152. Alex

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Damals, als ich die Tabletten bei meiner Oma mitgenommen habe, habe ich nicht damit gerechnet, dass ich mich somit auf einen Weg begebe, der mich hierhin führen wird.

Ich dachte echt, ich hätte eine Lösung für mein Knöchelproblem gefunden. Ich hatte einen Plan, wie ich mit den Medikamenten umgehen will und ich habe mich auch relativ lange darangehalten. Ich dachte, ich hätte es im Griff. Aber, als meine Probleme immer mehr wurden und ich immer schwächer, waren diese Pillen alles, was mich noch auf den Beinen gehalten hat. Es ging nicht mehr primär darum, Fußball spielen zu können, sondern darum, überhaupt morgens aus dem Bett zu kommen.

Spätestens, als ich dazu bereit war, mich in Gefahr zu begeben, um an Nachschub zu können, hätte ich damit aufhören sollen, das weiß ich. Aber ich glaube, ich wollte einfach nicht. Es gab keinen Grund dazu. Ich wollte so weitermachen wie bisher, immerhin hat das ja funktioniert, aber ich wusste, dass es ohne die Tabletten nicht geht. Also habe ich sie weiter genommen, aus allen möglichen Gründen. Gegen die Schmerzen, um mich zu beruhigen, zum Schlafen... Ich habe immer eine Ausrede gefunden, warum es gut wäre, mir jetzt eine zu gönnen.

Ich weiß nicht, wann genau ich den point-of-no-return erreicht habe. Vielleicht war es, als Ace weg war oder als ich mit Ty Schluss gemacht habe oder vielleicht schon mit der ersten Einnahme. Ich weiß nur, dass ich da so leicht nicht mehr rauskommen werde.

Ich glaube, das Schlimmste daran ist, dass ich weiß, dass mich keiner verstehen wird. Tony, Matt und Tyler wissen nun davon. Es wird nichts bringen, ihnen zu erzählen, was alles passiert ist, sie werden es niemals nachvollziehen können, sie werden mir Vorwürfe machen und mich dazu drängen, etwas zu ändern. Sie werden enttäuscht von mir sein und nie wieder den Lion in mir sehen, der ich schon immer sein wollte. Ich weiß, dass ich das auch nie wirklich war... Doch die Möglichkeit, den Schein aufrecht zu erhalten, hat mir Schutz geboten, den ich jetzt nicht mehr habe.

Ich kann mich nicht daran erinnern, wann und warum Tony und Matt gegangen sind oder wie lange sie hier gewesen sind. Schon seit ich damit begonnen habe, Ty in die Augen zu sehen, kann ich nur noch ihn wahrnehmen.

Er lächelt mich leicht an, sein Blick ist in meinem verfangen, doch es wirkt nicht so als wolle er ihn losreißen. Mir geht es genauso.

Schon seit ich wach bin, habe ich das Problem, meinen Geist nicht wirklich in meinem Körper ansiedeln zu können, jedoch trotzdem physische Schmerzen zu spüren. Durch die Art, wie Tyler mich ansieht, verschwindet das kurz oder verzieht sich somit so weit in den Hintergrund, dass ich wirklich einfach nur hier sitzen und mich auf ihn konzentrieren kann.

Da sind keine Ängste in mir, keine vernichtenden Gefühle und Gedanken, sondern für diesen Moment nur Sicherheit. Obwohl ich nicht weiß, wie Tyler reagieren wird und was er mir zu sagen hat. Doch sowie er mich anlächelt, kann ich gar nicht mit dem Schlimmsten rechnen. Er wirkt so als wolle er mir versprechen, dass alles gut wird. Und ich glaube ihm, obwohl er kein Wort sagt.

Er wirkt erschöpft, fällt mir auf. Müde. Ich weiß, dass ich der Grund dafür bin und dafür hasse ich mich sofort ein kleines Stückchen mehr.

Ich wollte nie, dass es Ty meinetwegen schlecht geht. Schon, seit ich ihn kenne, will ich nichts Anderes als bei ihm zu sein und ihn glücklich zu machen. Ich wollte ihn gut behandeln und ihm beweisen, wie sehr er es verdient hat, geliebt zu werden. Ich wollte ihm treu sein, langweilige Dinge mit ihm machen, die durch seine Anwesenheit jedoch plötzlich total spannend wurden, ich wollte ihm alles geben, was ich habe, und mein Bestes dafür tun, ihm jeden Tag zu jeder Sekunde ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern. Ich liebe diesen Mann. Und ich hasse es, ihn die letzte Zeit so sehr leiden gelassen zu haben.

Ich kann gar nicht glauben, dass er trotz allem noch hier vor mir steht und so wirkt, als wolle er wirklich hier sein. Er hat was viel Besseres verdient als mich, wieso sieht er das denn nicht ein? Es gibt nichts, aber auch gar nichts, dass ich ihm momentan zu bieten habe. Ich bin am Ende meiner Kräfte, ich habe keine Ahnung, wie es weitergehen gehen soll oder kann, ich bin verzweifelt, ich bin kaputt und trotzdem schaut er mich so an als sei ich schön und wertvoll und liebenswert. Wie macht er das bloß?

Teach me LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt