113. Tyler

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Mir war ein geregelter und sinnvoller Schlafrhythmus schon immer sehr wichtig. Ich war der Teenager, der immer pünktlich um zehn eingeschlafen ist, um dann um sechs Uhr morgens fit zu sein und aufzustehen. Manchmal habe ich vor der Schule noch ein bisschen Sport gemacht, um richtig wach zu werden und dann hat die morgendliche Dusche ihr übriges getan.

Wenn ich nachmittags manchmal müde wurde, habe ich oft mit meinen Schwestern gespielt oder was Spannendes gelesen oder gelernt oder Sport gemacht, bis ich wieder schlafen gehen konnte.

Diesen Schlafrhythmus, der mich jetzt schon 29 Jahre durchs Leben getragen hat, habe ich in den letzten Wochen komplett zerstört. Es ist eine Qual für mich, mich selbst heute um halb sieben aus dem Bett zu bekommen.

Ganz alleine schaffe ich es nicht mal. John weckt mich, weil ich den Wecker einfach ausgeschalten habe und weiterschlafen wollte. Zuerst versucht er es mit Argumenten wie: „Freu dich doch, du darfst wieder in die Schule", „Deine Schüler freuen sich bestimmt schon total auf dich", „Komm, ich mach dir Frühstück"

Er war echt süß, aber es hat nichts gebracht. Ich konnte nicht mal daran denken, meinen Arsch aus dem Bett zu bewegen. Also hat er Rocky auf mich gesetzt und der ist dann auf mir rumgelaufen und hat somit zumindest verhindert, dass ich wieder einschlafe, bis John mit Kaffee zurückkam und sich hinter mich gesetzt hat, um mich in der sitzenden Position zu halten, während er mir den Kaffee einflößt wie einer Leiche. Dass ich mir dabei die Zunge verbrannt habe, hat auch etwas geholfen, wach zu werden.

Er hat mich auch noch so festgehalten, als ich es geschafft habe, selbst meine Tasse zu halten und versucht, mich weiter zu motivieren, aber so wirklich hat das alles nichts gebracht.

Früher bin ich echt gern in die Schule gegangen und ich hatte auch absolut kein Problem damit, früh aufzustehen, aber jetzt weiß ich nicht, wie ich nur einen halben Tag außerhalb meines Bettes meistern soll.

Ich werde Lila und ihre Freunde wiedersehen, sie werden mich sicher auf Alex ansprechen und ich werde ihnen sagen müssen, dass ich schon viel zu lange nichts mehr von ihm gehört habe.

Man sollte meinen, es wurde einfacher mit den Tagen, Wochen und Monaten, aber das stimmt nicht.

Es wurde immer schwerer, vor allem, weil ich es nicht mehr schaffe, mich an seinen Geruch oder seine Stimme zu erinnern.

Mein Hirn vergisst ihn langsam ganz automatisch, egal, wie krampfhaft ich an jeder einzelnen Erinnerung festhalte. Manches soll nicht für ewig bleiben. Das Gefühl in bestimmten Momenten, zum Beispiel, kann niemals wieder so stark sein wie, wenn man es zum ersten Mal erlebt. Jetzt, wenn ich mich an sollte Moment erinnere, fühlt es sich auch gar nicht mehr toll an, sondern tut einfach nur weh.

Ich vermisse Alex so sehr, dass es mir körperliche Schmerzen bereitet, nur an ihn zu denken. Mein Herz zieht sich krampfend zusammen, so als würde es versuchen sich zu weigern, weiterzuschlagen, solange, bis ich wieder direkt vor ihm stehe und meine Lugen scheinen sich zu weigern, jemals wieder Luft zu holen, solange, bis ich wieder seinen Duft einatmen kann.

Ich habe meinem Psychologen das gesagt, weil es etwas ist, das mich wirklich extrem belastet. Aber der hat mir nur den Ablauf von Trennungsphasen erklärt und meinte, in einem halben Jahr werde ich darüber hinweg sein.

Ich wollte nicht vor ihm sitzen wie ein kleines Kind, beleidigt auf den Boden stampfen, meine Arme verschränken und schmollen, dass ich niemals aufhören werde Alex zu lieben, nicht heute, nicht morgen, nicht in sechs Monaten, nicht in 6 Jahren, nicht in 60 Jahren und auch sonst nicht.

Ich glaube, ein Teil von mir genießt das alles sogar ein bisschen. Ich weiß, dass mich dieser Liebeskummer auf Dauer kaputtmachen wird, vor allem, weil ich mich nicht mal wirklich bemühe, auch etwas dagegen zu tun, aber anderseits sind es meine Gefühle für Alex, die das in mir auslösen. Alles, was mir noch von ihm geblieben ist, bis auf seine Klamotten, die ich jeden Tag auseinanderfalte, um sie dann umso schöner wieder zusammenzulegen und sorgfältig in eine Kiste zu legen.

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