Unruhe

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Nur langsam konnten sie es vollbringen, den Riesenhaften Albtraum in die neue große Halle zu schleppen. Durch seine Verletzungen, die sich immer wieder hätten öffnen können achteten sie auf jeden einzelnen Stein, der ihnen in den Weg kam. Der große war Drache wirklich in einem fürchterlichen Zustand. Man hatte ihn sicher gefoltert und die schlimmsten Dinge angetan. Ein Wunder, dass er es überhaupt geschafft hatte,noch hierher zu fliegen, oder waren etwa die, die ihm dies hier angetan hatten, doch nicht so weit entfernt?
Noch konnten sie ihm diese Fragen nicht stellen, denn seine Bewusstlosigkeit und seine Müdigkeit zeigten allen anwesenden, dass er erst einmal eine Weile brauchen würde, bis er wieder zu Kräften gekommen wäre.
Nicht allen gefiel der Gedanke, dass sie heute mit einem großen Drachen hätten speisen müssen, war doch schon das Abendessen für alle die Wikinger zubereitet worden. Doch Astrid schuf schnell wieder Ruhe. So lange der Drache ihnen nichts tun würde, hätten sie kein Recht ihm auch etwas anzutun. Sie akzeptierten es, zwar mit einigen gemischten Gefühlen, aber hatten sie auch Verständnis für diese Situation. Immerhin konnte der Drache ihnen sagen, von wem er angegriffen wurde und ob diese, die das getan haben, auch das Dorf und seine Einwohner gefährden könnten.
„Hicks komm. Iss deinen Fisch, sonst verdirbt er noch." Astrid wollte ihren Lieben zum Essen überreden, doch der starrte nur neben ihr sitzend den riesenhaften Albtraum an, der sich Hakenzahn nannte. Er gab nur ein abwesendes Brummen von sich, drehte sich nicht einmal um und hielt weiter den Blick fest auf ihn. „Also wenn du nichts essen willst, dann holt sich Nachtklaue deinen Fisch. Also komm!"
Aber Hicks verspürte keinen Hunger. Zu merkwürdig waren diese Ereignisse heute. Da musste etwas schreckliches vorgefallen sein, warum solch ein großer Drache die Flucht ergreifen musste. Schließlich kam der Name Riesenhafter Albtraum nicht von ungefähr. Der Drache füllte die halbe Halle aus, sodass viele der Wikinger enger zusammen rücken mussten. Seine Haut konnte er in Flammen setzen und so jeden Gegner bezwingen, der ihm zu nahe kam. Also was konnte eine solch großen Drachen dann so zurichten, oder wer?
„Hicks mir ist bei der Sache ganz flau im Magen, also wenn ich einen hätte. Was ich damit sagen will, ich fühle mich nicht wohl, dass so ein großer Drache, angegriffen hier liegt." hörte er Ohnezahn in seinen Gedanken sprechen. Und Unrecht hatte der Nachtschatten nicht. Es war wirklich schon merkwürdig, dass dieser Drache einfach aufs gerade Wohl hin bei ihnen gelandet war. Na gut Fischbein hatte gesehen, dass der Drache sehr tief flog. Sicherlich war er schon im Inbegriff zu landen. „Aber wir müssen ihm helfen. Sicher sind die noch hinter ihm her." - „Und genau das macht mir ja Sorgen Hicks. Wenn die hier bei uns aufkreuzen würden, gäbe es ein großes Gemetzel. Und wer immer die auch sind. Wenn sie einen riesenhaften Albtraum so zurichten können, was könnten sie dann erst mit einem Dorf anstellen, dass zwei Nachtschatten beherbergt?"
Ohnezahn war wirklich nicht gerade pessimistisch, doch hatte er das Gefühl, dass sie ihn vielleicht verfolgen könnten, diesen Drachen. Hoffentlich bewahrheitete sich das nicht. Hicks hingegen versuchte seinen besten Freund zu beruhigen. „Es wird nichts passieren. Sicherlich ist er eine weite Strecke geflogen und bei dem Schneesturm in Kombination mit diesem Seegang wäre eine Schiffsreise Selbstmord." - „Da magst du recht haben Hicks, aber trotzdem kommt mir die Sache nicht ganz geheuer vor.", gab Ohnezahn seinen Einwand, „Schließlich braucht es schon eine ganze Menge, um einem Albtraum, wie Hakenzahn er nun mal ist, außer Gefecht zu setzen." - „Mag sein Kumpel, doch jetzt müssen wir uns erst einmal auf seine Genesung konzentrieren, denn schließlich kann nur er uns diese Fragen beantworte, die wir und schon gegenseitig stellen."
Hicks hatte Recht. Sie müssten abwarten, bis es ihm besser gehen würde, erst dann wäre es möglich ihm die Fragen zu stellen. Nur wären sie schon einen Schritt weiter, wenn er es jetzt wüsste. Man konnte nichts machen also ließ man den Dingen seinen Lauf. Hakenzahn müsste erst gesund werden und das mit den Angreifern würde auch durch den Schneesturm verhindert werden, falls überhaupt Gefahr bestand.
„Wie lange?", fragte Hicks auf einmal. „Wie bitte?" - „Wie lange wird er noch so bleiben?" Ohnezahn dachte nach. „Er ist in einer Art Heilungsschlaf gefallen. Drachen können, sobald sie sehr schwer verletzt sind, sich selbst in eine Art Koma versetzen, außer die Verletzungen sind zu schwer, dann tut dies der Körper automatisch. Man kann es mit der Versorgung der Wunden beschleunigen, oder man geht ganz radikale Wege und nutzt Drachenmagie um die Wunden zu heilen." Jetzt war Hicks erstaunt. Drachenmagie konnte sogar Kranke heilen? Was kommt als nächstes? Gedankenkontrolle? Aber interessant war es schon und wie aus einer Erwägung heraus musste Hicks es einfach fragen.
„Kannst du das? Also ihn mit Drachenmagie heilen?" Doch der Nachtschatten winkte ab. „Nein Hicks. Ich mag zwar mächtig sein, doch dass kann ich dir nicht beibringen. Das übersteigt meine und auch sicherlich deine Kräfte. Tut mir leid, aber der schnellste Weg ist jetzt, seine Wunden zu versorgen und ihn gesund zu pflegen." Hicks war ein wenig enttäuscht darüber. Es sollte nicht möglich sein? Es war ja auch nach Ansicht vieler Wikinger unmöglich, dass es ein Hicks jemals zu einem der besten Drachentöter aller Zeiten hätte bringen können. Und er war der lebende Beweis. Na gut, er übte dieses Handwerk jetzt nicht mehr aus, doch das Prinzip war doch das gleiche. Also warum sollte er es dann auch nicht schaffen?
„Aber Ohnezahn. Vielleicht kann man es ja doch lernen?" Doch der Nachtschatten blieb störrisch: „Hicks, ich will mit dir nicht diskutieren, aber das ist für einen Nachtschatten unmöglich. Nur der Überwilde kann so etwas beherrschen. Nur Alphadrachen. Verstehst du?" - „Na dann lass uns dort hin gehen. Außerdem arbeiten wir eh auf den Weg dorthin, dass wir uns wieder trennen. Und du sagst auch, dass das eigentlich nur ein Alpha kann." Ohnezahn musste Einsicht nehmen. Hicks war hartnäckiger, als er es jemals vermutet hatte. Er konnte wohl nicht anders. Das lag wohl in der Natur dieses Wikingers.
Er dachte kurz nach und sagte: „Hicks. Wir können nicht zum Alpha. Erst einmal wird er uns schon deswegen töten, weil du ein Wikinger in Gestalt eines Drachen bist und wenn nicht, wird er uns auch nicht helfen. Der Kerl ist störrisch. Und ich weiß wovon ich rede Hicks, also lass es. Wir werden deine Magie bis zu ihren grenzen ausloten und dann sehen wir weiter. Verstanden?"
Hicks musste einlenken. Mit Ohnezahn war nicht so leicht zu verhandeln, wie er dachte. Aber man musste auch auf dem Boden bleiben. Noch hatten sie seine Magischen Fähigkeiten nicht bis an die Grenzen getestet. Das könnte noch bis in den nächsten Sommer hinein dauern und wenn sie dann bereit wären, würde Hicks auch die Chance nutzen, zum Alpha zu fliegen.
„Also gut Ohnezahn. Wir bleiben hier und kümmern uns um Hakenzahn. Aber versprich mir, dass du mir alles beibringst, was du über Drachenmagie weißt." - „Mach ich Hicks. Das habe ich dir schon versprochen. Aber nun sollten wir uns erst einmal darauf konzentrieren, mit welchen Mitteln wir ihn wieder heilen können. Vielleicht mit einer Schüssel von deinem Speichel." Hicks konnte schon manchmal verwundert sein, wenn Ohnezahn verrückte Ideen hatte, aber das ? „Ohnezahn. Hast du gerade gesagt, dass ich meinen Speichel verwenden soll, um ihn zu heilen?" - „Habe ich dir das nicht erzählt? Der Speichel des Nachtschattens hat heilende Kräfte. Wiest du noch beim Gebälk für Grobians neue Schmiede, als du dir das rechte Hinterbein verletzt hast?"
Der junge Wikinger dachte kurz nach. Er hatte schon bei vielen Bauarbeiten im neuen Dorf mitgeholfen, aber doch, da war etwas. Hicks hatte sich wirklich mal beim Bau von Grobians neuer Schmiede verletzt. „Stimmt Ohnezahn. Da war wirklich was. Ich weiß noch. Ich hab geblutet wie Sau, als der Splitter sich in mein Bein gebohrt hat." - „Gut Hicks, und was hast du als erstes gemacht, als du dich verletzt hattest? Ich meine reflexartig." Er grübelte kurz, als es ihm wieder einfiel. „Ich habe das halbe Dorf zusammen geschrien." - „Nicht das!" Hicks überlegte ein zweites mal als es ihm doch wieder einfiel.
„Stimmt. Ich habe mit meiner Zunge über die Stelle geleckt und mein Speichelfluss war auch stärker. Die Blutung stoppte schon nach wenigen Sekunden und in einer Woche war die tiefe Wunde ganz verheilt gewesen." - „Siehst du? Und wenn der Speichel dir hilft, dann auch dem Drachen."
Es war logisch, doch jetzt beim Essen sollten, sie das nicht unbedingt machen. Vielleicht danach. Aber auf jeden Fall gab es jetzt eine Chance auf eine schnelle Heilung für den Albtraum Hakenzahn...

Der Fluch des NachtschattensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt