Teach me Love

96. Tyler

Ich kann einfach nicht glauben, dass ich das vergessen habe. Was bin ich denn für ein Mensch? Ich habe den Geburtstag der Person verpeilt, mit der ich über fast 13 Jahre lang zusammengelebt habe. Seit ich John kenne, ist es quasi meine Aufgabe, ihm schöne, besondere Geburtstage zu schenken, die ihm zeigen sollen, dass ich bin darüber freue, ihn zu haben... Und dann vergesse ich es einfach.

Erst am Abend, als ich das erste Mal auf mein Handy sehe und mir das Datum in den Blick fällt, bemerke ich meinen Fehler. Mein Herz bleibt für einen Moment stehen und ich blinzele fassungslos, in der Hoffnung, aufzuwachen. Aber das ist leider kein blöder Traum. Ich habe wirklich Johns Geburtstag vergessen.

Ich habe ihn heute noch nicht gesehen, geschweige denn gehört oder sonstiges. Heute Morgen war ich auf Toilette, habe mich geduscht, um mir selbst den Schein zu vermitteln, dass ich noch zu irgendwas zu gebrauchen bin, aber dann habe ich mich wieder ins Bett gelegt und seitdem kein Stückchen mehr bewegt. Ich habe geschlafen, gelesen, noch mehr geschlafen und lag einfach so rum.

Jetzt, als ich das so reflektiere, kann ich mich nicht mal daran erinnern, über irgendetwas bestimmtes nachgedacht zu haben, obwohl ich weiß, dass ich bestimmt wieder den ganzen Tag nur gegrübelt habe... Aber darum geht es jetzt nicht. Ich habe nicht nur heute nicht an Johns Geburtstag gedacht, sondern auch die letzten Tage über. Ich habe nicht mal ein Geschenk, das ich ihm überreichen könnte, ich habe nichts geplant, gar nichts.

Wie soll ich ihm denn so jemals wieder in die Augen sehen? Er ist bestimmt total enttäuscht. Ich kann nicht mal lügen, um die Situation irgendwie zu retten, weil es nichts gibt, das das entschuldigen könnte. Verdammt.

Ich sollte einfach zu ihm gehen und ehrlich sein. Das ändert zwar nichts daran, dass ihn das bestimmt verletzt, aber vielleicht versteht er es etwas und gibt mir eine Möglichkeit, es wieder gut zu machen.

Oh Mann. Ich sollte mich wirklich bemühen, mich wieder in den Griff zu bekommen. Mein Leben gerät grade total aus den Fugen, das hier ist doch der beste Beweis dafür.

Grade, als ich beschließe, in Johns Zimmer zu gehen und zu schauen, ob er dort ist, klingelt es an der Tür. Also mache ich einen Umweg. Julian steht davor und lächelt mich fröhlich an.

„Heihei! Ich will zu John"

Irgendwie total überflüssig, dass er das sagt. Wegen mir ist er sicherlich nicht hier und wenn er nur herkommt, um Rocky zu streicheln, ist das auch mehr als fragwürdig.

Ich gehe zur Seite und lasse ihn rein.

Er kickt total routiniert seine Schuhe in die passende Ecke, lässt sie dann aber so liegen ohne auf die Idee zu kommen, sie richtig hinzustellen und mustert mich dabei. „Wie geht's dir?"

Ich glaube ihm schon, dass ihn das interessiert. Dass er eine ehrliche Antwort will. Dass die Sorge in seiner Stimme nicht nur gespielt ist. Trotzdem will ich auf diese Frage nicht antworten. Ich hasse sie, weil es für mich seit Jahren nur die Option gibt bei der Beantwortung zu lügen. Also weiche ich ihr aus.

„Ich dachte, du bist wegen John hier" Ich schließe die Tür wieder, sehe ihn dann mit einem Blick an, der ihm verdeutlichen soll, dass er sich nicht um mich kümmern muss.

Wir sind ja nicht mal Freunde oder so. Er war mal mein Schüler, dann haben wir uns jahrelang nicht mehr gesehen und jetzt bandelt er mit meinem Ex an. Mich bei ihm auszuheulen, wäre mehr als unpassend.

Trotzdem weiß ich es zu schätzen, dass er mir die Möglichkeit dazu gibt. Julian ist ein guter Kerl. Einen besseren hätte John wahrscheinlich gar nicht finden können.

„Ja schon, aber spricht doch nichts dagegen, wenn wir uns erstmal ein bisschen unterhalten. Er weiß eh nicht, dass ich hier bin"

„Er hat heute Geburtstag" Wieder ein Themawechsel von mir.