Teach me Love

60. Alex

Ja okay, dann bin ich halt ein seltsamer Creep. Na und? Wer kann es mir verübeln bei einem Freund wie Tyler? Niemand kann von mir erwarten, der Versuchung, ihn anzustarren, zu widerstehen. Dafür ist diese Gelegenheit, wenn er so süß schläft, einfach zu gut.

Ty und ich haben uns gestern noch einen ruhigen Abend gemacht. Er ist ebenfalls duschen gegangen, ich habe in der Zeit all meine Sachen zusammengepackt, sodass seitdem meine Tasche dort steht als freundliche Erinnerung daran, dass das hier vorerst der letzte Morgen ist, an dem ich mit Tyler in seinem Bett wach werde.

Obwohl... von wach werden kann nicht die Rede sein. In Begleitung seiner Stimme, als er mir etwas vorgelesen hat, bin ich zwar eingeschlafen, doch mitten in der Nacht bin ich aufgrund meiner Schmerzen wieder aufgewacht. Ich bin ins Bad, um meinen Knöchel ein bisschen zu kühlen und durfte dabei feststellen, dass er total blau und jetzt auch geschwollen ist. Das kalte Wasser tat zwar gut, hat aber gegen die Schwellung nicht wirklich was geholfen und nachdem ich mich wieder ins Bett gelegt habe, hat mein Fuß nur noch pulsiert, trotz der Schmerzmittel, die ich eingeworfen habe.

Mir ist klar, dass es ziemlich optimistisch war, davon auszugehen, dass das nur halb so schlimm ist. Ich muss mir also was einfallen lassen. Am besten ich trage bei jeder Gelegenheit die Schiene und schone meinen Fuß. Fürs Training brauche ich auf jeden Fall stärkere Schmerzmittel und irgendwas, um meinen Knöchel zu stabilisieren. Ich habe so schon bei jedem Schritt das Gefühl, ich knicke um.

Dass ich in diesem Zustand zu Höchstleistungen auflaufen kann, ist so gut wie ausgeschlossen. Mein Plan, nächste Saison als Stammspieler auf dem Platz zu stehen, wird nicht aufgehen. Ich muss mich einfach in der Mannschaft halten, bis ich wieder voll belastbar bin und dann, am besten innerhalb der nächsten zwei Jahre größere Vereine auf mich aufmerksam machen, denn ich habe definitiv nicht vor, mein Leben lang in der Regionalliga zu spielen. Obwohl ich froh sein kann, dass ich aus der Schulmannschaft direkt in die vierthöchste Spielklasse des deutschen Fußballs gekommen bin... Trotzdem. Ich kann mehr. Und das will ich allen beweisen.

Ich will, dass ein ganzes Stadion meinen Namen ruft, wenn ich auf dem Spielfeld stehe, dass Leute sich Trikots mit meiner Nummer darauf kaufen, für mich jubeln und schreien... Ich will das, seit ich denken kann. Das werde ich mir nicht nehmen lassen, nicht, wenn ich so kurz davor bin, es zu erreichen.

Mir ist klar, dass es noch ein harter Weg bis ganz nach oben ist, aber trotzdem können andere von der Chance, die ich hier bekomme, nur träumen. Ich werde das nicht einfach wegwerfen wegen ein bisschen Schmerzen. Dann muss ich eben die Zähne zusammenbeißen und mich durchkämpfen. Später, wenn ich reich und berühmt bin, kann ich kleinen Kindern durch diese Geschichte einen Ansporn geben, immer an sich zu glauben und niemals aufzugeben...

So in meinen Gedanken versunken mustere ich Tyler, erinnere mich an jedes Mal, als er am Spielfeldrand stand und mir zugesehen hat. Wie er geklatscht und gelächelt hat und seinen Stolz, der durch seine Augen quasi entgegengesprungen ist. Obwohl ich 90 Minuten durchgerannt bin, hätte ich nochmal drei Spiele anhängen können allein durch die Energie, die Tylers Anwesenheit mir gegeben hat.

Das Adrenalin. Fuck, wie ich das liebe. Wenn ich den Ball an mich nehme, Gegner auf mich zu rennen sehe und ihnen geschickt ausweiche, so als würde der Ball an meinen Füßen kleben. Das Gefühl zu haben, dass nicht nur mein Schicksal oder das meines Teams, sondern das der gesamten Welt für einen kurzen Moment in meinen Händen liegt, wenn ich zum Schuss ansetze. Wenn der Torwart nach dem Ball hechtet, doch ihn verfehlt. Wie sich das Netz bewegt, wenn der Ball von innen dagegenschlägt. Die Jubelrufe, die Umarmungen und Klopfer von meinen Kollegen. Der Stolz. Das Wissen, aus eigener Kraft etwas vollbracht zu haben, das andere genauso glücklich macht wie mich.