95. Feiglinge

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Avery P.O.V.

„Ich weiß. Niemand wird hier reinkommen, wenn du das nicht möchtest", sagt er leise, aber todernst. „Nicht einmal ich."

Ich schlucke einmal schwer, unsicher was ich auf diese Geste sagen soll.

Deshalb nicke ich einfach wortlos.

Adrian wirkt nervös. Er schluckt einmal, als ob er nicht wüsste, wie er mit der Situation umgehen soll.

„Ich sage Marta sie soll dir dein Essen vor die Tür stellen...aber falls du lieber nach unten kommen magst...dann..kannst du natürlich jederzeit kommen."

Sofort schüttel ich den Kopf. Hier alleine eingesperrt zu sein, ist mittlerweile eine angenehmere Vorstellung als anfangs. Aber ich werde bestimmt nicht freiwillig nach unten gehen und vielleicht Mattheo in die Arme laufen.

„Okay..dann Ruh dich erstmal aus...Wenn du etwas brauchst, bin ich hier." Seine Worte sind leise, fast unsicher.

Ich nicke, obwohl ich nicht weiß, ob ich das wirklich registriere. Er sieht mich an, und ich spüre, dass er mich am liebsten in seine Arme nehmen würde. Doch er hält inne, als ob er wüsste, dass ich Berührungen im Moment nicht ertragen kann.

„Danke..", sage ich schließlich schwach, woraufhin er einmal nickt.

Er sieht mich noch einen Moment an, bevor er seinen Blick von mir wegzwingt, sich umdreht und langsam weggeht.

Als er schließlich aus meinem Sichtfeld verschwunden ist, gehe ich ins Zimmer und lasse sofort dir Tür ins Schloss fallen. Ein leides mechanisches Geräusch bestätigt mir dass nun niemand mehr herein kann.

Als ich meinen Blick durch den Raum schweifen lassen, fällt mir auf, wie sehr sich alles verändert hat.

Auf dem sonst leeren Glastisch bei der Couch stehen frische Blumen. Rosen, Nelken und Lillien. Ich gehe langsam zum Tisch. Die Blumen in der Vase verströmen einen zarten Duft, den ich erst wahrnehme, als ich mein Gesicht ein Stück näher zu ihnen neige. Ich atme tief ein, spüre das Kitzeln in meiner Nase, aber es bleibt still in mir.

Mein Blick wandert nach rechts, zu dem Teller daneben, welcher voller Obst ist. Frische Erdbeeren, Apfelscheiben, einige Trauben. Alles etwas ungeschickt geschnitten, fast schief.

Ein Lächeln schleicht sich auf meine Lippen, bevor ich es verhindern kann. Das grobe Schneiden, dieses leicht ungeschickte Durcheinander... das hat definitiv Adrian geschnitten.

Mein Blick schweift weiter durch den Raum. Die graue Bettwäsche, die ich in Erinnerung habe, ist weg, ersetzt durch weiße, weich aussehende Laken und so viele Kissen, dass ich gar nicht weiß, wohin ich schauen soll. Eine flauschige zartrosa Decke liegt über dem Bett.

Ich gehe langsam im Raum umher, als mein Blick auf die Tür neben der Kommode fällt. Ich gehe langsam zur Tür und öffne sie. Die warme feuchte Luft des Badezimmers schlägt mir entgegen. Mein Blick schweift durch das edle Badezimmer, in schwarz und gold gehalten.

Die Badewanne ist mit dampfendem Wasser gefüllt. Der nach Rosen duftende Schaum steht bis zum Rand der Wanne. Überall flackern Kerzen. Das Licht ist gedimmt.

Ich schätze die Geste von Adrian. Aber in mir drin herrscht Leere, und die Wärme im Raum erreicht mich nicht wirklich.

Trotzdem sollte ich es versuchen.

Vielleicht hilft es, diese innere Leere loszuwerden. Zögernd ziehe ich mein Shirt aus, dann die Hose, die Unterwäsche. Ich hasse es, nackt zu sein. Es fühlt sich an, als würde ich jede Schutzschicht verlieren.

AveryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt