Der Zorn des Rotzbacke

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Der Weg zur großen Halle war zwar kurz gewesen, doch nahmen sich Hicks und Astrid Zeit. Viel zeit, in der sie Hand in Hand zusammen gingen, manchmal stoppten, um sich noch mal in einer abgelegenen Ecke zu küssen, um dann wieder langsam und gelassen weiter zu gehen. Sie hatten alle Zeit der Welt. Nichts würde diese Ruhe stören. Sie waren zusammen. Sie wollten für immer ein Paar bleiben. Ihre Liebe war so stark, so intensiv. So hatten sie sich beide noch nie gefühlt. Und wenn immer Hicks seine Astrid in die Arme nahm, dann überkam ihr solch sein wohliges, warmes Gefühl im Bauch, dass sie sich einfach nur ihm hingab uns die Zweisamkeit bis auf die letzte Sekunde auskostete. Es war so wunderschön, dass sie ihn gestehen konnte, was sie für ihn empfand, doch war dies nur möglich gewesen, nachdem Hicks heute so einen Auftritt vor den ganzen Leuten Berks hin gelegt hatte.
Vorher konnte sie es nicht sagen, es gestehen, dass sie ihn liebte. Ihre Mutter wäre aus gerastet. Wenn sie gewusst hätte, das Astrid schon seit über längerer Zeit in Hicks verliebt gewesen war, dann hätte sie um so schneller ihre Tochter mit Rotzbacke verkuppeln wollen, denn ihre Mutter schätze solch schwache Typen, wie Hicks nicht. Astrids Mann musste Anmut und stärke besitzen. Eben halt wie Rotzbacke. Und so verstellte sich Astrid Tag aus Tag ein. Immer wieder musste sie sich zwingen über Hicks schlechte Sachen zu reden, doch sie wusste, dass es falsch war. Sie liebte in doch so sehr und somit wollte sie ihm doch nicht weh tun. Es war einer Folter über die Jahre hinweg gewesen, diese Schmach auf sich nehmen zu müssen und niemanden sagen zu können, was sie wirklich für den Sohn des Häuptlings empfand.
Aber nun konnte sie frei heraus sagen, dass sie Hicks liebte. Ihren Hicks. Die Jahre der Verstellung und der schlechten Gewissen, die sie bis in ihre Träume hinein verfolgten, gehörten nun der Vergangenheit an. Sie liebte ihn von ganzem Herzen und am liebsten würde sie es der ganzen Welt laut ins Gesicht schreien. Ihre Mutter hätte nun sicher nichts mehr gegen eine Beziehung mit ihm gehabt, denn in der Arena konnte sie sich selbst von ihm überzeugen, dass er durchaus ein würdiger Schwiegersohn wäre. Hicks bewies all die Kriterien, die ihre Mutter stellte. Und noch viel mehr, denn er besaß außer diesen Anmut einer Elite Drachentöters auch noch Kraft, war hoch intelligent und schien damit mehr als nur auch für Astrid perfekt zu sein. Aber für sie zählten diese Punkte eh nicht. Na gut. Als Hicks halbnackt vor ihr stand da konnte sie schon nicht ihre Augen von seinem Körper lassen. Sie war damals rot angelaufen und auch jetzt, in diesem Moment, wo sie daran dachte schoss ihr eine leichte Röte ins Gesicht. Doch trotzdem zählen alle diese Anforderungen nicht. Hicks war ihr Traum gewesen. Nur ihm würde sie ihr Herz schenken wollen und niemanden weiter. Rotzbacke konnte ihr gestohlen bleiben und was die anderen nun sagen würden war ihr eh egal. Das einzige, was zählte, war, dass sie nun mit zusammen sein konnte und keiner würde etwas dagegen haben. Er war ein Schwarzer Tod. Der gefährlichste und beste unter den Wikingern und Drachentötern. Er war die Elite gewesen und sicher würden schon viele Mädchen aus dem Dorf bei Hicks Haus Schlange stehen, nur um mit ihm zusammen sein zu wollen. Doch sie würden enttäuscht werden. Astrids Schwarzer Tod war vergeben. An sie.
Hicks konnte derweil sein Glück kaum fassen. Er war endlich mit seiner Traumfrau zusammen. Astrid Hofferson. Ach wie schön doch ihr Name war, wenn sich der junge Meister ihn sich durch den Kopf gingen ließ. Er klang einfach so wunderschön. Sie war wunderschön. Um ehrlich zu sein kam für Hicks nie ein anderes Mädchen in Frage nur sie war das unerreichte Ziel gewesen. Doch die Betonung lag hierbei auf WAR. Nun waren sie zusammen. Ein Paar. Und vielleicht auch noch das glücklichste auf Erden. Er wollte sie. Nur sie. Sie war seine große Liebe gewesen, doch bisher konnte er es ihr niemals sagen. Immer verkrampfte er, wenn er sie sah und brachte manchmal kein einziges Wort heraus. Er konnte die seine Gefühle ihr gegenüber gestehen, doch nun platze auf einmal der Knoten, der über die Jahre hinweg immer weiter wuchs und gar nicht mehr aufhören wollte. Dieser Knoten umschlang sein Herz immer fester, doch nun hatte dieser eine Satz, dass sie ihn liebte, diese fesseln gesprengt. Hicks fühlte sich so befreit. Befreit, all seine Gefühle ihr zu beichten. Seine Geheimnisse mit ihr zu teilen. In ein gemeinsames Haus ziehen und irgendwann eine Familie gründen und glücklich als das Oberhaupt mit ihr bis ans Lebensende zusammen leben.
Es war einfach so wunderschön. Die ganzen Jahre des Versteckens seiner Gefühle war nun vorbei gewesen. Als schwarzer Tod würde er vom Dorf akzeptiert werden und niemand würde die Beziehung zwischen den beiden nicht gut heißen.
Sie hielten wieder an einer versteckten Ecke an. Sie hatten sich dann doch nicht entschlossen, gleich wieder zurück ins Dorf zugehen. Lieber schritten sie jetzt den langen Weg herum, der sie um den Berg führte, der hinter dem Dorf thronte. Einfach nur in Zweisamkeit gehen und die zeit verstreichen lassen. Nichts lieber als das.
Hicks schaute zu seiner neuen Freundin. Schnell verlor er sich in diese tief blauen Augen. Sie war einfach so wunderschön. Schön wie eine Göttin. Einen anderen Vergleich mit ihr zu ziehen, wäre nur eine Beleidigung. Und diese blonden haare, die zu einem Zopf geflochten waren. Sie sah einfach nur so schön aus. Doch auch ihr Charakter war es, den der junge Meister an ihr mochte. Dieses Temperament. Diese Ehrlichkeit. Astrid war genau die richtige für ihn. Eine starke selbstbewusste Frau. Klug und Charmant. Etwas anderes kam für ihn niemals in Frage.
Kurz schaute er sich um. Und da. Genau neben ihnen, befand sich wieder eine Felsspalte, die etwas tiefer hinein führte. So ungefähr drei Meter tief. Schnell reagierte Hicks und bevor sie daran vorbei gingen, packte er Astrid an den Hüften und zog sie mit ihm in die Spalte. Dieser Ort war trocken und tief genug, dass keiner sie sehen konnte.
„Was ist mit dir los, du grinst mich so an?" Astrid schaute verführerisch in Hicks Gesicht, der genau so zurück lächelte. „Darf man seine Freundin nicht etwa in einen heimlichen Ort zerren, um sie dann zu küssen?" Und mit diesen Worten presste er schon wieder seine Lippen auf ihre. Sie genoss es einfach und gab sich leidenschaftlich hin. Was sie erwartet hatte war, dass Hicks unglaublich gut küssen konnte. Er verführte ihren Mund gerade zurecht.
Aber sie konnte nur sich ihm hingeben, bis auch schon der so schöne Moment wieder vorbei war.
Hicks löste sich wieder von ihr und schaute sie einfach an. Er war so ein schöner Moment. Sie beide allein. Hier abseits des Dorfes und keiner störte sie. Es war die Ruhe selbst gewesen. Aber dann war es Astrid gewesen, die den nächsten romantischen Moment einleitete. Nun ergriff sie die Initiative und drückte Ihre Lippen auf seine. Sie wollte auch zeigen, dass sie etwas konnte, denn schließlich war sie ja eigentlich das selbstbewusste Mädchen gewesen, dem keiner das Wasser reichen konnte. So versuchte sie sich mit aller Kräfte, die sie zur Verfügung hatte, mit der Zunge bei Hicks ein zu dringen. Doch der schien mit ihr spielen zu wollen und machte seinen Mund nicht auf. Kurz entfernte sie sich wieder, doch löste sie sich nicht dabei aus der Umarmung. Leicht verärgert sagte sie: „Hicks Haddock. Dur wirst mir jetzt sofort Eingen in deinen Mund gewähren, oder ich muss andere Maßnahmen ergreifen." Doch der lächelte sie provokant an und erwiderte mit einer Frage: „Was für Maßnahmen sollen das denn bitte schön sein? Willst du mir wie so oft auf die Schulter boxen, dass ich gewähre? Nun ja Astrid da muss ich dich enttäuschen. Du musst dir da schon etwas besseres einfallen lassen. Schließlich willst du einen Schwarzen Tod küssen." - „Meinst du etwa so was wie das hier." - „Was denn Astrid. Was willst du..." Doch da hatte sie schon eine Hand, die seinen Rücken umschloss und ihn an sie zog schon nach unten verlagert und umgriff Hicks Hinterteil. Nach Luft schnappend, so überrascht er war, öffnete er den Mund und Astrid ergriff sofort ihre Chance. Sie schnappte förmlich nach ihm. Drang mit ihrer Zunge in seinen Mund ein und küsste ihn für einen sehr langen Moment. Hicks gab sich diesem fordernden Manöver voll hin. Er schien es zu genießen, dass auch sie mal das Ruder in die Hand nahm. Und während sie ihn so lange küsste, massierte sie ihm gleichzeitig den unteren Rücken. Aber Hicks ließ seine Hemmungen nicht lange aufhalten und ließ eine Hand auch i nach weiter unten Wanden, während die andere sie weiter an ihn drückte.
„Und wie war das?" - „Hicks es war wundervoll. Aber es ist schon spät geworden und sie werden schon sicher nach uns suchen." Hicks lächelte sie an. Nachdem sie in dieser kleinen Felsspalte sich geküsst hatten, waren sie noch ein Stück weiter gegangen und hatten ihr Zeitgefühl scheinbar komplett verloren. Erst als sie die Sonne bemerkten, die langsam dunklere Farben annahm, während sie langsam im Westen versank, machten sie sich schnell auf den Rückweg. Also kehrten sie um und begaben sich langsam wieder ins Dorf zurück. Die Feier wollten sie ja schließlich nicht verpassen.

Endlich unten angekommen war es schon dunkler geworden und die Dämmerung hatte sich über das Dorf gesenkt. Auch heute schien es so, dass sie keinen Drachenangriff fürchten müssten. Und wenn schon. Das Dorf war voll mit starken und mutigen Wikingern und als kleines Extra hatten sie Hicks als schwarzen Tod.
Doch der hatte eher mit Astrid zu tun und als die beiden das Tor der großen Halle durchschritten, war diese schon voll mit allen Bürgern Berks, die Seite an Seite ihre neuen Drachentöter, als auch Mehltau feierten, der aus dem sonst so schwach wirkenden Häuptlingssohn einen Elitekrieger gemacht hatte. Deswegen saß er ach ganz vorne mit an der Tafel bei Haudrauf.
Aber bevor sie noch einen weiteren Schritt machten, begrüßte sie eine andere Stimme von hinten. „Mensch da seit ihr ja. Ich habe euch schon gesucht." - „Grobian. Wir waren noch ein bisschen spazieren gewesen und genossen den schönen Tag.", antwortete Hicks auf diese Frage hin, doch dabei hielten er und Astrid Händchen worauf Grobian gleich einen skeptischen Blick aufsetzte. „Ihr seit also spazieren gewesen. Nennt man das heute so?", fragte er mit gehobener Stimme nach und schließlich wurden beide rot, was der Dorfschmied schon erwartet hatte. „Habe ich es mir doch gedacht. Astrid und du seit ein Paar." Doch Hicks dachte schon jetzt, was Grobian mit spazieren gehen meinen würde und so warf er Einspruch ein. „Aber wir haben uns nur geküsst und nichts weiter." - „habe schon verstanden." gab sein alter freund von sich und wandte sich wieder zur Feier. Kurz drehte er sich noch um und sagte zu den beiden: „Kommt ihr jetzt feiern oder wollt ihr noch durch das Dorf zu Hicks oder deinem Haus 'spazieren'?" - „Nein wir kommen schon.", gab Hicks von sich, der es jetzt schon mit einer Tomate auf nehmen konnte.
So schritten beide in die große halle und setzten sich ganz vorne mit an den Tisch zu Haudrauf. Hicks nahm dabei den Platz zu seiner rechten ein, der sonst immer nur dem Stellvertreter Kotzbacke zustand. Doch der hatte sein Amt nieder gelegt und speiste mit anderen Wikingern irgendwo in der Halle. Hicks holte sich etwas zu essen, Astrid setzte sich neben ihn, doch stand sie kurz wieder noch einmal auf, um raus an die frische Luft zu gehen. Hicks bat sie doch, dass sie bald zurück kommen würde.
Ein Klopfen eines Hammers beruhigte kurz die menge, die durcheinander redete. Alle schwiegen sie und hörten zu: „Liebe Bürger. Heute feiern wir die Einweihung unserer neuen Drachentöter und Hicks meinen Sohn. Durch Mehltau, dem ich jetzt viel zu verdanken habe, hatte er aus meinem schwachen Sohn einen Schwarzen Tod gemacht, ihn ausgebildet und trainiert. Dafür danke ich ihm." Klatschen wandte er seinen Blick zu dem alten Mann der nur freundlich lächelte. Die menge klatschte mit. „Und noch etwas ist zu verkünden. Grobian hat mich gerade informiert, dass er das Amt des Lehrers in der Arena nieder legen möchte und wieder hauptsächlich als Schmied arbeiten möchte. Als würdigen Nachfolger ernenne ich hiermit feierlich meinen Sohn zum neuen Lehrer. Er wird die nächste Generation an Drachentötern ausbilden." Sofort kam der Jubel im Saal hoch. Alle schrien Hicks Namen. Der stand von seinem Stuhl auf und lächelte freundlich in die menge. Er schien gerührt darüber zu sein. Und er freute sich auch jetzt als Lehrer tätig sein zu dürfen, denn dann könnte er Rotzbacke herumschubsen. Denn der hatte durch die Verpatzte Prüfung nochmal die ganze Ausbildung von fünf Jahren durch zu stehen. Was das wohl für ein Spaß sein würde. Kurz sagte er nur: „Mit Freuden nehme ich dieses Amt an." Wieder keimte der Jubel auf.
Nach einigen Minuten schließlich wurde es wieder ruhiger und die Wikinger aßen kräftig. Aber nur einer nicht. Hicks schaute sich um. Wo war bloß Astrid?

Draußen hatte sich Astrid auf die Treppe gesetzt und musste erst ein mal verdauen, was an diesem Tag passiert war. Hicks wurde ihre große Liebe. Er würde es sein, mit dem sie ihr Leben verbringen würde wollen. Ihre Gefühle spielten verrückt und so brauchte sie mal kurz eine kleine Verschnaufpause. Die Tür zur großen halle war geschlossen und somit war es ganz Still hier. Nur manchmal, wenn man sich anstrengte, konnte man die Wellen hören, wie sie an der schroffen Felsküste Berks brachen. Kurz hörte sie diesem wunderschönen Klang zu, doch dann wurde ihr ein wenig frisch. Sie wollte dann doch lieber wieder zurück gehen und mit Hicks zusammen feiern.
Aber bevor sie überhaupt aufstehen konnte, hörte sie, wie sich die Tür von der großen Halle öffnete und Schritte auf sie zu kamen. Sie war sich sicher gewesen, wer das wohl hätte sein können, doch wurde sie kurz darauf enttäuscht.
„Igitt Rotzbacke, was willst du denn hier?" Doch der schaute sie nur dumpf drein blickend an. Aber schnell wurde dieser Blick zu einem Ansatz seiner Wut. „Du bist so ein elendes Miststück. Du liebst diesen Hicks, der meine Ehre verletzt hat, als er MEINEN Drachen tötete. Der war für mich bestimmt. Du warst für mich bestimmt. Doch nun bist du diesem Bastard verfallen und das kann ich nicht zu lassen." - „NIMM DAS SOFORT ZURÜCK!!!" Doch Rotzbacke antwortete nicht. Stattdessen stellte er Astrid ein Bein, sodass sie nach vorne hinfiel. Sie wusste überhaupt nicht was das sollte. Doch saß in ihr besonders dieser Satz, dass Hicks seine Ehre gekränkt hatte. Mit dem Gesicht drehte sie sich zu ihm auf und sagte: „Bei dir gibt es doch keine Ehre, die man verletzten kann und außerdem. KEINER NENNT MICH EIN MISTSTÜCK!!!" Doch darauf hörte Rotzbacke nicht. Er schnappte sich Astrid, packte sie so, dass sie sich nicht wehren konnte, hielte ihr eine Hand vor den Mund und schleppte sie schließlich weg.
Sie hatte Angst. Sie konnte sich nicht wehren. Hoffentlich würde Hicks ihr helfen, denn Rotzbacke schien in seinem Zorn alles machen zu können. Hoffentlich würde er ihr helfen. Er musste.

Und in der tat wurde das gerade geschehene beobachtet, doch nicht vom schwarzen Tod...

Der Fluch des NachtschattensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt