88. Tyler

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Ich mache mir Sorgen. Große Sorgen. Normalerweise redet Alex doch über alles mit mir. Manchmal braucht er ein bisschen Zeit, um sich zu öffnen, aber das ist nie wirklich lange. Es beunruhigt mich, dass er so offensichtlich mit irgendetwas zu kämpfen hat, doch mir nicht die Chance geben möchte, dabei an seiner Seite zu stehen.

Ich will für ihn da sein und eine Lösung finden für jedes noch so kleine Problem, das ihn beschäftigt. Aber er lässt mich nicht.

Dadurch, dass ich die ganze Nacht wachliege, bemerke ich, dass er das auch tut. Er bewegt sich viel, seufzt erschöpft, rollt sich von mir weg und dann wieder zu mir, so als wisse er nicht, ob er grade Abstand oder Nähe braucht.

Doch er tut so als würde er dabei schlafen und ich mache das Gleiche. Wir nutzen den Schutz der Nacht, der Dunkelheit, um uns zu verstecken. Voreinander.

So richtig bemerke ich das aber gar nicht. Ich bin einfach zu tief versunken in meinen Gedanken und Sorgen und ich weiß, dass Alex nicht darüber reden will, also werde ich nicht nachfragen. Um ihn abzulenken, bin ich zu müde und zu erschöpft. Ich will ja schlafen. Aber ich glaube grade, dass ich es so krampfhaft versuche, sorgt dafür, dass ich es nicht kann.

Irgendwann, als der Mond schon seit einiger Zeit total hell durch den halb geschlossenen Rollladen in das Zimmer strahlt, beschließe ich, mal aufs Klo zu gehen. Ich versuche es mit umgekehrter Psychologie. Ich rede mir ein, dass ich nur wachlag, weil ich aufs Klo musste. Manchmal klappt es sogar, dass ich dann ein wenig Schlaf finde, wenn ich mich danach wieder ins Bett lege. Aber heute nicht.

Alex liegt mit dem Rücken zu mir, als ich wieder ins Bett schlüpfe. Seit ich ihm den Löwen gegeben habe, hat er ihn nicht mehr losgelassen. Er hält ihn die ganze Zeit über fest im Arm oder presst ihn an seine Brust.

Ich fand es im ersten Moment wirklich süß, das zu sehen. Aber mir ist auch ziemlich schnell aufgefallen, dass dieser Anblick sehr viel mit dem eines verängstigten Kindes gemeinsam hat.

Dadurch habe ich festgestellt, dass Alex vor irgendetwas Angst haben muss. Etwas Neuem, über das er wohl so noch nicht mit mir geredet hat. Ich will nichts lieber, als ihm versichern zu können, dass alles gut wird und ihm bewusst zu machen, dass er, egal was es ist, keine Angst haben muss, weil ich ihn beschützen werde. Wenn nötig, dann sogar mit meinem Leben. Aber wenn er sich mir nicht anvertraut, kann ich das nicht.

Ich liege da und mustere die Umrisse des Zimmers im Licht des Mondscheins. Für gewöhnlich fällt es mir einfacher zu schlafen, wenn ich bei Alex bin. Dann fühle ich mich weniger unsicher und ängstlich und schwach... Aber jetzt grade fühle ich nur das. Ich bin machtlos und hilflos und nutzlos. Dabei will ich doch nichts lieber als, dass es Alex gut geht. Dass ich das nicht hinbekomme, lässt mich total verzweifeln.

Ich höre ihn leise schniefen.

Mein Herz zieht sich im selben Augenblick schmerzerfüllt zusammen.

Wieder ein Schniefen.

Er versucht eindeutig, es zu unterdrücken, das macht es nur noch schlimmer für mich.

Ich rolle mich auf die Seite, rutsche an ihn heran und nehme ihn in den Arm.

Er zuckt zusammen, als er meine Nähe spürt. „Ich wollte dich nicht aufwecken, tut mir leid"

„Hast du nicht", versichere ich ihm leise, küsse seine nackte Schulter. Ich bemerke dabei, wie kalt er ist und ziehe ihm die Decke so weit hoch, dass nur noch sein Kopf rausschaut, reibe dann darüber, weil ich mir einbilde, das würde ihn aufwärmen.

Kurz bleibt alles wie es ist. Ich überlege, was ich tun oder sagen soll.

Er weint. Sollte ich ihn darauf ansprechen, wieso? Sollte ich ihn dazu zwingen, es mir zu sagen? Braucht er das vielleicht? Geht es nicht anders? Oder soll ich den Mund halten und ihn fest in den Arm nehmen? Oder soll ich ihn alleine lassen? Braucht er Abstand? Verdammt, ich habe keine Ahnung! Das macht mich irre!

Teach me LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt