70. Entscheidung

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Avery P.O.V.

Ich weiß nicht, wie viel Zeit vergangen ist, als ich plötzlich hochschrecke. Mein Herz rast, und mein Atem geht flach. Es ist dunkel im Raum, die Schatten tanzen um mich herum. Etwas ist anders. Mein Blick wandert nervös umher, und ich stelle fest, dass Zeus verschwunden ist. Die Kälte des Zimmers kriecht unter meine Haut, und ein leises Knarren an der Tür lässt mich erstarren.

Matteo steht da.

Mein Magen zieht sich zusammen und sofort breitet sich Panik in mir aus. Ich kann das amüsierte Grinsen in seinem Gesicht sehen, als er meine Panik bemerkt. „Hast du es dir schon anders überlegt? Wirst du mir den Schlüssel besorgen?" fragt er und neigt leicht den Kopf zur Seite, als ob wir eine harmlose Unterhaltung führen würden. Seine Stimme ist ruhig, fast verspielt, aber das Grauen darin lässt mich zittern. Er schließt die Tür hinter sich ab.

Ich will etwas sagen, aber die Worte bleiben in meinem Hals stecken. Stattdessen schüttle ich langsam den Kopf.

Ich kann Adrian nicht hintergehen. Ich werde das nicht machen.

Meine Hände verkrampfen sich in der Decke. Die Tränen brennen in meinen Augen, aber ich zwinge mich, sie zurückzuhalten. Ich darf ihm nicht zeigen, wie sehr er mich verletzt. Er lacht, ein raues, kaltes Lachen, das den Raum zu füllen scheint.

„Ich dachte, einmal würde reichen," murmelt er, während er auf mich zukommt.

Instinktiv rutsche ich so weit wie möglich zurück, bis ich mit dem Rücken gegen das Kopfteil des Bettes stoße. Ich ziehe die Decke fest um mich, als wäre sie ein Schutzschild, aber ich weiß, dass sie mich nicht vor ihm bewahren kann. Er bleibt vor dem Bett stehen und öffnet langsam seinen Gürtel. Ich kann den metallischen Klang hören, als die Schnalle aufklappt. Mein Herz rast, der Raum scheint sich zu drehen. Er ist kurz davor, sich zu mir zu setzen, als plötzlich das schrille Klingeln eines Handys den Moment durchbricht.

Matteo erstarrt, ein Augenblick der Irritation huscht über sein Gesicht, bevor er in seine Hosentasche greift. Er wirft einen Blick auf sein Handy und ein Grinsen bildet sich auf seinen Lippen.

„Na sieh einer an....Adrian." murmelt er leise und hebt das Handy ans Ohr.

Mein Herz macht einen Sprung.

„Hallo Kumpel. Was gibts?", fragt Matteo freundlich und wirft mir ein hässliches Grinsen zu.

Ich höre Adrians Stimme undeutlich, als er spricht.

Ich könnte schreien.

Ich könnte ihn rufen.

Ich möchte gerade meinen Mund öffnen als Matteo sofort meinen Plan durchblickt. Er stürzt auf mich zu, ohne das Handy vom Ohr zu nehmen und drückt seine Hand mit aller Kraft auf meinen Mund.

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Adrian P.O.V.

10 Minuten vorher

Trujillo (Dorf in Kolumbien)

„Me puedes pasar el azúcar, por favor?", fragt meine Großmutter mich, als wir gemeinsam am Tisch sitzen. Ich reiche ihr das kleine Zuckergefäß, eines der wenigen Gegenstände in der Küche, die nicht abgenutzt wirken.

Das Haus meiner Großeltern ist einfach, gebaut aus rohem Holz und Lehm. Es liegt mitten im Nirgendwo, umgeben von nichts als Bergen, Feldern und dem unendlichen Grün der Natur. Es hat hier schon so ausgesehen, als mein Vater hier aufgewachsen ist.

Die Möbel sind alt, zerkratzt und wackelig, aber gepflegt. Auf dem Tisch liegt eine bestickte Tischdecke, die meine Großmutter selbst gemacht hat, das Muster längst ausgebleicht von den Jahren. Die Wände des kleinen Hauses sind kahl, nur ein paar alte Schwarz-Weiß-Fotos von meinem Vater hängen schief an Nägeln.

AveryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt