64. Alex

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Nach und nach kommen immer mehr Leute. Matts Eltern zum Beispiel oder mein anderer Onkel, seine Frau und ihre Kinder.

Er hat mich gar nicht wiedererkannt. Aber wie sollte er auch? Wir hatten schon ewig keinen Kontakt mehr, weil er sich nach dem Tod meines Opas mit meinem Dad verstritten hat. Ich weiß nur, dass es ums Erbe ging, aber was genau los war, daran kann ich mich nicht erinnern und ich glaube auch nicht, dass ich das jemals wirklich genau mitbekommen habe. Wer trägt solche Streitigkeiten schon vor einem 7-Jährigen aus?

Jedenfalls sind das quasi Fremde für mich. Es nervt mich, dass sie so tun, als hätten wir das beste Verhältnis und Smalltalk mit mir führen wollen, so als würden sie sich kennen. Vor allem Lukas, mein älterer Cousin, haut irgendwelche Storys von mir raus, an die ich mich verständlicherweise nicht erinnern kann, weil ich da einfach noch zu klein war. Die meisten davon sind wahrscheinlich ohnehin erfunden.

Mein Dad hat mir angesehen, dass ich davon nicht sehr begeistert bin, vor allem, weil Lukas auch keinen anderen zu Wort kommen lässt. Dad hat schon mehrmals versucht, das Thema zu wechseln, aber Lukas ist einfach ein hartnäckiger kleiner Bastard und genießt es, Tyler davon zu berichten, wie fett und peinlich ich als Kind war.

Tyler hört aufmerksam zu, lächelt freundlich, nickt und tut so als sei er interessiert. Dabei streichelt er unter dem Tisch die ganze Zeit meinen Oberschenkel auf und ab – vermutlich der einzige Grund dafür, dass Lukas' Gesicht noch keine Bekanntschaft mit der Glasvitrine hinter ihm gemacht hat.

Ich hoffe, Zoe kommt bald. Ich will sie wiedersehen und das Drama zwischen ihr und ihren Eltern genießen und die Gelegenheit nutzen, eventuell mit Tyler abzuhauen. Aber das kann noch dauern.

Während meine Oma Kuchen verteilt, erzählt Felix, Lukas jüngerer Bruder, dass er zurzeit bei Oma wohnt und ihr bei so gut wie allem hilft. Haushalt, Putzen, Wäsche... Er ist so ein scheiß Schleimer. Das war er schon immer. Matt war Opas Liebling und ich Omas, obwohl die anderen immer versucht haben, auch was von ihrer Aufmerksamkeit abzubekommen und Oma und Opa sie natürlich nicht vernachlässigt haben, war doch immer allen klar, dass es einen Grund dafür gibt, dass wir immer die coolsten Geschenke bekommen haben.

Ich meine, man muss sich die Hackfressen von Lukas und Felix doch nur anschauen... Sowas kann man nicht mit Stolz als seinen Enkel bezeichnen. Matt und ich waren wenigstens hübsche Kinder und vor allem gut erzogen. Mit uns konnte man sich in der Öffentlichkeit zeigen. Lukas und Felix sind ekelhafte Proleten, genauso wie ihr Vater. Wundert mich, dass er eine so attraktive Frau wie Eva abbekommen hat und, dass seine Kinder von ihren guten Genen dermaßen verschont geblieben sind. Eva kann einem nur leidtun, diese drei Backsteinfressen täglich sehen zu müssen...

Wir beginnen, den Kuchen zu essen. Mir wird mulmig dabei. Irgendwas stimmt nicht.

Mein Kauen verlangsamt sich, mein Blick gleitet über die gefühlt hundert verschiedenen Teigwaren und endet schließlich auf Tylers Teller. Er macht grade ein Stück vom Kuchen mit der Gabel ab, schaut aber hauptsächlich zu Lukas, der ihn noch immer zutextet.

Reflexartig schlage ich ihm die Gabel aus der Hand, sodass die wegfliegt und das Stück Kuchen darauf am anderen Ende des Tisches landet.

Alle sehen mich fassungslos an.

„Da sind Nüsse drin", erkläre ich. Mein Herz schlägt total schnell von meiner plötzlichen Panik. Ich nehme Tyler seinen Teller weg, so als würde es ihn schon umbringen, auch nur im selben Raum zu sein wie Auslöser seiner Allergie.

„Oh" Ty wirkt überrascht. „Das hätte ich wohl bedenken sollen"

„Hättest du" Ich kann nur den Kopf darüber schütteln. Trotzdem bin ich erleichtert, dass er noch nichts gegessen hat und demnach sicher ist. Ich fühle mich wie ein kleiner Held.

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