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Carla.

„Was soll ich noch großartiges dazu sagen?", seufzt Egzona.

Mariele und ich sind direkt nach unserem Zusammentreffen mit Dardan zu ihr gefahren. Naja, nachdem sie Feierabend hatte. Jetzt liegen wir in ihrem Bett und reden über diesen Vorfall.

Meine zwei Freundinnen regen sich über ihn auf, während ich die letzten zehn Minuten geweint habe. Ob vor Wut oder Enttäuschung ist mir selbst gerade nicht klar.

„Albanische Boys können keine Beziehung mit anderen Nationalitäten führen. Sie brauchen einfach eine Albanerin", fügt sie dann hinzu, was ich nur mit einem funkelnden Blick quittiere.

Mir ist das egal, was diese Vorurteile zu bedeuten haben. Ich kenne sie mittlerweile schon und habe mich einfach in etwas hineingestürzt, mit dem Wissen, welches ich schon lange besitzt habe.

Aber ich liebe ihn und das bringt mich nicht dazu, dass ich ihn wegen Kleinigkeiten verlassen werde.

„Er wird dich noch zerstören, Carla", sagt nun Mariele und streicht mir über meine Haare. „Willst du das wirklich spüren? Diesen ganzen Schmerz?"

Ich rolle mit den Augen. Langsam wird mir das zu bunt. Wir haben uns nur gestritten. Das tun wir momentan oft genug und ich bin mir sicher, dass es nicht unser letzter Streit bleiben wird.

„Ihr tut so, als hätte er mich geschlagen", zische ich dann und setze mich auf. „Ja, ich hab geweint. Aber auch nur, weil er mich verletzt. Heißt aber nicht, dass er mich zerstören wird."

Egzona und Mariele sehen sich an, ehe Egzona mit ihren Schultern zuckt. „Wir haben dich gewarnt."

„Ich bin trotzdem dafür, dass du Schluss machen soll-"

„Nein bleibt nein", falle ich Mariele ins Wort und stehe nun vom Bett auf. „Ich geh aufs Klo."

Wortlos verlasse ich das Zimmer von Egzona und knalle die Tür hinter mir zu. Gerade als ich weiter laufen möchte, stoße ich gegen jemanden und erschrecke mich.

„Me fal, Carolina", entschuldigt sich Florat grinsend bei mir und hält sich an meinen Schultern fest. Das er mich jetzt Carolina nennt, ist mir egal. Das einzige woran ich denke, ist, ob er gelauscht hat. Doch das beantwortet er mir auch schon in der nächsten Sekunde. „Hab übrigens zugehört. Ich hoffe, dass macht dir nichts aus."

Stumm schüttle ich mit dem Kopf und sehe in seine grünen Augen. Was er alles wohl gehört hat? Man, in diesem Haus findet man nicht mal seine Ruhe, denn auch wenn man nicht gestört wird, hören sie alle zu.

„Wenn du willst, kann ich dir zuhören, du weißt, ich hab auch für dich immer ein offenes Ohr", sagt er dann schließlich und lässt seine Hände von mir ab.

„Ich muss aufs Klo", gebe ich nur zurück und husche an ihm vorbei in das Badezimmer. Mir ist es peinlich, dass er vielleicht alles mitbekommen hat. Das er gehört hat, wie ich geweint habe. Geweint wegen eines Kerles.

Im Bad erledige ich schnell mein Geschäft, wobei ich beim Händewaschen länger brauche als üblich. Ich sehe mich im Spiegel an und erschrecke mich selbst. Meine Augen sind gerötet und meine Haut fast so weiß, wie die Wand.

Schluckend schüttle ich mit dem Kopf und verlasse dann das Badezimmer, doch denke an Florat's Worte. Soll ich wirklich mit ihm reden? Immerhin kenne ich ihn schon lange genug.

Aber wieso soll ich mit jedem sprechen, außer mit der Person, um die es eigentlich geht?

Ich erspare mir einfach dieses peinliche Gespräch und versuche mich dann bei dem älteren Bruder meiner besten Freundin abzulenken. Das hat er immerhin drauf.

Mit diesem Gedanken laufe ich auf seine Tür zu und klopfe einmal. Von innen höre ich ein „Hajde mrena", was bedeutet, dass ich in sein Reich eintreten darf.

Ich öffne die Tür und erwische Florat gerade dabei, sie er seine Klamotten in den Schrank wirft, damit es ordentlicher aussieht. Dabei kenne ich sein Zimmer und ihn selbst schon 21 Jahre.

„Du brauchst nichts zu verstecken, nicht vor mir", lache ich und schließe die Tür hinter mir zu.

„Trotzdem. Du bist eine Frau, du achtest wahrscheinlich auf sowas", grinst er mich schüchtern an und lässt sich auf sein Bett fallen. Florat klopft neben sich, und deutet mir damit an, dass sich mich setzen soll. Also tue ich das auch. „Außerdem dachte ich, dass du meine Non bist."

Augenrollend lasse ich mich nach hinten fallen und sehe zu dem jungen Mann mit den braunen Locken und den grünen Augen. Bis heute werde ich nicht verstehen, weshalb er nicht in festen Händen ist, obwohl er so gut aussieht und einen Charakter aus Gold besitzt.

„Ich bin aber nicht hier um zu reden", sage ich dann. „Habe mich hierher auf dem Weg dazu entschieden, lieber mit Dardan zu sprechen, als mit allen anderen, die nichts damit zu tun haben."

„Ist wahrscheinlich auch besser so", stimmt er mir zu und lässt sich ebenfalls nach hinten fallen. „Egzona und Mariele sind dir bestimmt auch keine große Hilfe dabei. Stimmt's?"

Ich nicke und blicke mich kurz in seinem Zimmer um. Dabei entdecke ich seine Playstation und grinse frech auf. „Uhh, lass uns was spielen."

Motiviert springe ich vom Bett auf und laufe auf die Konsole. Daneben sind einige spiele zu sehen, welche ich mir ansehe. „Fifa, COD, GTA, Need for Speed, ernsthaft?"

Florat lacht nur und kommt ebenfalls auf mich zu, doch er legt die Spiele zurück. „Lass mal lieber Lets plays gucken. Dardan sollte derjenige sein, der mir dir solche Dinge machen sollte, nicht ich."

Ich schaue mich suchend im Zimmer um und grinse dabei. „Siehst du den Idioten hier irgendwo? Ich nämlich nicht. Also komm schon", versuche ich ihn zu überreden.

„Nein", sagt er bestimmt und nimmt sich seinen Controller. „Wir gucken Lets Plays und das ist auch beschlossen. Los." Beleidigt setze ich mich zu ihm und kreuze die Arme vor der Brust. „Hör auf so beleidigt zu sein. Irgendwann können wir das gerne nachholen, aber ich hab echt kein Bock auf zocken. Dafür müsste ich dich gewinnen lassen und das ist gar nicht mein Ding."

Einige Minuten lang ist es still zwischen uns, denn Florat sucht nach einem Youtuber, welcher gute Lets Plays macht. Doch den einzigen, den ich überhaupt kenne und mag, ist Gronkh. Also entscheiden wir uns für ihn mit dem Spiel A Plague Tale.

Die ersten Minuten verstreichen und ich langweile mich dezent. Naja eher viel.

„Es ist langweilig. Er hatte mal bessere Videos", jammere ich herum und will nach dem Controller greifen. Doch er klatscht meine Hand weg. „Finger weg, Caro."

„Nenn mich doch nicht immer Caro, stronzo", zische ich und lehne mich wieder zurück.

Plötzlich läuft die Protagonisten in dem Spiel tiefer in dem Wald, da ihr Hund Lion einfach abgehauen ist und man nichts mehr von ihm hört. Der Wald wird immer düsterer und ziemlich gruselig. Bäume sind umgefallen und sie muss durch einen Sumpf laufen.

„Warte, was. Nein, nicht der Hund", rufe ich und bin von der einen auf die andere Sekunde voll in meinem Film.

„Ach jetzt auf einmal ist es doch spannend, huh?", lacht Florat laut auf.

„Shhhh."

Lachend schüttelt Florat mit dem Kopf und schaut - so wie ich auch - das Video weiter.

𝖸𝖫𝖫𝖨 𝖨𝖬. | 𝘿𝘼𝙍𝘿𝘼𝙉.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt