen - zerbricht.

So ist das eben, wenn man einen Menschen mehr liebt, als sich selbst. Wenn man einen Menschen so sehr liebt, dass man ihm sein Leben schenken würde.

„Euch geht es beiden beschissen und beide wollt ihr den Namen des anderen nicht hören", gibt er amüsiert zurück und schüttelt mit dem Kopf. „Ihr seid beide stur und dumm. Kommt mal klar. Rafft euch mal und redet miteinander."

Weiß Alban überhaupt, was zwischen Dardan und mir vorgefallen ist? Das sein Bruder mich gehen lassen hat?

Ich weiß nicht, ob wir richtig Schluss gemacht haben, aber es fühlt sich eindeutig so an.

„Alban, er hat mich gehen lassen", hauche ich und schüttle mit dem Kopf. „Er ist selbst Schuld."

„Er bereut es, Carla. Wirklich", versucht er es. „Non und Baba sind richtig wütend auf ihn und das macht ihn noch deprimierter."

Moment, seine Eltern wissen auch Bescheid? Woher bitte? Nicht mal meine Mutter weiß davon.

„Er hat es euren Eltern erzählt?", frage ich geschockt, doch Alban schüttelt mit dem Kopf.

„Nicht ganz. Non hat nach dir gefragt, wann du wieder kommst. Er hat nicht geantwortet und sie hat sich daraufhin alles zusammen gereimt. Dann wollte sie wissen, wieso und er hat ihr alles erzählt. Sie war so wütend auf ihn, dass hab ich seit Jahren nicht mehr so miterlebt", erzählt er mir dann und wirkt für einen Moment abweisend. „Ihr müsst miteinander sprechen. Ihr beide gehört einfach zusammen. Das weiß jeder."

Dieses Mal bin ich wieder diejenige, die abermals mit dem Kopf schüttelt. „Tut mir Leid, aber die Sache ist für mich abgeschlossen. Er hat sich an dem Tag klar ausgedrückt. Das zwischen Dardan und mir sollte anscheint nicht sein. Und das habe ich eigentlich am wenigsten erwartet. Aber ich will nicht an etwas - an jemanden - festhalten, was nicht geregelt werden möchte. Manchmal muss man kaputte Sachen, einfach kaputt lassen."

„Carla", fleht Alban mich an. Mein Professor läuft an uns vorbei zum Hörsaal und wirft uns einen kurzen Blick zu.

„Sorry Alban, aber du kannst ihm ausrichten, dass es so okay ist, wie es ist."

𝖸𝖫𝖫𝖨 𝖨𝖬. | 𝘿𝘼𝙍𝘿𝘼𝙉.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt