106. Alex

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Was zum Fick habe ich da gerade getan? Ach du Scheiße. Scheiße. Scheiße. Scheiße.

Mein Hirn ist gar nicht dazu im Stande irgendwas anders zu denken als das, während meine Beine mich immer schneller immer weiter tragen. Ich weiß nicht wie lange ich renne und ich weiß auch nicht wohin. Raus aus dieser Gasse und weit weg von den beiden Typen.

Der eine hat mich ganz gut gesehen, der kann mich bestimmt identifizieren. Ich glaube nicht, dass er mich für den Diebstahl der Drogen anzeigen wird oder überhaupt kann, aber wer weiß, wen er mir stattdessen auf den Hals hetzt und ob die Polizei da nicht die angenehmere Option wäre.

Wieso habe ich den gesamten Rucksack mitgenommen? Ich hätte mich mit den vier Pflastern zufriedengeben sollen, das ist immerhin besser als nichts. Jetzt habe ich einen Rucksack voller Drogen an der Backe und keine Ahnung, was ich damit machen soll.

Meine Kondition hat mich nicht im Stich gelassen und das Adrenalin, das meinen Körper vorangetrieben hat, hat ebenso dafür gesorgt, dass ich auch den Schmerz an meinem Fuß nicht ganz so sehr spüren kann. Ich bin bestimmt ziemlich weit gekommen, als ich immer langsamer werde und irgendwann und irgendwo einer Pause einlege.

Es ist weit und breit keiner in Sicht. Ich stehe auf einer leeren Straße in irgendeinem Kaff, knie mich auf den Boden und schaue, was in dem Rucksack alles drin ist. Pulver, von weiß bis braun, Pillen in allen möglichen Farben und Formen, eine Menge Gras, und irgendwelche Flüssigkeiten. Außerdem ein richtig dickes Bündel Geld. Ich traue mich gar nicht, es anzufassen, um es zu zählen, denn ich will nicht, wissen, wie viel das ist.

Ich nehme alle Fentanyl-Pflaster raus, stecke sie in meine Hosentasche, und will grade den Rucksack schließen, als mir eine kleine schwarze Box auffällt, auf der GPS steht.

Toll, dieser Rucksack hat auch noch einen Peilsender. Jetzt kann es wirklich nicht mehr schlimmer werden.

Ich nehme den Peilsender raus, werfe ihn auf den Boden und trete solange drauf, bis er für mich nicht mehr funktionstüchtig aussieht. Dann schultere ich den Rucksack wieder und laufe weiter.

Währenddessen versuche ich mich anhand von Google Maps zu orientieren, um irgendwie nachhause zu finden. Schlau wie ich war, bin ich wohl in die entgegengesetzte Richtung meines Wohnorts gerannt. Das heißt, theoretisch müsste ich zurück in die Stadt und mitten durch, um schnellstmöglich nachhause zu kommen. Aber das Risiko ist mir jetzt definitiv zu groß.

Bei jeder Person, die mir begegnet, jedem Mann, jeder Frau, ja sogar jedem Kind, glaube ich, ich bin aufgeflogen und mir knallt gleich einer eine Kugel zwischen die Augen. Ich habe keine Ahnung, wie ich so schnell so tief in der Scheiße landen konnte. Eben war noch alles gut und jetzt ist wahrscheinlich ein ganzer Drogen-Ring hinter mir her.

Jetzt bin ich irgendwie froh darüber, dass Ace zuhause auf mich wartet. Wenn mir einer helfen kann, dann er. Er ist in diesen Kreisen aufgewachsen, er kennt sich aus und er wird genau wissen, was ich tun muss, um das hier überhaupt zu überleben.

Zwar wird er mich ziemlich wahrscheinlich schlagen, wenn er davon erfährt, aber das ist mir tausend Mal lieber als zu Tode gefoltert zu werden oder was auch immer sich solche Leute da einfallen lassen.

Mit dem Bus fahre ich von Kaff zu Kaff, an der Stadt vorbei. Mir ist klar, dass alle anderen denken, ich bin nur irgendein Teenie auf der Durchreiße, aber ich schiebe innerlich richtig Panik und will einfach nur nachhause. Und damit meine ich wirklich nachhause. Zu Tyler. Er soll mich in den Arm nehmen und mir sagen, dass alles gut werden wird. Nur ihm könnte ich das glauben. Nur bei ihm könnte ich mich noch sicher fühlen.

Verdammt, was habe ich getan? Vor zwei Monaten habe ich noch jeden Tag darauf gewartet, dass er nachhause kommt, um mit mir zu kuscheln und jetzt vermute ich hinter jeder Person einen Dealer, der mich gleich abknallt. Was ist aus mir geworden?

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