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Sydney:

Völlig ausgeschlafen öffnete ich meine Augen.
Ich sah um mich.
Als ich merkte wo ich lag richtete ich mich schlagartig auf.
Ich war in dem Zimmer, wo ich zu allererst eingeschlossen worden war.

Gestern war ich auf der Couch eingeschlafen. Dann wurde ich anscheinend hier her gebracht.
Ich sah zur Tür. Sie war zu.

Wurde ich hier wieder eingesperrt?
Alex hatte mir doch gesagt, dass er es nicht tun würde.
Ich wollte nicht nochmal eingesperrt bleiben!

Hektisch stand ich vom Bett auf und eilte zur Tür.
Ich drückte die Türklinke runter.
Gott sei Dank ging sie auf.
Ich war also doch nicht eingesperrt.

Ich öffnete die Tür und lief in den Flur.
Mein Blick fiel auf die Couchecke, wo zwei Jungs saßen.
Dann fiel mein Blick auf die Eingangstür.
,,Versuchs erst gar nicht.", ertönte Alex Stimme.

Ich blickte ihn an. Verständnislos schaute ich hin.
,,Flüchten, meine ich. Versuchs erst gar nicht.", erklärte er.

Ich glaube ich würde es auch nicht mehr versuchen. Zwei mal hatte ich es ausprobiert. Und das letzte Mal war es wirklich schrecklich gewesen. Ich wollte nicht nochmal so was erleben.

,,Du musst da nicht rumstehen. Du kannst schon herkommen.", sagte nun Carl. Ihn hatte ich gestern auch kurz gesehen, bevor ich eingepennt war.

Mit langsamen Schritten lief ich zu ihnen rüber und pflanzte mich auf die Couch.
,,Und ich hab schon gedacht du wirst nicht mehr aufwachen", schmunzelte Alex.
Verwirrt sah ich ihn an. ,,Warum? Wie viel Uhr ist es denn?"
,,Knapp nach 12.", antwortete er mir.
,,Ist doch gar nicht sooo spät", meinte ich.
Er schüttelte belustigt den Kopf und wandte sich seinem Laptop zu.

,,Was ist das denn überhaupt für ein Kratzer auf deinem Gesicht?", wollte Carl von mir wissen.
Automatisch legte ich meine Hand auf meine linke Wange.
Da war ja dieser Kratzer von dem Zaun, stimmt.
Ich schüttelte leicht den Kopf. ,,Nichts. Egal."

Carl stand auf und blickte zu Alex.
,,Ich muss jetzt gehen", sagte er zu ihm, während er sein Handy rauszückte.
Alex nickte ohne aufzusehen.
Er sah noch flüchtig zu mir. Dann verschwand er durch die Stahltür.

Ich wunderte mich gerade wirklich, dass ich hier einfach auf der Couch sitzen durfte und nicht irgendwo eingesperrt war.
Naja, obwohl ich ja nicht raus durfte.
Aber trotzdem war es ein gutes Gefühl.
Und mit Alex hier zu sitzen war für mich auch kein Problem, denn er war nicht so kalt wie Matteo. Er war gesprächig und sympathisch.

Ich hätte nie im Leben auch nur davon geträumt, dass ich mal neben einem Mafioso so sitzen würde.

,,Stör ich dich wenn ich was frage?", kam es aus mir raus.
Alex hob sein Kopf. ,,Frag ruhig. Ich kann dir aber nicht versprechen, dass ich es beantworten werde.", entgegnete er.
Ich nickte leicht. ,,Ähh, bist du immer hier? Also hast du nicht irgendwie ein zu Hause oder eine Familie?", fragte ich vorsichtig.

Alex seufzte auf. Dann sah er mich eindringlich an.
,,In der Mafia sind eher zu 80% Leute drin die entweder keine Familie haben und hier aufgenommen wurden oder die ihre Familie verabscheuen.", sprach er aus.

Er lehnte sich ein wenig nach vorne.
,,Ich gehöre zu den 80%."
Ich schluckte und mit einem Mal bereute ich es, ihm diese Frage gestellt zu haben.
,,Tut mir leid", säuselte ich.
,,Braucht es nicht. Ich habe meine Eltern sowieso nie gekannt. Ich bin hier aufgewachsen."
Ich hob meine Augenbrauen.
,,Und zu deiner Frage, ich wohne nicht hier. Ja, ich bin sehr oft hier, weil es hier ruhig ist und ich meistens meine Arbeit hier erledige. Außerdem ist es eher so ein Versammlungslager. Das heißt, die Jungs sind öfter hier.
Ich wohne bei Matteo, ehrlich gesagt.", berichtete er mir.

Seine offene Antwort wunderte mich ein wenig.
,,Jetzt darf ich dich auch was fragen.", meinte er.
Ich räusperte mich kurz.

,,Warum bist du von zu Hause geflüchtet?"
Ich runzelte die Stirn.
,,Woher weißt du das?"
Er sah mich belustigt an.
,,Dir ist schon klar, dass wir so vieles über dich herausgefunden haben. Naja, diese Tatsache stand im Inernet.", äußerte er.
Meine Augen weiteten sich.
,,Echt jetzt?"

Alex nickte. ,,Bekomme ich jetzt eine Antwort?", fragte er mich.
,,Also, ich... Ich hatte es schon lange vorgehabt zu flüchten.", fing ich schließlich an.
,,Eigentlich wollte ich mein 18. Lebensjahr warten. Aber ich hab es nicht mehr ausgehalten und bin früher geflüchtet. Der Grund war, dass ich... andauernd geschlagen, beschumpfen, verletzt wurde."
Alex hob eine Augenbraue.

,,Noch mehr tut aber die Tatsache weh, dass es nicht meine echten Eltern waren.", nuschelte ich. Meine Augen wurden glasig.
Schnell blinzelte ich, um die Tränen zurückzuhalten.
Alex seufzte auf. Dann sah er wieder auf sein Laptop.
,,Die Wahrheit kommt immer irgendwann ans Licht.", sprach er.

Dann wurde es still zwischen uns.
Ich starrte einfach auf den Tisch. Was sollte ich jetzt hier machen?
Einfach so rumsitzen oder was?

Mein Magen fing an zu knurren. Ich hatte heute ja noch nichts gegessen.
,,In der Küche gibt es was zu essen.", kam es von Alex.
Ich stand aber nicht auf. Auf Essen könnte ich verzichten.
Ich saß zwar hier.
Ich verstand mich vielleicht gut mir Alex.
Aber ich wollte trotzdem weg von hier.

Wenn ich hier mein Leben lang bleiben musste, was sollte ich hier dann machen? Musste ich jetzt für immer so eine Gefangene hier sein?
Oder musste ich vielleicht so wie Claire eine Bedienstete sein?

Die ganzen Fragen machten mich fertig. Und darauf keine Antworten zu haben machte mich noch verrückter.
Wenn ich hier ein Leben lang bleiben musste hieß das für mich, dass ich die Mafia als meine Familie sehen musste.
Nein, so was absurdes konnte ich nicht machen.

Ich seufzte verzweifelt auf und schloss die Augen.

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