57 - Die Wahrheit

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„Ginny?"

„Sei leise, Marie schläft schon", zischte sie mich an und deutete mit den Fingern auf das Babybett, welches neben unserem Bett stand. Ich setzte mich neben sie.

„Gin, es tut mir leid, ich-"

„Warum musstest du mit diesem Thema überhaupt angefangen? Manchmal bist du wirklich arrogant, weißt du das?"

Sie sah mich scharf an und ich nickte.

„Wir haben mein früheres Liebesleben mit Al's verglichen", äffte sie mich nach.

„Es war dumm von mir", sagte ich ehrlich. „Ich schwöre, dass ich nichts davon wusste"

Ginny warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu.

„Okay, na gut. Ich wusste, dass er ein Mädchen hat, mit dem er sich küsst. Es tut mir leid, dass ich dir nichts gesagt habe, aber Al wollte nicht, dass ich es dir erzähle"

Ginny seufzte.

„Das ist okay, wirklich"

„Du siehst aber nicht okay aus", meinte ich und musterte meine Frau. Sie sah etwas elend aus.

„In letzter Zeit ist einfach alles ein bisschen viel, wenn ich ehrlich sein soll. Das viele Stillen Nachts mit Marie zum Beispiel, denn mein Schlafrhythmus ist total im Eimer. Vor einer Woche konnte ich jeden Tag ausschlafen. Hätte ich das nur mehr genossen..."

„Wenn es dir darum geht: wir können ihr auch die Flasche geben. Du kannst die Milch abpumpen und wenn Marie weint, kann ich aufstehen, die Milch holen und mit einem Zauberschlenker ist sie warm und ich gebe sie ihr. Dann kannst du schlafen", schlug ich vor.

„Nein, du weißt genau wie gerne ich stille. Ich liebe es einfach diese Nähe zu genießen und außerdem stärkt es die Bindung. Ich möchte sie weiter stillen, egal wie oft ich nachts aus dem Schlaf gerissen werde. Das wird schon"

Ich legte einen Arm um sie und strich ihr über den Rücken. Sie legte ihren Kopf auf meiner Schulter ab und sah gedankenverloren an die Decke.

„Aber ich meinte nicht nur das. Zu wissen, dass mein Sohn Geheimnisse vor mir hat, obwohl er immer mit mir über alles redet..."

„Er ist ein Teenager. Ich wette, wir wissen Vieles nicht. Er braucht auch noch seine Privatsphäre, Gin"

„Ja, natürlich. Da hast du vollkommen Recht. Es tut nur weh zu wissen, dass er mir so etwas nicht anvertrauen kann. Er kann eine Freundin haben. Ich habe nichts dagegen"

Ich starrte auch an die Decke und überlegte.

„Schatz?"

„Ja?"

„Ich glaube, ich muss mit ihm reden!"

„Er wird mit uns reden, wenn er bereit dafür ist", meinte Ginny und hielt mich zurück. „Lass ihn schlafen"

Ich setzte mich wieder zurück auf mein Bett.

„Ich glaube nicht, dass er die Wahrheit gesagt hat", gab ich zu. „Ich habe gespürt, dass er uns angelogen hat. Vielleicht hat er mit dem Mädchen Schluss gemacht, weil-"

„Harry!"

„Was denn?"

„Sei mal still, ich hör was!"

Und plötzlich hörte ich es auch. Es kam aus dem Zimmer gegenüber von uns, aus Albus Zimmer'. Er weinte.

„Warum weint er?", fragte ich.

„Harry, ich weiß es doch auch nicht"

„Ich muss es wissen, Gin. Ich will wissen, was-"

Doch ich wurde schon wieder unterbrochen, als die Tür aufging. Albus stand in unserem Zimmer. Sein Kopf glühte und sein Gesicht war von Tränen überströmt. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, also stand ich auf. Ginny hatte sich auch aufgerichtet und machte eine Handbewegung, sodass sich Albus zwischen uns auf unser Ehebett setzte.

„Was ist los?", fragte ich und strich ihm über die Schulter.

„Ich...ich habe euch nicht die Wahrheit gesagt...", stammelte er und nahm meine Hand, die er von seinem Rücken wegdrückte. „Ich...ich muss euch etwas sagen, weil ich nicht mehr so weiter leben kann"

„Wie meinst du das?", wollte ich wissen und sah ihn an.

„Ich glaube, ich muss zu einem Heiler. In eine richtige Therapie, so wie bei den Muggeln"

„Und warum?", fragte Ginny sanft. „Wer behauptet das?"

„Meine Klassenkameraden", meinte er und schluckte. „Weil ich anders bin"

„Albus, jeder ist anders. Jeder Mensch ist anders auf seine eigene Art und Weise. Das ist kein Grund in Therapie zu müssen"

„Du verstehst nicht", sagte Albus leise. „An mir ist etwas anderes. Ich bin etwas, was fast keiner in Hogwarts ist. Das ist der wahre Grund, weshalb meine Freundin mit mir Schluss gemacht hat..."

Er hielt inne und sagte nichts. Ich konnte sehen, dass er Angst hatte. Er zitterte heftiger und er wurde immer blasser. Ich wusste, dass er sich zusammenriss und seine Tränen unterdrückte.

„Albus", sagte ich ruhig. „Du kannst Mum und mir alles sagen, das weißt du. Du kannst immer mit uns über alles reden. Wir verurteilen dich nicht"

„Genau. Du brauchst keine Angst haben. Wir sind deine Eltern, wir sind immer für dich da und wir lieben dich"

„Das werdet ihr vielleicht nicht mehr nachdem ich es euch gesagt habe", sagte er trocken und starrte seine Hände an.

Ginny legte ihre Hand auf seine linke Wange.

„Schatz, was ist los? Was musst du uns sagen? Wieso sagen sie, dass du in Therapie musst?"

„Weil...", fing er an.

Ich griff nach seiner Hand und drückte sie, damit ich ihn ermutigen konnte. Egal, was er jetzt sagen würde; ich würde nicht auf die Idee kommen, seine Hand loszulassen.

Mein Sohn zitterte jetzt am ganzen Körper. Er versuchte ruhig zu Atmen und nachdem Ginny seine zweite Hand ergriffen hatte, sagte er:

„Weil ich bisexuell bin. Ich stehe auf Jungs und Mädchen"

Being a fatherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt