16. Tyler

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Nach wie vor redet John kaum wirklich mit mir und selbst wenn, dann fragt er mich nur, ob ich ihm was Richtiges zu essen besorgen kann oder er bittet mich, ihm irgendwas von zuhause zu holen, Kleidung oder sein heiß geliebtes Gesichtswasser zum Beispiel.

Ich bin für diese Woche freigestellt worden, nachdem ich meine Lage geschildert habe, aber mir ist klar, dass das nicht ewig so weitergehen wird, immerhin wird man bei Todesfällen in der Familie auch nur für drei Tage freigestellt. Nächste Woche muss ich wieder in die Schule. Ich habe keine Ahnung, was ich dann mit John machen soll, denn er soll dann wieder nachhause kommen und ich will ihn nicht den ganzen Tag alleine zuhause lassen müssen.

Die Ärzte haben mit mir geredet. John verweigert eine psychologische Behandlung. Daher können sie wenig tun, denn ihn dazu zu zwingen würde nichts nützen. Er will also wieder nachhause und einfach so tun, als sei nichts gewesen. Den Fakt, dass er versucht hat, sich umzubringen, einfach ignorieren.

Er hat sich zwar entschuldigt und ich habe ihn getröstet, aber viel mehr haben wir darüber nicht geredet. Er weicht immer aus oder sagt, dass er grade nicht reden will.

Ich verbringe die meiste Zeit bei ihm im Krankenhaus. Vielleicht nehme ich, was die Ärzte mir gesagt haben, nämlich, dass er nicht so oft alleine sein sollte und ich für ihn da sein soll, etwas zu ernst. Aber ich bilde mir ein, lieber ich tue zu viel als zu wenig. Das scheint aber auch nicht richtig zu sein, denn nachdem ich den fünften Tag in Folge bei ihm verbringe, verbietet er mir tatsächlich, nochmal zu kommen, bis ich ihn abholen muss. Er will alleine sein und er meint, es macht ihn aggressiv, wie ich ihn stundenlang beobachte.

Es fällt mir tatsächlich schwer, ihn dort zu lassen, obwohl ich doch weiß, dass er mich nicht dahaben will und dass es wahrscheinlich wirklich besser für ihn ist, wenn ich ihn nicht die ganze Zeit bedränge. Ich habe doch selbst keine Ahnung, was ich machen soll. Wann er meine Nähe will und wann nicht. Es wäre so viel einfacher, wenn er mit mir reden würde und mir sagen, was er wann braucht, aber meine Versuche, ihm das klarzumachen, sind darin geendet, dass er meinte, ich soll nicht so scheinheilig tun und Dinge von ihm verlangen, die ich selbst nicht zustande bekomme.

Er hält mir schon seit unserer Trennung vor, dass ich nicht ehrlich zu ihm war, was meine Meinung und mein Empfinden zu der offenen Beziehung anging. Ich weiß ja selbst, dass das nicht richtig war, aber ich wollte lieber unglücklich sein und wissen, dass John glücklich ist als uns in eine Lage zu bringen, aus der es keinen Ausweg gibt.

Das einzige Mal, dass ich nicht einfach die Fresse gehalten und mich dafür eingesetzt habe, was ich will, war, als ich Schluss gemacht habe. Und wohin hat uns das gebracht?

Ich bin wirklich total am Ende, als ich zuhause ankomme. Die letzten drei Nächte war ich zwar wieder hier, aber ich habe kaum geschlafen, sondern tauend mal die Badewanne geputzt, obwohl sie nach dem ersten Mal schon wieder komplett sauber war.

Dass Johns Zimmer aufgeräumt war, als ich reingegangen bin, um ein paar Klamotten zu holen, hat mich nicht annähernd so gefreut wie es das unter anderen Umständen getan hätte. Eher im Gegenteil. Es beweist, dass er das alles wirklich verdammt gut durchdacht hat.

Nur eine Sache hat er wohl vergessen. Was dachte er denn passiert, wenn ich nach dem Wochenende bei Alex zurückkomme und ihn tot in der Badewanne vorfinde? Gott, allein die Vorstellung davon... Die Gewissheit, dass es sich um Minuten gehandelt hat, bis er nicht mehr zu retten gewesen wäre... Die Tatsache, dass ein einziger Gedanke von mir, der, dass ich noch kurz bei ihm vorbeischauen sollte, all das verhindert hat...

Ein Psychologe im Krankenhaus war der Meinung, eine Behandlung wäre für mich auch angemessen. Ich sei traumatisiert. Ich halte es für lächerlich, dass ich zum Psychologen soll, obwohl John derjenige war, der sich die Pulsadern aufgeschlitzt hat. Irgendwas läuft doch da schief.

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