Teach me Love

75. Alex

So langsam frage ich mich wirklich, wie man eigentlich erwachsen wird. Wenn ich mir meine Mannschaft anschaue, kann das biologische Alter schon man nichts damit zu tun haben.

Jetzt mal ehrlich, die verhalten sich wie pubertäre Zicken. In der Umkleide lästern sie über mich, tuscheln sich irgendwas zu und schauen mich abwertend an. Wenn sie etwas zu mir sagen, dann nur, wenn sie in einer Gruppe stehen und somit Rückendeckung haben. Aber direkt ansprechen, was ihr Problem mit mir ist, können sie nicht. Stattdessen urteilen sie darüber wie ich mir die Schuhe binde, welches Wasser ich trinke, wie ich renne und sonstige Kleinigkeiten, die einfach nur unnötig sind.

Man merkt ihnen jedoch an, dass sie sich zurückhalten. Ich bin mir sicher, sie haben deutlich mehr auf Lager als fiese Kommentare. Aber ich weiß auch, dass Elias sie ganz gut im Griff hat. Die Frage ist nur, für wie lange. Ein paar vor ihnen scheinen wirklich schon mit den Hufen zu scharren und sich kaum mehr zügeln zu lassen. Das wird immer schlimmer, je länger ich hier bin.

Heute ist Freitag. Mein fünfter Tag hier. Noch immer bin ich „Neuling", „Frischling", „Jungchen", „Kiddo", oder einfach „Braun". Der einzige, der mich so nennt, wie ich genannt werden will, ist der Coach. Jedes Mal, wenn er nach mir ruft und ich über den Platz zu ihm renne, wird sofort wieder getuschelt und mir werden hasserfüllte Blicke zugeworfen.

Ich wusste es absolut nicht zu schätzen, dass sich in meiner Schulmannschaft alle seit Jahren kannten und mehr oder weniger miteinander befreundet waren. Es gab keinen, der sich mit irgendwem so gar nicht verstanden hat. Klar gab es ein paar Idioten oder kleine Grüppchenbildungen, aber im Grunde sind wir die meiste Zeit echt gut miteinander ausgekommen. Wir hatten so eine Altersspanne von 16, mit Matt als dem Jüngsten, bis 19, mit Nico als dem Ältesten. Trotzdem glaube ich, wir sind deutlicher reifer miteinander umgegangen, als es hier der Fall ist.

Es fällt mir wirklich schwer, diese Zicken ernst zu nehmen. Meiner Meinung nach machen sie sich durch ihr Verhalten einfach nur lächerlich. Ich bin mir zwar dessen bewusst, dass sie eine Gefahr darstellen, aber das bezieht sich primär darauf, was sie wohl bereit sind zu tun, um mich aus dem Weg zu räumen, eher weniger auf sie als Einzelpersonen.

Meine Eltern haben mir beigebracht, jeden Menschen mit Respekt zu behandeln, egal in welchem Verhältnis ich zu ihm stehe. Sie meinten, ich soll mich so benehmen, dass mir keiner etwas vorwerfen kann. Meinem Aggressionsproblem zur Folge hat das zwar viel zu oft nicht wirklich funktioniert, aber ich gebe mir zumindest Mühe. Etwas, das diese wandelnden Dummheiten hier offensichtlich nicht tun.

Über die Tage habe ich mir mehr Mühe gegeben, mehr über sie herauszufinden. Nur auf mich selbst zu achten bringt mir nichts, wenn ich meine Gegner dann komplett ausblende. Ich muss auf jede potenzielle Gefahr vorbereitet sein. Da ich schon so drauf bin, seit ich 12 bin, ist das für mich kein großes Problem. Ich mache das einfach nebenbei. Schaue mir an, wer mit wem wie redet, wer zu wem hingeht und wie er sich dabei verhält.

Auch innerhalb des Teams gibt es Spannungen. Ich bin nicht als Außenseiter in eine große Familie eingetreten, sondern einfach eine weitere kleine Partei in einem großen Haufen von Fraktionen, die sich gegenüberstehen.

Eine dieser Fraktionen, ich nenne sie die Koks-Fraktion, weil sie mich auf das entsprechende Video angesprochen haben, wird ganz eindeutig von Theo angeführt. Er kommt mir von allen am verbittertsten vor. Er hat lange Haare und immer einen Dutt, einen viel zu langen Vollbart, von dem ihm manchmal von der Schweiß tropft und einen leichten Bauch, der beweist, dass Kondition schon mal nicht seine Stärke ist. Was er jedoch kann, ist schießen. Über den ganzen Platz, genau auf den Fuß des Mitspielers. Er ist eindeutig einer der Spielmacher und hat den Defensivbereich, wenn Elias beim Angriff mit nach vorne geht, sicher im Griff. Theo ist Innenverteidiger und seine Fraktion besteht hauptsächlich aus den anderen Mitgliedern der Abwehr, die ihm quasi aus der Hand fressen.