150. Tyler

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Wisst ihr eigentlich, wie sich das anfühlt, als sonst so verantwortungsbewusster Mensch, der sich gern an Regeln hält und ungern Gesetze bricht, wie The Flash höchstpersönlich an einen Ort zu rasen, nur damit einem dann gesagt wird, dass man nicht dort sein darf?

Ich bin mitten in der Nacht in dem Krankenhaus, in dem Alex eingeliefert worden war, angekommen. Die Besuchszeit war zu Ende, also bin ich viel weiter als bis zum Empfang gar nicht gekommen. Auf meine Frage hin, wie es ihm geht, wurde mir mitgeteilt, dass sie mir darüber keine Auskunft geben dürfen. Wenn wir verheiratet wären oder zumindest eingetragene Lebenspartner, dann vielleicht. Aber so – keine Chance. Ärztliche Schweigepflicht wird hier offensichtlich ganz großgeschrieben.

Ein Teil von mir wollte im Krankenhaus einen Aufstand machen und mich mit jedem Arzt und jeder Schwester und wenn nötig sogar der Polizei anlegen, damit ich zu Alex komme oder zumindest etwas über seinen Zustand erfahre. Aber ich wusste, dass es nichts bringen wird, außer, dass ich mir wohl ein Hausverbot einhandle. Also habe ich es gelassen und bin in Alex' Wohnung gefahren.

Dem Hausmeister hatte ich vorher schon bescheid gegeben, dass der Krankenwagen kommen wird und er ihnen doch bitte Alex' Wohnung aufsperren soll, weil er selbst dazu wohl nicht in der Lage sein wird. Jetzt steht er erneut bereit, um mir den Zweitschlüssel für die Wohnung zu geben. Er kennt mich ja und weiß, in welchem Verhältnis ich zu Alex stehe. Trotzdem hätte es gut sein können, dass er den Schlüssel nicht rausrückt. Ich bin unendlich erleichtert, dass er es dennoch getan hat. Jetzt kann ich in Alex' Wohnung gehen und dann... Keine Ahnung. Aber wieder nachhause zu fahren kommt einfach nicht in Frage für mich. Ich gehe später auf jeden Fall nochmal ins Krankenhaus und lasse mir bis dahin etwas einfallen.

Ich könnte versuchen, die Ärzte davon zu überzeugen, dass wir in einer Beziehung zueinander stehen, die es ihnen erlaubt, mich über seine Lage aufzuklären. Alex würde wollen, dass ich weiß, wie es ihm geht, aber, wenn er ihnen das nicht selbst sagen kann, muss ich einen Weg finden, es zu beweisen.

Für mich bedeutet das jedoch, er ist ohne Bewusstsein sein muss. Das passiert zumeist, wenn das Gehirn aus was für Gründen aus immer mit unzureichend Sauerstoff versorgt wird. Da Alex vor unserem Telefonat bereits bewusstlos war, kann ich nur hoffen, der Krankenwagen war früh genug da, um ernsthafte Schäden zu verhindern. Daran, was die Pillen sonst noch angerichtet haben könnten, will ich gar nicht denken.

Ich melde mich für die nächsten zwei Tage von der Arbeit krank. Die Oberstufe freut sich über jede Stunde Entfall, die sie kriegen, und meine Unterstufe wird dann bei Claudia Vertretung haben. Sie lässt sich da bestimmt was Gutes einfallen, um die Kinder sinnvoll zu unterhalten.

Ich kann gar nicht glauben, dass ich vor ein paar Stunden noch fast mit Nick auf meinem Bett gekuschelt habe, als wir uns eine Comedy-Show angeschaut haben. Wir hatten echt Spaß und ich habe damit gerechnet, danach friedlich ins Bett zu gehen und morgen aufzuwachen und einen weiteren total unbesonderen und beinahe schon langweiligen Tag zu erleben... Das kommt mir so vor, als sei es eine Ewigkeit her, als sei in der Zwischenzeit unglaublich viel passiert, worauf ich absolut nicht vorbereitet war. Und irgendwie ist es auch so. Wie hätte denn auch ahnen können, dass es mal hierzu kommt?

Als ich in Alex' Wohnung komme, fühle ich mich seltsam. So fehl am Platz. Ohne ihn hier zu sein fühlt sich falsch an. Ich weiß nicht mal, ob er mich hier haben wollen würde. Letztes Mal haben wir uns ja nicht gerade im Guten getrennt...

Ich sperre die Tür hinter mir wieder ab und gehe erstmal in die Küche, um ein Glas Wasser zu trinken. Vielleicht beruhigt mich das etwas. Als ich mich an die Schränke lehne, fällt mir der Block auf dem Tisch gegenüber in den Blick. Wohl hauptsächlich, weil ich mich frage, wozu Alex so einen Block gebrauchen könnte. Er ist der letzte, der sich hinsetzen und ein bisschen vor sich hinzeichnen würde.

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