79. Keine Spur

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Adrian P.O.V.

1 Tag später

Es ist bereits ein Tag vergangen und ich habe keine Sekunde geschlafen. Wie könnte ich auch? Nicht, solange Avery verschwunden ist.

Jede Minute, die vergeht, fühlt sich an wie eine Ewigkeit. Jede Stunde, die ich sie nicht finde, lastet schwerer auf mir. Die Villa ist noch immer im Ausnahmezustand.

Meine Augen brennen vor Erschöpfung, doch der Gedanke, mich auch nur einen Moment auszuruhen, kommt mir gar nicht in den Sinn. Solange ich nicht weiß, wo sie ist, werde ich kein Auge zubekommen. Überall sehe ich Gesichter, die vor Anspannung starr sind, doch das bringt mich keinen Schritt weiter. Es spielt keine Rolle, wie viele Leute hier herumlaufen – Avery ist weg. Und ich kann nichts tun.

Matteo kommt gerade durch die Eingangstür und ich sehe ihm sofort an, dass er keine guten Nachrichten hat. Sein Gesicht ist ernst und er schüttelt leicht den Kopf, bevor er überhaupt den Mund aufmacht. „Ich habe sie nicht gefunden," sagt er schlicht.

Kurz darauf kommen zwei Security-Männer auf mich zu, beide mit dem gleichen leeren Blick. Auch sie schütteln den Kopf und mir wird heiß und kalt zugleich. „Nichts," sagt der eine, „wir haben das ganze Gebiet abgesucht, aber keine Spur von ihr."

„Verdammt, das kann doch nicht sein!" brülle ich, meine Stimme überschlägt sich. „Ihr müsst einfach weitersuchen! Sie kann nicht einfach... verschwinden!"

Die Männer weichen leicht zurück.

„Jeder der in der Nacht als Avery verschwunden ist, Sicherheitsdienst hatte wird entlassen! Ihr braucht euch gar nicht mehr blicken lassen!" Meine laute Stimme schneidet durch die Stille der Villa.

Matteo tritt vor, legt mir eine Hand auf die Schulter.

„Adrian, beruhig dich," sagt er vorsichtig, doch ich höre die Anspannung in seiner Stimme. „Wir tun alles, was wir können. Aber du musst dir auch eine Pause gönnen."

Ich schüttle ihn ab, als könnte ich die Worte damit vertreiben. „Eine Pause? Ich werde keine verdammte Pause machen, solange ich nicht weiß, wo sie ist!" Mein Blick flackert zu Matteo. Wie kann er nur so ruhig bleiben? Das ist nicht irgendeine Kleinigkeit. Das ist Avery.

„Ich mache eine Pause.", fährt Matteo fort. „..weil ich dann besser denken kann. Wenn du zusammenbrichst, nützt das niemandem etwas, am wenigsten ihr."

Seine Worte prallen an mir ab. Rational weiß ich, dass er recht hat, aber mein Kopf will nichts davon hören. Alles in mir schreit, dass ich sie finden muss.

••

Avery P.O.V.

19:35 Uhr

Ich wandere. Seit über einem Tag. Immer weiter, ohne Ziel, ohne Plan. Der Wald umgibt mich wie ein Gefängnis aus Bäumen, das niemals endet. Jede Richtung sieht gleich aus, ein Meer aus Stämmen und Schatten, das mich verschluckt, je weiter ich gehe. Adrians Villa liegt so weit abgelegen, dass ich mich frage, wie lange ich noch laufen muss, bis ich endlich etwas anderes als Bäume sehe.

Aber egal wie weit ich gehe. Hier ist nichts. Nur die endlose Kälte, die durch meine Kleidung dringt und meine Gelenke schmerzen lässt.

Alles fühlt sich taub an. Meine Muskeln brennen, meine Füße sind schwer.

Seit über einem Tag habe ich kein Wasser. Kein Essen. Kein Schlaf. Aber das ist egal. Der Wille, weit weg von Matteo zu kommen, treibt mich voran. Ein dumpfer Instinkt, mehr nicht. Es ist nicht einmal Angst. Es ist einfach... Flucht. Als wäre das der einzige Grund, warum ich noch atme.

Dann höre ich es. Ein Rauschen. Das Geräusch reißt mich aus der Leere, nur für einen Moment. Wasser. Ein Bach? Mein Kopf dreht sich automatisch in die Richtung des Geräuschs, meine Füße bewegen sich absolut automatisch.

Der Hang ist steil und ich spüre, wie meine Knie zittern, als ich den Abstieg wage. Aber irgendwie schaffe ich es bis nach unten.

Unten am Bach angekommen, knie ich mich in den kalten Schlamm. Meine Hände zittern, als ich sie ins Wasser tauche, das eiskalt an meinen Fingern brennt. Das Wasser schmerzt in meinem trockenen Hals als ich es trinke, aber es ist das Erste, was ich seit einem Tag spüre.

Ich trinke weiter, bis mein Magen schmerzt, aber es ist besser als die Leere. Dann setze ich mich für einen Moment einfach hin, den Blick ins Nichts gerichtet. Um mich herum nur der Wald, das Wasser, das gleichmäßige Rauschen.

Aber in mir... nichts.

Ich bin nicht wirklich hier. Nicht mehr.

_______

Ein weiterer Tag später

Adrian P.O.V.

16:49 Uhr

Es ist wieder ein neuer Tag, doch alles verschwimmt in einem grauen Nebel. Die Stunden haben längst aufgehört, für mich eine Bedeutung zu haben. Mein Körper ist am Rande der Erschöpfung, meine Augen brennen, mein Kopf pocht unaufhörlich, aber ich finde keinen Moment der Ruhe. Denn Avery ist immer noch weg.

Kein Wort, keine Spur, nichts.

Ich habe die gesamte Nacht wach gelegen, jede Minute ein weiterer Tropfen auf den heißen Stein der Verzweiflung. Die Villa ist noch immer ein Chaos aus Stimmen und Schritten.

Sicherheitsleute durchkämmen weiterhin das Anwesen und die umliegenden Wälder. Keiner von ihnen hat eine Antwort. Niemand weiß, wo sie ist. Der Gedanke, dass sie da draußen irgendwo allein ist, quält mich, zerschneidet meine Gedanken wie ein scharfes Messer. Wie kann sie einfach... verschwunden sein? Und vor allem warum?

„Weiter suchen!" wiederhole ich immer wieder, meine Stimme ist brüchig, aber ich dränge sie trotzdem. Ich kann nicht zulassen, dass jemand aufgibt. Nicht jetzt.

Plötzlich klingelt mein Handy. Das grelle Geräusch reißt mich aus meinen Gedanken und treibt eine Welle von Wut durch mich. Ohne nachzudenken, hebe ich ab.

„Was willst du?" , fauche ich Hunter an.

Boss" sagt Hunter ruhig. Ich höre ihn tief einatmen, als wisse er, dass ich kurz vor dem Explodieren stehe. „Ich brauche nochmal den Vertrag mit Fernando. Hier steht, es wurde sich auf 25% geeinigt. Es sollten doch nur 18% sein."

Etwas in mir reißt plötzlich. Die Anspannung der letzten Tage, die Erschöpfung, die Wut – alles bricht heraus. „Verdammt, Hunter!" schreie ich ins Telefon, so laut, dass es in meinen Ohren dröhnt. „Ich habe gerade keine verdammte Zeit für diese Scheiße! Avery ist weg, und du kommst mir mit einem verfickten Vertrag?"

Ich bin froh, dass alle denken sie wäre einfach ein wichtiges Druckmittel für mich, sonst hätte ich absolut keine Erklärung mehr für meinen seelischen Zustand seit ihrem Verschwinden.

Am anderen Ende bleibt Hunter ruhig, aber ich höre, wie sich seine Stimme leicht anspannt.

Ich verstehe, Boss, wirklich. Aber das ist wichtig. Du weißt, wie heikel die Sache mit Fernando ist."

Ich knirsche mit den Zähnen, mein Kopf dröhnt vor Wut und Erschöpfung, während ich auf und ab gehe, meine Hand verkrampft sich um das Handy. „Okay, okay!" Ich schnaufe verärgert. „Ich hole den Originalvertrag. Aber es könnte dauern. Er ist....er ist nicht hier in der Villa."

Mit zitternden Händen lege ich auf und stürme wütend zu den Treppen. Ich laufe sie förmlich hoch bis in den Flur und dann zu meinem Wohnbereich. Ich tippe den Code ein, die Tür öffnet sich.

Meine Gedanken rasen immer noch, und jeder Schritt fühlt sich an, als würde er mich weiter in den Wahnsinn treiben.

Ich habe eigentlich keinen Kopf für diese verdammte Zeitverschwendung. Aber Hunter hat recht. Es ist wichtig.

Ich steuere fokussiert das Bild an der Wand an.

Das Bild meiner Familie.

Ich nehme es von der Wand, drehe es um und entferne die Rückwand. Der Schlüssel liegt immer dort, seit Jahren, sicher versteckt. Doch als ich die Rückwand entfernt habe, stockt mein Atem.

Er ist weg.

AveryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt