36 - Besorgte Brüder

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Am nächsten Morgen weckte mich Ginny und ich stieg leise aus Lily's Bett um sie nicht zu wecken. Dann ging ich mit Ginny in die Küche und wir machten das Frühstück. Ich spürte, dass meine Frau etwas traurig war, weil ich heute Abend wieder James, Albus und Lily nach Hogwarts bringen würde. Wir hatten so lange auf dieses Wochenende gewartet und schon war es wieder vorbei und wir würden sie erst an Ostern zu Albus Geburtstag sehen...

„Harry?"

„Ja?"

„Was war eigentlich mit Lily los? Warum hast du bei ihr geschlafen?"

Ich stellte die Teller ab und sah Ginny ernst an.

„Sie hat stark geblutet und hat Angst bekommen. Sie wollte nicht allein sein"

Ginny nickte.

„Danke, Harry. Für deine Hilfe. Ich mach mir Sorgen. Was ist, wenn das nicht aufhört und Lily in Hogwarts..."

„Gin, jetzt mach dir mal keinen Stress. Wir geben ihr genug Binden mit und wenn die nicht reichen, dann schicken wir ihr noch welche per Eule. Am besten du schreibst auch noch an McGonagall. Sie wird das sicherlich verstehen. Du kannst ihr ja schreiben, dass Lily in letzter Zeit häufig Unterleibschmerzen hat und sie wird wissen, was damit gemeint ist"

„Schatz, ich bezweifle, dass das eine gute Idee ist"

„Ich rede heute einfach mit ihr, ok?"

„Ok", sagte Ginny und küsste mich auf den Mund. Sie rümpfte ihre Nase.

„Du hast Mundgeruch"

„Oh, ähm...tut mir leid. Ich geh mal Zähne putzen", sagte ich und verschwand mit glühendem Kopf ins Badezimmer.

Nach einer halben Stunde kamen die Jungs runter und setzten sich an den Tisch. Die beiden sahen ziemlich verschlafen aus, sodass Ginny sie am Tisch noch kurz wach kitzeln musste. Lily kam nicht; wahrscheinlich schlief sie noch.

„Können wir euch was fragen?", murmelte James nach dem Frühstück.

„Ja?", sagte Ginny zögerlich. Ihr entging James misstrauischer Unterton nicht.

„Was ist eigentlich mit Lily? Ich hab sie gestern weinen und schreien gehört. Ich mach mir Sorgen"

Albus gab ihm einen Stoß in die Rippen, weshalb James laut aufstöhnte.

„Ich mach mir auch Sorgen", meinte er.

„Ja gut, wir machen uns Sorgen", korrigierte James sich selbst. „Kann es sein, dass das so ein Frauen Ding ist?"

Ginny sah mich an. Dann nickte sie.

„Eure Schwester hat es gerade wirklich nicht sehr einfach. Ihr versteht das zwar nicht, aber-"

„Mum, ich hab seit acht Monaten eine Freundin. Ich bin nicht bescheuert. Denkst du etwa, ich kenne mich nicht mit der weiblichen Spezies aus?"

Ich musste über seine Wortwahl leise kichern, doch Ginny stoppte mich, indem sie mich böse ansah.

„Ich weiß, Schatz", sagte sie zu James. „Aber lasst sie damit in Ruhe und zieht sie nicht auf. Das gehört sich nicht für große, respektvolle Brüder"

„Das würden wir auch nie tun!", sagte Al empört.

„Also hat sie ihre-"

„Ja", sagte ich so rasch wie möglich.

„Oh mein Gott...Lily hat...aber sie ist doch erst zwölf. Fängt das schon so zeitig an?", fragte Albus.

James lachte wieder.

„Was glaubst du denn, du Frauen Experte? Bei manchen geht das schon mit zehn los"

„Dann tut mir die weibliche Spezies echt leid", sagte Albus leise und dieses Mal sah Ginny ihn finster an.

„Bitte lacht sie nicht aus", bat ich.

„Dad, keine Angst. Das werden wir nicht. Wir haben uns nur Sorgen gemacht und wollten uns vergewissern, dass sie nicht krank ist und dass er ihr gut geht. Nichts weiter. In Hogwarts hat sie letzten Monat nämlich kaum mit uns geredet. Nur wenn mal ein Brief von euch angekommen ist", erklärte James.

Nachdem Al und James hochgegangen waren und ihre Koffer gepackt hatten, kam Lily pünktlich zum Mittagessen herunter und wir verbrachten den restlichen Tag alle zusammen. Nachmittags setzen wir uns in James' Zimmer und schauten uns Twilight auf Netflix an. Es war der zweite Teil und somit der traurigste bis jetzt. Wir kannten ja nur den ersten. Zu sehen, wie Edward mit Bella Schluss gemacht hatte, um sie zu beschützen, erinnerte mich sehr an Ginny und mich in meinem sechsten Jahr...

⚠️
(Wer das Ende von HP und der Halbblutprinz nicht gelesen hat oder es noch lesen will, sollte ab hier vielleicht nicht mehr weiterlesen, wegen Spoilern...)
Dass sie am Ende im Zug sitzen, wird nicht im Buch erwähnt, das ist meine eigene Fantasie. Bitte kritisiert das nicht. Danke.

-Flashback-

                                                             Juli 1997
Nach der Beerdigung gingen wir zurück ins Schloss. Wir holten unsere Koffer, da der Hogwarts Express in wenigen Minuten losfahren würde. Ein letztes Mal ging ich in den Gemeinschaftsraum. Ein letztes Mal würde ich die fette Dame nach dem Passwort fragen hören und in meinen Schlafsaal gehen, den Ort, in dem ich so viele glückliche und friedliche Nächte verbracht hatte...
Es kam mir noch alles so unreal vor. Dass Dumbledore tot war, dass ich mit Ginny Schluss gemacht hatte. Nein, das durfte ich nicht denken! Ich hatte nicht mit ihr Schluss gemacht. Am liebsten hätte ich die letzte Stunde rückgängig gemacht, doch wenn ich sie beschützen wollte, durfte ich das nicht. Ich durfte noch nicht einmal an sie denken, was sehr schwierig war, als sie später zu uns ins Abteil kam.
„Darf ich hier sitzen?", fragte sie Hermine.
„Klar"
Um mich abzulenken, sah ich aus dem Fenster. Ich sah ein letztes Mal das Schloss, welches bis jetzt mein einziges richtiges Zuhause gewesen war. Wo ich mich gewollt gefühlt habe...und jetzt verschwand alles hinter den Hügeln und Bäumen. Würde ich überhaupt noch einmal dorthin zurückkehren? Würde ich je wieder Nachts heimlich unter dem Tarnumhang durch die Geheimgänge schweifen? Würde ich je wieder das Quidditchfeld betreten?
Ich wagte einen Blick zu Ginny hin. Sie saß mir gegenüber; die Schulter an das Fenster gelehnt und Hermine redete mit ihr. Doch sie schien ihr nicht zuzuhören. Sie starrte ausdruckslos aus dem Fenster, wie ich. Sie weinte nicht, drehte sich langsam zu mir und ich versuche ihr ein warmes Lächeln zu schenken. Ein Lächeln voller Liebe, doch als ich in ihre hellbraunen Augen sah, liefen heiße Tränen meine Wangen hinab und ich schloss meine Augen. Ich durchlebte nochmal die Tage, die wir am See verbracht hatten und bemerkte jetzt, dass ich noch nie glücklicher in meinem Leben gewesen war. Und doch lagen diese Tag so weit weg...
Ich verspürte die Lust Ginny festzuhalten; sie zu trösten; ihr zu sagen, wie sehr ich sie liebte und nur deshalb mit ihr Schluss gemacht hatte, weil ich sie so sehr liebte, dass ich sie beschützen wollte, doch Ron saß direkt neben mir und verputze einen Schokofrosch.
Ginny erwiderte schwach mein Lächeln und nickte. Sie verstand mich. Sie würde meine Entscheidung akzeptieren, das wusste ich. Und ich wusste, dass die nächste Zeit sehr schwer werden würde, und obwohl wir jetzt getrennte Wege gingen, würden wir uns nie aufhören zu lieben. Ich würde für nichts auf dieser Welt Ginny aufgeben. Ginny hatte mich auch nie aufgegeben. Nie.
Und deshalb liebte ich sie so sehr.

Being a fatherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt