91. Alex

1.4K 114 112
                                    

Noch 10 Tage bis zum Saisonauftakt. Bisher konnte ich Chris nicht davon überzeugen, mich doch noch spielen zu lassen und eine gute Gelegenheit, mit Elias zu reden, hat sich auch nicht ergeben. Um ehrlich zu sein, glaube ich, ich schiebe es auf. Nach dem Training will ich einfach immer möglichst schnell nachhause, mit keinem reden und keinen ansehen und mich schon gar nicht mit noch mehr Problemen auseinandersetzen müssen als ohnehin schon.

Ich bin komplett hin und her gerissen zwischen Antriebslosigkeit und Tatendrang. Einerseits will ich etwas tun, um mir meinen Platz in der Mannschaft und somit auch meine Zukunft im Fußball zu sichern, aber andererseits fehlt mir die Kraft dazu.

Ich könnte so eine kleine Motivationsrede von Ty echt gut gebrauchen. Ein paar Worte, die beweisen, dass er mich versteht und für mich da ist. Dann würde ich mich wenigstens sicher fühlen und hätte die Gewissheit, dass, selbst wenn alles auseinanderbricht und ich keine Ahnung mehr habe, wo mir der Kopf steht, immer auf ihn zählen kann. Aber damit kann, darf und sollte ich jetzt nicht mehr rechnen.

Ty hat meine Nachricht am Montag gelesen und ein paar Stunden später sogar geantwortet. Er hat geschrieben, dass er heil angekommen ist und meinte, dass ich mir keine Sorgen um ihn machen muss. Dann hat er mich blockiert. Sowohl auf WhatsApp als auch auf Snapchat.

Ich weiß nicht ganz, was ich davon halten soll. Das ist der ultimative Beweis dafür, dass ich mir doch sorgen um ihn machen muss. Er zieht sich zurück und wahrscheinlich überdenkt er wieder alles nur unendlich oft, bis er daran verzweifelt.

Aber andererseits braucht er diesen Abstand grade einfach, glaube ich, oder die Tatsache, dass er durch das Blockieren genauso einen Schlussstrich gezogen hat wie ich durch die Trennung.

Keine Ahnung, wieso ich ernsthaft gedacht habe, dass wir in Kontakt bleiben werden. Vielleicht nicht täglich telefonieren, aber doch regelmäßig.

Ich weiß gar nicht, wie ich das durchstehen soll. Aufstehen und wissen, dass ich ihn weder sehen werde, noch seine Stimme hören, noch ihn berühren oder küssen. Tag für Tag scheint das umso schwieriger zu werden.

Ace hat dazu nicht viel gesagt. Klar war er überrascht, aber ich habe es ihm neutral erklärt, er hat mich kritisch angeschaut, aber es schließlich einfach so hingenommen.

Seitdem bilde ich mir ein, er hat ein noch fixierteres Auge auf mich geworfen als ohnehin schon. Er hat es sich wirklich zur Aufgabe gemacht, für mich zu sorgen. Dazu zählt für ihn offenbar kochen dazu, mich unterhalten, mir Kuscheleinheiten anbieten, aber auch mich zu überwachen. Vor allem, was die Tabletten angeht. Egal, wo ich sie verstecke, am Ende des Tages klebt immer ein neuer Post it dran, auf dem sowas wie nice try;) steht.

Er zählt die Pillen jeden Tag ab, um zu sehen, wie viele ich nehme. Er hat bemerkt, dass ich die Dosis erhöht habe, sich aber mit der Erklärung zufriedengestellt, dass ich sie zum Schlafen brauche. Ist ja auch die Wahrheit. Früher habe ich mich immer betrunken, manchmal sogar bis in die Bewusstlosigkeit, damit ich mal ein bisschen Ruhe finden konnte und es aufhört sich so anzufühlen als würde die gesamte Welt auf mich einschlagen. Der Weg, den ich jetzt nehme, ist deutlich weniger gefährlich.

Sonst ist eigentlich alles wie zuvor auch. Nur irgendwie schwerer und dunkler und kälter. Tyler fehlt mir. Er fehlt mir so sehr. Aber trotzdem kämpfe ich mich durch jeden einzelnen Tag. Wenn ich jetzt aufgebe, war alles, was ich bisher getan habe, völlig umsonst.

Ein weiterer Tag mit Fußball geht dahin. Sunny hat sein Einzelgänger-Dasein aufgegeben und trottet mir ungefragt hinterher, egal, wohin ich gehe. Fast sie ein treuer Hund, der seinem Herrchen auf Schritt und Tritt folgen will. Er begleitet mich sogar auf die Toilette und muss immer zufällig, wenn ich auch muss. Klar macht mich das misstrauisch, aber ihn darauf anzusprechen bringt nichts. Er tut immer so als wisse er gar nicht, wovon ich rede.

Teach me LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt