136. Tyler

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Weihnachten ganz alleine in meiner Wohnung zu verbringen, bringt mich auf seltsame Gedanken.

Ich gammele eigentlich nur den ganzen Tag auf der Couch, mache mir meine drei Mahlzeiten am Tag und ein bisschen Homeworkout, weil es mir eindeutig zu kalt ist, um draußen Sport zu machen, kraule und füttere Johns Katze und lebe das Leben eines einsamen Singles an Feiertagen.

Klar könnte ich rausgehen, es gibt genügend Bars oder Discos, in denen ich Gesellschaft finden könnte, aber ich habe absolut keine Lust darauf, neue Leute kennenzulernen und ich genieße diese Zeit für mich auch sehr.

Meine Gedanken scheinen sich der verträumten Weihnachtsstimmung nicht entziehen zu können, egal, ob mein Alltag grade alles andere als weihnachtlich ist. Da ist diese hartnäckige Vorstellung in meinem Kopf, mit Alex auf dem Sofa zu sitzen, während wir drei süßen kleinen Kindern beim Auspacken ihrer Geschenke zuschauen. Alles um uns herum ist dabei weihnachtlich dekoriert und passende Musik läuft im Hintergrund.

In dieser Vorstellung gesteht Alex sich ein, dass er Weihnachten eigentlich echt toll findet, obwohl er es als Kind nie so feiern konnte wie andere. Er bemüht sich, Plätzchen mit den Kindern zu backen und den Baum zu schmücken und den Kindern das Erlebnis zu schenken, das er nie hatte. Und ich helfe ihm dabei.

Die Gedanken daran bringen mich zum Lächeln, einfach so. Klar macht es mich traurig, dass Alex sich nicht mehr gemeldet hat, aber ich rede mir ein, er hat bestimmt seine Gründe dafür und die Ferien haben ja grade erst angefangen, vielleicht kommt ja doch noch eine Nachricht von ihm. Nach den Feiertagen oder so...

„Ach Rocky", seufze ich, kraule dabei die Katze auf meinem Schoß. Eigentlich mag sie das bei mir nicht so gern wie bei John oder Julian, aber sie ist einfach so kuschelbedürftig, dass sie sich nach ein paar Stunden Entzug mit mir zufriedengeben musste. Und ich gebe hier wirklich mein bestes. „Du hast es leicht. Zu einem süßen Fellknäul wie dir würde niemals jemand nein sagen."

Die Einsamkeit macht mich, glaube ich, verrückt. Jetzt fange ich auch schon an, mit der Katze zu reden, obwohl ich John deshalb bisher immer für durchgeknallt gehalten habe. Aber andererseits ist so eine Katze doch wirklich das beste Lebewesen, um sich auszuheulen. Die kann nichts weitersagen und solange man sie streichelt, wird sie einen auch niemals verurteilend ansehen.

Ich muss an meine Diskussion mit Nick zurückdenken. Seine Versuche, mich davon zu überzeugen, ihm eine Chance zu geben und Alex zu vergessen.

Er hat es so dargestellt als wolle ich ihn einfach nicht loslassen und als würde ich es richtig genießen, ihm hinterherzutrauern und vielleicht hatte er damit nicht ganz unrecht.

Natürlich tut es weh, daran ändert die Zeit, die bisher vergangen ist, rein gar nichts. Aber es ist der reinste Schmerz, den ich jemals empfinden habe und ich weiß, dass sich etwas Anderes, kaum so richtig anfühlen kann wie das.

Vergleichen wir es doch mal mit einem gebrochenen Arm. Alles ist gut, man benutzt den Arm ganz normal, und weiß es, wenn man sich umschaut und sieht, dass andere vielleicht keine so gesunden und starken Arme haben, zu schätzen, diesen Arm zu haben, wie er ist. Aber dann bricht er, aus was für Gründen auch immer. Er tut weh, richtig weh. Man kann ihn nicht mehr so bewegen wie bisher und wenn man es doch tut, macht man es nur schlimmer. Also muss man sich schonen, dem Arm in Ruhe lassen, ihn gut behandeln und ihm die Möglichkeit geben zu heilen. Und dann, wenn einige Zeit vergangen ist, macht man den Gips wieder ab und kann sich langsam daran gewöhnen, den Arm wieder zu verwenden. Man freut sich darauf, wieder mit ihm Dinge machen zu können, die man davor gemacht hat. Aber sofort geht das natürlich nicht. Man muss es langsam angehen und dem Arm noch ein bisschen Zeit geben. Solange kann es auch noch wehtun, aber man weiß, dass irgendwann wieder alles gut werden wird. Man weiß, dass sich der Schmerz lohnt.

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