2. Tyler

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„Du bist also schwul?"

Alex nickt, doch schafft es nicht, seinen Eltern dabei in die Augen zu sehen. Stattdessen sitzt er mit hängenden Schultern neben mir, gegenüber von seinen Eltern, und schaut auf die Tischplatte zwischen uns.

Wir haben uns zu ihm nachhause verlagert, nachdem Tonys Mum uns gebeten hat, das Restaurant zu verlassen. Nach allem, was da passiert ist, kann ich ihr das nicht mal übelnehmen. Es wundert mich schon, dass sie nicht vorher eingegriffen und jemanden – wahrscheinlich mich – mit dem Pizza-in-den-Ofen-schiebe-Teil vermöbelt hat.

Ich denke, Alex hatte Angst, bei seinen Eltern mitzufahren. Daher ist er wortlos bei mir eingestiegen. Auf dem Weg zu sich nachhause hat er kein Wort gesagt und seit wir hier sitzen genauso wenig.

Er hat es getan. Er hat sich geoutet. Indem er mich vor duzenden Menschen geküsst hat und gesagt, dass er mich liebt. Ich weiß, dass das noch lange nicht heile Welt für uns bedeutet, aber ich denke, es ist ein großer Schritt in die richtige Richtung.

Alex' Dad war dann derjenige, der die Stille unterbrochen hat, mit der Frage nach Alex' Sexualität. Jetzt ist es wieder leise.

Ich bin überfordert, um ehrlich zu sein. In meinem Studium habe ich echt viel gelernt, unter anderem auch, wie ich zwischen Schülern und ihren Eltern vermitteln kann, wenn sie ein schwieriges Verhältnis haben, aber es gab nun mal keinen Kurs, der sich damit beschäftigt hat, was ich machen soll, wenn ich mich in meinen Schüller verliebe, ihn verletze, nach Monaten wieder auftauche und dann plötzlich alles seinen Eltern beichten muss, bevor ich überhaupt weiß, ob und wie das mit uns weitergeht.

„Hattest du Sex mit Tyler?" Herr Braun stellt die Frage schon so, als wisse er genau, dass ihm die Antwort nicht gefallen wird.

Wieder nickt Alex nur still.

„Wolltest du das?", fragt er weiter.

Erneut nickt Alex.

Dann nickt auch Herr Braun und schaut zu mir. Sein Blick wirkt auffordernd, aber ich bin mir nicht ganz sicher, was er denn jetzt von mir erwartet. Dass ich etwas für Alex empfinde, sollte nach allem, was passiert ist, sehr deutlich geworden sein. Und wirklich mehr geht seinen Vater eigentlich nichts an.

Ich seufze, weil sein Blick langsam extrem unangenehm wird. „Ich verstehe, dass das grade alles ein bisschen viel für Sie ist... Zu verarbeiten und zu verstehen. Ich würde vorschlagen, wir schlafen alle eine Nacht darüber, was heute passiert ist und reden morgen weiter." Durch Todesblicke kommen wir einer Aussprache immerhin auch nicht näher.

Zum ersten Mal, seit wir hier sind, hebt Alex den Kopf, um mich anzusehen. „Aber du... du kommst doch wieder, oder?"

Es bricht mir das Herz, ihn so zu sehen. Unsicher, verzweifelt... gebrochen. Ich habe ihm das angetan, ich weiß das, aber erst jetzt wird es mir auch richtig bewusst.

„Natürlich", versichere ich ihm also. „Schreib mir einfach, wann ich kommen soll"

Alex nickt, also sehe ich überprüfend zu seinen Eltern, die fast so wirken, als können sie es gar nicht erwarten, bis ich mich endlich verpisse. Ich verabschiede mich also, ohne eine Erwiderung zu erwarten und gehe.

Schon während ich zu meinem Auto laufe, schreibe ich Alex, dass alles gut wird.

Er antwortet sofort. „Meine Eltern reden nicht mehr mit mir"

„Wir kriegen das hin", versichere ich ihm.

Ich weiß, dass er mir nicht mehr vertraut. An seiner Stelle würde es mir wohl nicht anders gehen. Aber ich wäre nicht hier, wenn ich nicht dazu bereit wäre zu kämpfen. Ich habe Matt schon mal alles erklärt. Auch, dass ich wiederkommen werde, wenn der passende Zeitpunkt gekommen ist. Ich wollte den Kontakt zu Alex zwar einschränken, damit er sich auf seine Schule konzentriert, aber ich habe nie gesagt, dass ich keinen Kontakt mehr zu ihm will. Zwar war mir irgendwie bewusst, dass sein Stolz es nicht zulässt, dass er sich bei mir meldet, aber ich wollte es auch nicht unnötig kompliziert machen, indem ich so inkonsequent bin, mich bei ihm zu melden.

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