51. Ein anderer Grund

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Avery P.O.V.

Ich sehe Adrian auf mich zukommen, und schon aus der Entfernung erkenne ich, wie aufgebracht er ist. Sein ganzer Körper ist angespannt, selbst seine Schritte strahlen seine innerliche Wut aus. Mein Herz setzt für einen Moment aus. Ich wusste, dass er wütend sein würde – verdammt wütend. Kein Wunder, ich bin einfach abgehauen. Aber ich konnte nicht anders. Es war alles zu viel.

Die letzten Stunden habe ich auf einer Bank in einer belebten Straße gesessen und einfach geweint. Die Menschen um mich herum haben mich kaum beachtet, jeder war in seiner eigenen Welt.

Ich musste einfach weg. Adrians Art hat mich mehr verletzt, als es sollte. Und ich versteh nichtmal richtig weshalb. Und dann mit Matteo, Valentina unf Sofia in der Bar zu sitzen und so tun als wäre das alles absolut normal, war einfach zu viel. Ich fühlte mich einfach so fremd. So einsam. So verdammt einsam.

Ich weiß dass es dämlich war, aber das wird er mir vermutlich ohnehin noch sagen.

Ich merke, wie Adrians Atmung schneller wird, seine Augen funkeln vor Wut. Als er vor mir steht, explodiert er förmlich.

„Wo verdammt warst du!?" schnauzt er mich an, seine Stimme zittert vor Wut. Seine Stirn ist von Schweiß benetzt und er sieht absolut fertig aus.

„I-ich...ich brauchte nur etwas..Abstand.", flüstere ich kaum hörbar und trau mich gar nicht ihn anzusehen.

„Abstand?! Hast du eigentlich komplett den Verstand verloren?!" Adrians Atmung ist so erhöht, dass ich mich Frage ob er überhaupt genug Luft bekommt.

„E-es...es tut mir le-" Ich möchte antworten aber im nächsten Moment packt Adrian mich an den Schultern und zieht mich mit einem Ruck an seinen Körper heran. Seine Arme umschließen mich so fest, als hätte er Angst ich könnte jeden Moment wieder abhauen. Mein Kopf liegt an seiner Brust und ich kann spüren, wie sein Herz wie verrückt unter meiner Wange schlägt, genauso schnell wie meins. Für einen Moment kann ich kaum begreifen, was passiert. Er legt seinen Kopf auf meinem ab und drückt meinen Kopf mit seiner Hand noch stärker gegen seine Brust.

Er hält mich fest, als wäre er einfach erleichtert, dass ich wieder hier bin. Seine Stimme, die vor wenigen Sekunden noch laut und voller Wut war, ist jetzt kaum mehr als ein Flüstern. „Mach das nie wieder," fleht er, und ich höre das Zittern in seiner Stimme, als müsse er gegen Tränen ankämpfen. „Bitte... mach das nie wieder."

Mein Körper bleibt starr, doch die Anspannung lässt nach. Er hält mich noch ein paar Sekunden bevor er sich fast schon widerwillig von mir löst. Er nimmt mein Gesicht sanft in seine Hände und sieht mich eindringlich an.

„Du kennst dich in dieser Stadt nicht aus, du kennst die Sprache nicht, weißt du wie verantwortungslos und dumm das war?" Seine Stimme ist nun ruhiger aber die Schärfe hinter seinen Worten nicht zu überhören.

Ich nicke nur schwach.

Adrian mustert mich aufmerksam. Auf seiner Stirn bildet sich ein Runzeln.

„Hast du geweint?" fragt er, seine Stimme etwas weicher, aber immer noch angespannt. Ich nicke schwach, und sofort sehe ich, wie seine Nervosität zurückkehrt.

„Weshalb? Was ist passiert? Hat dir jemand wehgetan?" Seine Worte rasen förmlich, als würde er keine Zeit haben, eine Antwort abzuwarten. Bevor ich etwas sagen kann, nimmt er mein Kinn in sein Hand und dreht mein Gesicht hin und her, sucht nach Spuren, nach Verletzungen. Seine Augen scannen jeden Millimeter, jedes Detail ab.

„Adrian, warte—" versuche ich einzuhaken, doch er hört mich nicht. Seine Finger gleiten an meinen Armen entlang, als würde er nach blauen Flecken oder Schnitten suchen. „Hat dich jemand angefasst? Wo tut es weh?" Seine Hände sind schnell, unruhig, während er jeden Zentimeter meiner Haut absucht. Ich versuche erneut, etwas zu sagen, doch er ist so in seinem Kopf gefangen, dass meine Stimme kaum durchdringt.

„Adrian!" Ich sage es lauter, fast flehend, und er hält inne, seine Hände verharren auf mir. „Mir hat niemand wehgetan. Ich habe geweint weil....weil...keine Ahnung es war einfach alles zu viel."

Sein Blick wechselt von panisch zu verwirrt. Er lässt langsam meine Hände los, aber seine Augen bleiben auf mir.

„Was war dir zu viel?"

„Alles. In der Bar sitzen..so tun als wär nichts. Und..der Kuss." Den letzten Teil des Satzes flüstere ich.

„Hör auf über den Kuss zu sprechen.", fällt er mit sofort ins Wort.

Autsch

„Ich verstehe dich einfach nicht.", sage ich kopfschüttelnd.

Adrian atmet einmal angespannt ein.

„Was verstehst du nicht?! Der Kuss war ein Fehler und du sollst kein Wort mehr drüber verlieren."

„Ich weiß, dass du eine Fassade aufrechterhalten musst. In deiner Welt überlebt man sonst ja nicht lange...aber ich verstehe nicht, weshalb du mir etwas vorspielst. Weshalb du mich zuerst küsst und dann wieder so tust als wäre dir alles egal. Ich gehöre nicht zu diesem ganzen Netzwerk, weshalb musst du mir etwas vorspielen?"

Seine Atmung ist sichtbar erhöht und es scheint das meine Direktheit ihn etwas wütend macht.

„Du solltest mal in Erwägung ziehen, dass das keine Fassade ist sondern Realität. Ich weiß, dass in deiner Welt jeder Mensch tief im inneren gut ist, aber du solltest gar nicht Mal versuchen etwas Gutes in mir zu finden. Der Kuss war bedeutungslos und genau so bist es du für mich. Und wenn du dir etwas anderes darauf einbildest bist du naiv."

Für einen Moment bin ich überrumpelt von seinen Worten und es entsteht eine unangenehme Stille zwischen uns.

„D-das meinst du nicht so..", sage ich schwach, doch meine Hände beginnen aufgebracht zu zittern.

Was wenn er es wirklich meint.

„Doch das meine ich genau so.", sagt er doch seine Stimme klingt distanziert.

Ich brauche einen Moment um mich zu fassen. Doch ich habe noch so viele Gedanken im Kopf.

„Beantworte mir einfach eine Frage. Wieso hast du mich geküsst?", frage ich ihn schließlich.

„Weil ich nicht klar bei Verstand war verdammt!.", platzt es aus ihm raus.

Seine Aussage trifft mich obwohl ich es nicht möchte. Es sollte mir egal sein.

Ich habe als ich alleine auf der Bank saß viel nachgedacht. Habe in Erwägung gezogen wirklich einfach wegzulaufen, egal wohin es mich bringt. Vielleicht hätte ich es irgendwie zurück nachhause geschafft.

Aber die Realität hat eingeschlagen und mir war klar, dass es am sichersten ist ins Hotel zurückzukommen.

Und jetzt stehe ich hier und versuche Adrian zu überzeugen mir die Wahrheit zu sagen und aufhören mir etwas vorzuspielen.

Dabei befürchte ich spiele ich mir selbst etwas vor. Denn es gab noch einen anderen Grund weshalb ich wieder zum Hotel zurück wollte.

Und dieser Grund war er.

Und jetzt versuche ich ihn davon zu überzeugen, dass der Kuss nicht bedeutungslos war.

Weil er es für mich nicht war.

Aber vielleicht muss ich mir eingestehen, dass es für ihn bedeutungslos war.

„Okay..", sage ich schließlich schwach und wende meinen Blick auf den Boden. Adrian atmet angespannt ein und räuspert sich einmal.

„Geh jetzt bitte ins Hotel. Es ist kalt.", sagt er streng und deutet mir mit einem Nicken zum Hoteleingang.

AveryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt