86. Alex

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Ich weiß nicht, was ich fühle und was ich fühlen soll.

Seit Sunny mir einiges über den Coach erzählt hat, bin ich innerlich einfach nur am Ende. Das zu erfahren, hat mich getroffen wie ein Pfeil mitten ins Herz. Seitdem kommt es mir so vor, als würde ich langsam aber sicher an dieser Wunde dahingehen.

Ich weiß ja auch nicht, was ich erwartet habe. Der Coach ist Anfang 30. Wieso habe ich mir nichts dabei gedacht, dass er kein Fußball mehr spielt, sondern lieber trainiert? Das macht doch keiner, der gerne selbst spielt, freiwillig.

Vielleicht bin ich automatisch davon ausgegangen, dass er eine Verletzung hatte oder so. Dass es irgendeine harmlose Erklärung dafür gibt. Aber, dass er gekickt wurde, weil es ein Gerücht gab, dass er was mit einem Mann hatte... Damit habe ich nicht gerechnet.

Trotzdem heißt das, ich hatte recht. Allein das Gerücht reicht aus, um die Karriere eines aufstrebenden Sterns am Fußballhimmel zu beenden, ganz egal, wie hell er strahlt.

Sunny meinte, es gab nie Beweise und Chris hat sich auch nie dazu geäußert. Er hat die Gerüchte weder bestätigt noch abgestritten. Wahrscheinlich wusste er, dass abstreiten nichts bringt, außer ihm auch noch sein letztes bisschen Stolz zu nehmen.

Eigentlich kann er froh sein, dass er es als Trainer doch dann noch so weit gebracht hat. Aber ich schätze, nachdem Gras über die Sache gewachsen ist, hat man sich dann einfach nicht mehr dafür interessiert, weil man wusste, dass er nie wieder einen Fuß auf ein Spielfeld setzen wird.

Trainer zu werden war die einzige Alternative für ihn, Fußball nicht komplett an den Nagel hängen zu müssen.

Für mich in das allerdings keine Option. Das würde mir niemals ausreichen, ich würde mich damit nicht zufriedengeben, ich würde es schlichtweg nicht akzeptieren. Allein, dass das einem anderen passiert ist, nimmt mich schon unglaublich mit, obwohl es mit mir rein gar nichts zu tun hat. Für mich selbst kann und will ich mir das nicht vorstellen.

Sunny hatte keine Ahnung, was er durch diese Informationen in mir anrichtet. Ich konnte es vor ihm und Stella noch gut genug überspielen und habe mir nichts anmerken lassen, doch bei Tyler ist das ganz anders.

Er bemerkt, dass ich ungewöhnlich ruhig bin, vor allem, weil vorhin ja noch alles gut war. Ich tue das auch sicherlich nicht absichtlich, um ihn zu besorgen, aber ich kann auch nicht wirklich was dagegen tun. Grade fühlt sich irgendwie nichts mehr wirklich richtig an.

Ich bin ein Heuchler. Ein Feigling. Ich gebe vor, jemand zu sein, der ich nicht bin, weil ich genau weiß, dass mich die Konsequenzen, die daraus resultieren, zu mir selbst zu stehen, mich umbringen würden.

Es fühlt sich so scheiße an, dass es mein größter und einziger Traum ist, etwas zu tun, das offensichtlich nicht für mich bestimmt ist. Und das alles wegen etwas, das ich nicht ändern kann.

Es ist verdammt nochmal nicht meine Schuld, dass ich auf Männer stehe. Ich kann doch nichts dafür!

Es tut so weh zu wissen, dass ich nicht lieben darf, wen ich liebe, wenn ich werden will, was ich mir wünsche. Nein, ich wünsche es mir nicht, ich brauche es. Ein Leben ohne Fußball macht einfach keinen Sinn mehr für mich. Ich will keine Zukunft, in der ich nicht das einzige tun kann, das sich für mich immer richtig angefühlt hat. Etwas, das ich immer konnte und bei dem ich mich immer sicher gefühlt habe, egal, wie viel Angst ich hatte und wie ich innerlich verzweifelt bin.

Aber aus meiner Zuflucht ist ein Alptraum geworden und der kleine Junge in mir, der sich nach wie vor an die Hoffnung klammert, dass am Ende doch irgendwie alle gut wird, will das einfach nicht akzeptieren.

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