142. Alex

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Ich kann mich noch genau an mein letztes Silvester erinnern. Meine Freund und ich waren zelten. Es war eiskalt, doch es war trocken, es lag kein Schnee und am Himmel war keine einzige Wolke. Wir sind eigentlich die ganze Nacht nur am Lagerfeuer gesessen und haben uns unterhalten, Geschichten erzählt, Witze gerissen oder Lieder geträllert.

Ich denke gerne an Nächte wie diese zurück. In denen ich ein normaler Jugendlicher sein und einfach Spaß haben konnte. Oft war ich sehr gestresst, stand unter Druck und habe mir mehr Mühe gegeben, mich vor der Welt zu verstecken als wirklich in ihr zu leben. Aber manchmal, mit den richtigen Leuten, konnte auch ich die Zeit genießen.

Tage wie Silvester lieferten uns die beste Ausrede, alles andere hintenanzustellen und zusammen zu feiern. Wir haben uns betrunken, gekifft, gesungen, getanzt und hatten eine wirklich tolle Zeit. Trotzdem glaube ich, ich hätte all das viel mehr genießen können, wenn ich einfach ehrlich gewesen wäre und mit offenen Karten gespielt hätte. Aber damals war das schlichtweg keine Option für mich. Ich hatte zu große Angst, alles zu verlieren und ich war einfach noch nicht so weit, zu mir selbst stehen zu können.

Vielleicht hatten Matt und Tony ja recht. Vielleicht war ich homophob. Ich habe mich zwar nie zu Homosexuellen geäußert, war daher auch nie wirklich beleidigend oder Sonstiges, aber ich konnte auch nicht wirklich akzeptieren, dass ich dazu gehören soll, obwohl ich ein richtiges Doppelleben geführt habe, um meine Sexualität trotzdem in gewissen Maßen ausleben zu können.

Ich war intolerant und zwar mir selbst gegenüber. Und ich war unreif und naiv und schwach. Erst durch Tyler habe ich mich selbst so richtig kennengelernt, verstanden, dass ich nicht um mich schlagen muss, um Stärke zu demonstrieren und begonnen zu schätzen, was ich habe und dankbar dafür zu sein.

Er hat mir gezeigt, dass ich ein toller, liebenswerter Mensch sein kann und dass ich nicht perfekt sein muss, um gemocht zu werden. Er hat durch all meine Masken und Fassaden hindurchgesehen und mir die Hand gereicht, um mir die Kraft zu geben, sie abzulegen. Er hat mich verstanden, er war für mich da, er hat mir geholfen und ja, er hat mich befreit.

Allein hier neben ihm zu liegen und ihm dabei zuzusehen, wie er langsam wach wird, fühlt sich schöner an als alles, ich die vergangenen Monate ohne ihn empfunden habe. Ich will, dass das niemals endet.

„Du bist wach", murmelt er verschlafen, während er versucht, die Augen zu öffnen.

Bei diesem süßen Anblick muss ich schmunzeln. Er sieht grade einfach nur zum Knuddeln aus.

„Und du hast dich irgendwann umgezogen", gebe ich zurück, als mir auffällt, dass er nun ein T-Shirt und keine Hose mehr trägt.

Er nickt, gähnt leicht in sein Kissen und lässt dann den Kopf reinfallen, während er die Augen wieder schließt und mich gleichzeitig an sich heranzieht, sodass er seine Wange an meine Schulter schmiegen kann. „Ich war zwischenzeitlich wach, hab geduscht und mich um unser Date gekümmert"

„Das findet noch statt?"

Ich klinge überrascht. Das bin ich auch. Nach dem ganzen Stress gestern und heute hätte ich nicht gedacht, dass Ty noch Lust auf sowas hat. Für ihn war das mindestens genauso anstrengend wie für mich. Aber grade deshalb wäre so ein schönes, ruhiges Date vielleicht ganz gut, um mal den Kopf frei zu bekommen und uns auf etwas Schönes konzentrieren zu können. Obwohl ich geschlafen habe wie ein Stein, hatte ich doch sehr unangenehme Bilder in meinem Kopf, die mich auch jetzt noch bedrücken.

Nun öffnet Tyler die Augen doch wieder und drückt sich leicht hoch, um mir in die Augen zu sehen. „Außer du willst nicht mehr"

„Doch! Doch!" Schnell nicke ich.

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