98. Alex

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Noch 3 Tage zum Saisonauftakt. Weniger als 72 Stunden.

Man sollte meinen, wir sind bestens vorbereitet, total aufs Spiel fixiert und würden uns durch nichts aus der Ruhe bringen lassen. Aber eher das Gegenteil ist der Fall. Seit Tagen eskaliert jedes Training, wenn Chris aus verschiedenen Gründen zweitweise nicht da ist. Zwar mögen alle Uwe, aber zu respektieren scheinen sie ihn nicht wirklich. Es kommt immer erst wieder Ruhe rein, wenn Elias die Stimme erhebt und eine Ansage macht. Jedes Mal ist es Theo, der im Zentrum des Streits steht und auch danach noch total angespannt wirkt, so als würde es ihn verrückt machen, dass er genau weiß, dass er auf Elias hören sollte, wenn er sich kein persönliches Eigentor schießen will.

Überraschenderweise geht es bei all dem Zoff mal nicht um mich. Ich stehe die meiste Zeit nur als Beobachter daneben und halte mich fein raus, während die einzelnen Fraktionen regelrecht aufeinander losgehen und sich fertigmachen.

Das ganze Team geht jetzt schon davon aus, dass wir am Samstag direkt auf den Mond geschossen werden und schieben sich bereits jetzt die Schuld dafür zu.

Sowas bei erwachsenen Männern, die eine Einheit darstellen sollten.

Ich kann echt nicht fassen, in was für einen Zoo ich hier geraten bin. Sogar meine Schulmannschaft, in der zum Ende pubertäre Kerle von 16 bis 19 waren, haben sich erwachsener und sportlicher benommen.

Wenn bei unser einer gepatzt hat, haben wir das als Team ausgebadet. Keiner hat einem Anderen Vorwürfe gemacht. Stattdessen haben wir einander immer sofort getröstet. Wir waren zwar nicht unbedingt alle Freunde, aber, wenn wir auf dem Platz standen, waren wir eine Familie. Die Jungs waren meine Brüder. Für mich hat das mehr bedeutet als jedes Tor und jeder Sieg oder jeder Fehler und jede Niederlage.

Klar ist gewinnen toll, aber Fußball ist nun mal ein Mannschaftssport. Man gewinnt als Team und man verliert als Team. Egal, was davon der Fall ist, man tut es gemeinsam. Der Sieg gehört keinem allein und die Niederlage ist nicht die Schuld einer bestimmten Person.

Das ist kein Fußball. Fußball ist viel mehr als das Spiel an sich und dessen Endergebnis. Es frustriert mich richtig, dass viele meiner Kollegen das einfach nicht begreifen.

Chris hat heute mitbekommen, was im Training los war. Er hat Uwe uns über den Platz jagen lassen, während er auf irgendeinem Termin war. Als er zurückkam, war grade Hully gully. Theo hat einen der Stürmer fertiggemacht, weil der seine Bälle angeblich nicht gut genug annehmen kann, um was daraus zu machen, sich aber für den deutschen Lewandowski hält.

Ich finde, Justus spielt wirklich gut. Manchmal ist er ein bisschen tollpatschig, aber das ist Müller auch und trotzdem ist er einer der besten Fußballer der Welt. Er gleicht das durch andere herausragende Aktionen wieder aus, zu denen Theo sicher nicht fähig wäre.

Elias war damit beschäftigt, Theo von Justus wegzuschieben und auf ihn einzureden, aber Theo hat sich gewehrt und fast schon angefangen, mit Elias zu raufen. Kurz dachte ich, er haut ihm gleich eine rein, aber dann kam Chris dazu und hat mit einem simplen „Was zum Teufel ist hier los?" alles zum Stillstehen gebracht.

Theo hat sofort von Elias abgelassen, aber Elias war trotzdem sauer, wahrscheinlich, weil Theo sofort danach mit seinen Freunden zu zischen und lästern angefangen hat.

Das Training ging mit Chris ruhig weiter. Es gab keine weiteren Vorkommnisse. Bis wir in der Kabine standen.

Schon als wir reingelaufen sind, hat Theo weiter mit seiner Gruppe getuschelt. Jetzt in dem engen Raum, während die meisten anderen schon in der Dusche sind, höre ich umso besser, was sie sagen und muss mich wirklich zusammenreißen, auch nur so zu tun als würde ich weghören.

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