22 - Einunddreißig Prozent und Blut

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James, Lily und Albus saßen unten im Wohnzimmer und starrten ins Leere. Ich konnte verstehen, wie sie sich fühlten und wollte versuchen mit ihnen zu reden. Lily standen Tränen in den Augen und sie weinte, aber eher aus Wut. Ich nahm sie behutsam in den Arm und strich ihr über den Rücken.

„Ich verstehe es nicht. Sie hat uns doch allen beigebracht, dass wir ehrlich zueinander sein sollen und wir immer über alles reden können. Warum hat sie uns oder zumindest Dad nichts gesagt? Es ist doch nicht Schlimmes, wenn man schwanger ist!", sagte Lily.

„Klar ist es nicht schlimm, aber Lily, es ist ein Baby! Wir werden nochmal große Brüder und du wirst große Schwester", sagte James. „Der Altersabstand ist sehr extrem. Ich bin siebzehn, wenn das Baby geboren wird und du bist fast dreizehn"

„Was ist mit Dad? Er ist vierzig und das Baby-"

„Süße, dass ist nicht das Problem. Ich könnte auch noch mit sechzig Kinder bekommen aber eure Mutter ist neununddreißig und das ist für ihren Körper eine Belastung. Es ist ein Risiko"

„Jede Schwangerschaft ist riskant, Dad!", sagte Albus und sah mich fragend an.

„Ja, ich weiß. Aber eure Mum war bei euch zweiundzwanzig, vierundzwanzig und sechsundzwanzig Jahre. Das ist ein Unterschied. Jetzt ist sie schon einige Jahre älter und so eine Schwangerschaft ist anstrengend. Deshalb war sie jetzt immer so erschöpft und ist häufiger zeitig ins Bett gegangen"

„Dad, daran bist du jetzt aber auch mit Schuld. Du hast sie ja..."

Albus kniff die Augen zu und redete nicht weiter.

„Ich dachte, sie hätte ihren Trank genommen. Sie hat ihn noch nie vergessen. Woher sollte ich das denn wissen? Ich habe ihr vertraut", meinte ich.

„Ok, eins zu null für Dad", beendete James die Diskussion. „Aber das ist doch jetzt egal. Wir können es eh nicht mehr rückgängig machen. Fest steht, dass Mum uns allen etwas verheimlicht hat und sie uns angelogen hat"

„Was sollen wir jetzt machen? Wir können nicht für immer auf sie sauer sein", sagte Lily verzweifelt.

„Doch, können wir", sagte Albus. „Sie hat es verdient"

„Ich bin genauso sauer wie du, Albus, aber Lily hat Recht. Wir werden sie jetzt erstmal in Ruhe lassen und nicht weiter mit ihr reden. Sie braucht einfach Zeit"

Alle sahen mich finster an.

„Ich denke, dass sie es euch nicht gesagt hat, weil sie wusste, dass ihr ein Geschwisterchen nicht sehr willkommen heißen würdet. Sie hatte einfach Angst und war verzweifelt. Hört zu, ihr habt das gute Recht auf sie sauer zu sein, aber bitte unterdrückt euch gemeine Kommentare. Ihr sollt eure Mutter respektieren, egal was sie getan hat. Sie hat so viel für euch getan; ohne sie gäbe es euch jetzt nicht, also seid nicht gemein zu ihr. Ihr könnt euch gerne alles denken, aber bitte sagt ihr das nicht direkt ins Gesicht. Ich will nicht, dass ihr sie verletzt", sagte ich ernst und sah dabei alle nochmal an. Sie nickten und ich ging wieder hoch.

Ich wollte sehen, ob Ginny schon schlief. Im Zimmer war alles dunkel, als ich kurz reinsah. Ich machte die Tür wieder zu und beschloss ein bisschen was im Garten zu machen, schließlich musste ich mir ja irgendwie die Zeit totschlagen.

Was mir auch jetzt erst bewusst wurde, war, dass die Kinder schon übermorgen wieder nach Hogwarts mussten und die zwei Wochen Ferien vorbei waren. Was in diesen Wochen alles passiert war...

Delphi hatte es geschafft aus Askaban zu fliehen, dann hatte ich mich mit Albus gestritten und er war weggelaufen. Dabei hätte Delphi ihn fast getötet, doch ich konnte ihn in der letzten Minute retten. Als die Sache mit Al vorbei war, hatte James uns seine Freundin vorgestellt und ein paar Stunden später habe ich durch Zufall erfahren, dass Ginny schwanger war.

Wow, dachte ich. Ich wusste nicht was am Heftigsten war, doch wenn ich es mir recht überlegte eher die Schwangerschaft, von der ich so viele Monate lang nichts gewusst hatte. Zwar war ich immer noch wütend auf Ginny, doch insgeheim freute ich mich auf das Baby. Ja, ich war zwar schon vierzig, aber das war mir egal. Ich kannte Väter, die mit fünfzig zum ersten Mal Vater geworden sind und außerdem ist das bei Männern ja nichts Schlimmes. Für Ginny war es natürlich anstrengend, aber sie war acht Jahre lang professionelle Quiddich Spielerin und ihr Körper war sowas gewöhnt. Also musste ich mir erstmal keine Sorgen machen...
Und selbst wenn das Baby dann da wäre und Ginny und ich beide Zuhause bleiben würden und dann nicht arbeiten gehen, würde die Welt nicht unter gehen. Geld hatten wir genug.

Ich beschloss morgen mit Ginny darüber zu reden und wenn sie mir begründen konnte, warum sie mir nichts gesagt hatte, dann wäre ich bereit dazu ihr vielleicht zu verzeihen und die Kinder hoffentlich auch. Dann könnten wir noch einen schönen Samstag verbringen und alles wäre super.

Nach dem Abendbrot (bei dem Ginny nicht anwesend war) schlief ich wieder auf dem Sofa. Ich holte Decken und Kissen aus dem Keller und legte mich hin. Ich blieb den ganzen Abend wach, weshalb ich hörte, als Ginny gegen elf Uhr runter kam. Ich tat so, als ob ich schlafen würde und es funktionierte. Sie ging an mir vorbei. Ich hörte, wie sie den Schrank aufmachte und etwas klirrte. Was hatte sie vor? Ginny schluchzte leise und schraubte etwas auf. Es musste eine Flasche sein.

„Einunddreißig Prozent, das muss reichen", flüsterte sie leise und ging wieder aus der Küche, aber nicht wieder ins Schlafzimmer. Stattdessen ging sie zur Tür raus, die in den Garten führte. Was zum Teufel wollte sie Abends im Januar im Garten? Und was meinte sie mit einunddreißig Prozent?

Und urplötzlich kam mir ein Gedanke und ich sprang auf und rannte ihr in den Garten hinterher.

Ginny saß zusammengekauert an der Hauswand gelehnt und neben ihr lag eine Flasche Alkohol, wo schon ein kleiner Schluck raus war. Doch das andere was ich sah, schockte mich mehr. Sie hatte ein Messer in der rechten Hand und ihr halber Unterarm war aufgeschlitzt. Sie blutete stark. Ich sagte sofort „Expelliarmus", und das Messer flog ihr aus der Hand. Ich hockte mich neben sie und zog mein Pullover aus. Ich hielt in an sie stark blutende Wunde gedrückt. Ginny zitterte.

Und als sie mir in die Augen sah, fing sie an zu weinen, und zwar so heftig, wie ich sie habe lange nicht mehr weinen sehen und ich konnte es nicht ertragen, sie so sehen. Obwohl ich eigentlich immer noch sauer auf sie war, nahm ich sie in den Arm.

„Harry, es...es t-tutt mir so leid, ich konnte einfach nicht mehr. Ich dachte...ich dachte, es wäre besser, wenn ich...naja...wenn ich nicht mehr leben würde"

Being a fatherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt