104. Julian

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Glaubt ihr an Schicksal? An sowas wie Pech und Glück? Sowas wie Vorbestimmung? Sowas wie Karma? Sowas wie Gott? Sowas wie die wahre Liebe?

Mich beschäftigt das Ganze in den letzten Tagen schon so sehr, dass ich doch wirklich in meinem Bett liege und ganze Essays darüber schreibe. Mir ist einfach unglaublich langweilig und mehr tun als hier zu liegen kann ich nicht. Netflix gibt nichts mehr Interessantes her, zocken ist mit meiner Aufmerksamkeitsspanne auch eher semigeil und, wenn ich meine Gedanken aufschreibe und versuche, sie zu erklären, verstehe ich sie vielleicht irgendwann oder erkenne ein Muster in all den Chaos in meinem Kopf.

Ich merke aber ziemlich schnell, dass ich einfach ein hoffnungsloser Fall bin. Ich argumentiere 17 Seiten lang dafür, warum Liebe ein von Menschen geschaffenes Konstrukt ist, basierend auf simplen chemischen Zusammenhängen und entstanden aus dem verzweifelten Versuch, dem Leben einen Sinn zuzuschreiben, und letztendlich glaube ich dann doch daran, dass es die wahre Liebe gibt und ich sie finden werde. Und das obwohl ich schon wieder enttäuscht wurde.

Langsam sollte ich doch echt mal begriffen haben, dass sowas wie Liebe vielleicht einfach nicht für mich geeignet ist. Ich werde immer der sein, der verletzt wird. Der, der nie ausreicht. Der, der verlassen wird...

Meine Mama hat gesagt, ich soll nicht aufgeben. Sie meint, jemand, der meine Zuneigung wert ist, wird sie sich verdienen wollen. Wird um mich kämpfen und mir Tag für Tag zeigen, wie wertvoll ich bin.

Die Vorstellung davon ist zwar echt schön, aber ich glaube nicht, dass es so jemanden geben kann. Und das sollte es auch nicht, immerhin dreht sich ja nicht die ganze Welt um mich und darum, mein Ego zu pushen.

Alles, was ich will, ist jemand, der sieht, dass ich mehr zu bieten habe als Körperlichkeiten. Jemand, der mich so will wie ich bin. Dem ich so genüge. Ich verlange ja nicht mal, dass man mich oder die Tatsache, dass ich keinen Sex will, versteht, ich will nur, dass man es akzeptiert und mich trotzdem noch respektiert.

Johns Reaktion hat bewiesen, dass er das tut. Mich respektieren. Sonst wäre er nicht so ehrlich gewesen. Er hätte auch sagen können, dass ihn das nicht stört, etwas mit mir anfangen, aber sich seine Befriedigung hinter meinem Rücken woanders holen. So blond wie ich bin, würde ich das wahrscheinlich nicht mal checken, bis ich es direkt vor Augen habe. Aber das hat er nicht getan und ich weiß das auch zu schätzen, aber trotzdem macht es mich traurig.

Das mit John hat sich so schnell entwickelt und ich fand das toll. Es hat mich nicht überrumpelt oder überfordert oder mir Angst gemacht. Vielleicht ein bisschen verwirrt, aber ich habe es keine Sekunde angezweifelt. Nicht, weil er ein Mann ist, nicht, weil er doch etwas älter ist als ich und auch nicht, weil er psychische Probleme hat. Ich war mir all dessen bewusst, doch das hat mich nicht davon abgehalten so für ihn so fühlen, wie ich es getan habe und nach wie vor tue.

Aber genauso rasant, wie wir den Berg hochgerast sind, verlief der Absturz. Ein Satz und alles war vorbei.

Das Ganze hat mich extrem beschäftigt, auch noch Tage danach. Ich habe mir Sorgen gemacht, weil John dann einfach von der Party verschwunden ist und ich habe versucht, ihn zu erreichen, doch er ist nicht rangegangen.

Für mich hieß das, das mit uns ist endgültig vorbei. Vielleicht können und sollten wir einfach keine Freunde sein. Wie soll das denn funktionieren, wenn ich ihn anschaue und die ganze Zeit nur küssen will?

Auf der Arbeit war ich so in Gedanken versunken, dass ich unvorsichtig geworden bin. Extrem unvorsichtig. Ich weiß nicht mal mehr genau, wie es passiert ist, aber plötzlich lag ich da auf dem harten Boden, mir tat alles weh, ich konnte mich nicht bewegen und so wirklich was spüren auch nicht mehr.

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