„Als du mich überredet hast, mit dir rauszukommen, dachte ich irgendwie, wir gehen essen oder in den Park oder so. Ich habe nicht damit gerechnet, dass du mich ins letzte Hinterland zerrst"
Ich sehe über die Schulter zu John, dem es sichtlich nicht gefällt, sich durch diese Büsche zu quälen, um mir zu folgen. Es amüsiert mich, dass er so tut, als würde ihn jede Berührung mit einem Ast beinahe vergiften. Er jammert schon die ganze Zeit rum. Dass es ihm zu heiß ist, dass er eine Raucherpause braucht, dass er nachhause will. Ich gehe auf keine seiner Beschwerden wirklich ein.
„Juli, wenn ich auch nur eine einzige Spinne sehe, renne ich kreischend weg", macht er mir schließlich frustriert klar, wohl auch, weil ich einfach weiterlaufe.
Die Vorstellung davon, wie ein stattlicher Mann wie er sich von einem kleinen Insekt einschüchtern lässt, bringt mich allerdings zum Lachen. „Die Spinne rennt, wenn dann, schreiend vor dir weg. Du bist fast 2 Meter groß und die höchstens keine Ahnung zehn Zentimeter?"
„Eine zehn Zentimeter große Spinne?!" Ich bekomme einen kleinen Vorgeschmack auf sein Kreischen und bemerke dadurch, dass mein Versuch, ihn zu beruhigen, wohl nicht ganz geglückt ist. Eher im Gegenteil. „Ich will sterben"
„Willst du nicht", widerspreche ich, warte, bis er bei mir ist und nehme dann seine Hand. „Ich beschütze dich vor den Spinnen, okay?"
„Also sind hier welche" Er verzieht das Gesicht und schaut sich suchend und auch leicht panisch um.
„Wenn ja, mache ich sie ganz schnell weg", verspreche ich.
„Okay, aber du musst sie töten. Qualvoll"
„Wieso?"
„Weil sie es verdient haben?"
„Die tun dir doch gar nichts" Ich muss leicht lachen.
Ich habe nichts gegen Spinnen. Die sind doch ganz nützlich. Ich habe eher was gegen Fliegen. Spinnen und ich sind also quasi Verbündete. Außerdem ist Spinderman cool. Das ist wohl das beste Argument, das es nur geben kann.
„Die sind eklig", widerspricht John. „Diese Beine und wie sie laufen und die Netze und arhgliwä" Er schüttelt sich angewidert.
„Meine kleine Cousine freut sich immer, wenn sie Spinnen sieht", teile ich ihm mit, während ich ihn an der Hand mit mir ziehe und dabei mit der anderen die Büsche zur Seite schiebe und somit dafür Sorge, dass er sie nicht anfassen muss. Weit ist es ohnehin nicht mehr. „Sie gibt ihnen immer Namen. Aber am Ende heißen irgendwie alle Lilly. Und immer, wenn sie eine Spinne sieht, egal welche und egal wo, zeigt sie darauf und meint total begeistert: „Spinne Lilly!!!". Aber wenn ihr Spinnen zu nahekommen, freut sie sich nicht mehr so"
„Verständlich", meint John. „Es gibt auf dieser Welt nichts, das ich mehr hasse als Spinnen. Naja außer mich selbst vielleicht" Letzteres setzt er eher leiser hinzu, wohl nicht in der Absicht, dass ich es höre. Tue ich aber trotzdem.
Natürlich könnte ich darauf eingehen und irgendwas dazu sagen. Dass es schwachsinnig ist, dass er toll ist und dass es mich traurig macht, wenn er sowas sagt. Aber das würde nichts bringen, also lasse ich es.
Wir kommen endlich an meinem Zielort an. Genau zur passenden Uhrzeit. Ich schiebe den letzten Busch zur Seite und trete dann, gefolgt von John auf den grünflächigen Bereich des Berges, der durch eine Felsklufft von dem tiefen Gewässer direkt davor abgetrennt ist.
Wir sind mit dem Auto aus der Stadt und hierher gefahren. John hat sich da schon darüber beschwert, dass er gar keine Lust hat, wandern zu gehen. Ich meinte, ich will ihm was zeigen und er meinte, er kennt den Berg schon und glaubt nicht, dass ich ihn sehr viel interessanter machen kann. Doch ich wusste genau, dass er diese Stelle des Bergs nicht kennt. Die kennt niemand. Nur ich. Und jetzt auch John.
DU LIEST GERADE
Teach me Love
General Fiction..."Du hast mir das Herz gebrochen"... Alles, was zwischen Tyler und Lion stand, ist nun Vergangenheit und sie wollen ihre Chance auf eine gemeinsame Zukunft nutzen. Doch, nachdem für Lion mit seinem Schulabschluss ein bedeutendes, neues Kapitel in...