Schöner Abend

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Der Abend hatte seine Schwingen über die Gesellschaft aus 41 Wikingern und zwei Drachen ausgebreitet und färbte den Himmel in rote Töne. Man konnte noch einige Möwen hören, die ihre letzten Schreie von sich gaben, bevor sie in ihre Nester zurück kehren würden, um dort zu nächtigen. Bei den Wikingern kam langsam heitere Stimmung wieder auf. Sie hatte am ersten Tag ihrer Ankunft ganze Arbeit geleistet und angefangen, ein neues Dorf, rund um die Höhle von Hicks und Astrid aufzubauen. Alle schufteten sie und fingen an neue Häuser hoch zu ziehen. Ebenso ein Wall aus Palisaden, der Schutz gewährleisten sollte, falls Feind anrückten. Auch die Große Höhle wurde langsam zu einer Art neuen großen Halle umgebaut. Eine Feuerstelle wurde eingerichtet, Tische und Stühle schnell zusammen gezimmert und der Eingang mit provisorischen Toren verriegelt. Es gab zwar noch immer eine Menge zu tun, denn schließlich waren viele Behausungen noch nicht fertiggestellt, doch schätzen , sie, dass sie es alle in wenigen Tagen zu einem neuen Dorf bringen würden, in dem alle glücklich miteinander lebten. Jedenfalls hofften sie es, denn die Angst, dass Dagur immer noch die Flüchtlinge suchen und töten würde wollen, ging immer noch um sich und verbreitete bei vielen ein Gefühl des Unwohlseins.
Aber man rüstete sich damit, dass Hicks jetzt hier war. Und wie viele von ihnen schon sehen konnten, wie schnell sich ihr Oberhaupt an den neuen Körper gewöhnt hatte, waren sie sich sicher, dass die Berserker, falls sie kommen würden, hier dran scheiterten. Niemand legte sich so schnell mit einem Nachtschatten an. Sie würden es nicht wagen, sich auch nur einen Meter ihres neuen Berks zu nähern, denn dann, so glaubten sie, würde Hicks Dagurs Flotte und ihre Einzelteile schießen. Und sicher wäre der kleine Nachtschatten, der jetzt als neues Mitglied im Dorfe angesehen wurde, auch bald fähig zu fliegen und Feuer zu speien, wie Hicks.
Alle hatten sich nun in der neuen großen Halle versammelt und aßen ihre erste gemeinsame Mahlzeit auf ihrer neuen Heimatinsel. Es gab gebratenen Fisch und auch ein Wildschwein, welches man vor einigen Stunden erlegt hatte, gab es. Viele schlugen sich nach den Strapazen der letzten Tage und dem harten Neuaufbau des Dorfes kräftig den Magen voll. Am Met wurde dabei ebenso nicht gespart. Ein ganzes Fass lief die Kehlen der durstigen Wikinger hinunter. Es war zwar weniger als auf Berk, doch brauchte es für 41 Berkianer nicht viel mehr. Auch für Astrid, die sich an die Stirnseite mit Hicks gesetzt hatte. Daneben Gustav mit dem kleinen Nachtklaue, der einen rohen Fisch nach dem anderen verschlang. Zwar war er noch in vielerlei Hinsicht auf die vorverdaute Nahrung von Hicks angewiesen, doch konnte man dem Beifang von Pütz und Molch, die mit einem provisorischem Boot gefischt hatten, einige kleine Sprotten entnehmen, die dem kleinen sehr gut bekamen. Sie waren recht klein und so konnte Nachtklaue sie im ganzen herunter schlingen. Einen kleinen Korb nach dem anderen leerte der junge Nachtschatten, bis er nicht mehr konnte. Gustav konnte nicht anders, als dem kleinen lächelnd zu zu sehen. „Du scheinst wohl satt zu sein. Aber Respekt. Vier kleine Körbe, das hätte ich nicht mal geschafft.", kam es vom jungen Wikinger, während er von Nachtklaue einfach nur schief angeschaut wurde.
Dem kleinen Drachen kamen diese Menschen immer freundlicher vor. Sie waren freundlich zu ihm und akzeptierten ihn als ein Mitglied ihrer Herde, oder wie es diese Zweibeiner auch nannten. Und besonders dieser Gustav. Doch war es dem kleinen schon merkwürdig. Erst war der Junge Wikinger traurig und jetzt lachte er wieder. Lag das etwa an ihm? In der Tat, verstand sich Nachtklaue mit dem Wikinger sehr gut. Und so schnell wollte er auch nicht von seiner Seite weichen. Ganz genau so wie bei Hicks und Astrid. Doch hatte sein Ziehvater ihm erzähl, dass der schwarzhaarige bei ihnen wohnen würde. Das freute ihn auch wirklich sehr, denn Hicks und Astrid sah Nachtklaue als eine Art Elternersatz. Aber Gustav? Er konnte einfach keinen begriff dafür finden. Er glaubte aber zu wissen, dass die Menschen ein spezielles Wort benutzten. Freund oder wie es hieß. Auf jeden Fall war Gustav dies genau für den kleinen Nachtschatten.
„Und Nachtklaue? Solltest du nicht mal langsam schlafen gehen?" Hicks wandte sich zu dem kleinen, der gerade im Begriff war, Gustav freudig ab zu schlecken. Schnell merkte er jedoch seinen Ziehvater und machte einen unschuldigen Blick. Aber als er sich seine Worte noch einmal durch den Kopf gehen ließ, merkte er das Wort Schlafen. Er? Aber wollte er doch noch nicht schlafen gehen. Er war noch nicht müde. Nachtklaue ließ seinen Kopf hängen und versuchte seine Augen so groß wie nur irgend möglich zu machen. Ein kleines Winseln verließ seinen Mund und sollte Hicks signalisieren, dass er noch nicht wollte. Aber wenn ein Nachtschatten die Welpennummer bei einem anderen abzog, konnte es passieren, dass sein Gegenüber emun dagegen war, und zum Leidwesen von Nachtklaue auch Hicks.
„Jetzt komm aber. Die Sonne ist schon vor mehr als einer Stunde untergegangen und kleine Nachtschatten brauchen viel Schlaf. Auch die anderen Wikinger verlassen die Halle zu ihren Schlafstätten." Hicks wies auf andere, die sich von ihren Plätzen begaben und zu ihren halbfertigen Häusern zu gehen, um ein wenig Schlaf zu erhaschen. Morgen würde es für sie weiter gehen.
Doch der kleine winselte immer noch. Er wollte halt noch nicht. Hicks wunderte es nicht groß. Kleine Kinder waren wohl genau so her vom Charakter. Egal ob Mensch oder Nachtschatten. Doch war es für alle ein sehr harter Tag und alle wollten sich so langsam zu Bett begeben. Nur der kleine wollte nicht. Aber zum Glück überfiel auch schließlich Gustav die Müdigkeit. „So..ich werde mich....", er musste einmal tief gähnen, „....ins Bett legen.", sagte er schon ein wenig von Müdigkeit geplagte junge Wikinger und erhob sich vom Stuhl. Wie aus Reflex machte sich auch Nachtklaue bereit und folgte dem Jungen in Hicks und Astrids Höhle, bevor sie den beiden folgten.

Die Nacht war aufgezogen und alles in dem kleinen neuen Dorf legt sich schlafen. In Hicks Höhle hatte sich Astrid bettfertig gemacht und auch der ehemalige Wikinger hatte sich schon auf seiner Steinplatte eingerollt. Nachtklaue wartete nicht lange, da hatte er sich auch den an den weichen warmen Bauch von Hicks gekuschelt und war schon im Begriff zu schlafen, als er Gustav sah, wie er in sein Bett steigen wollte. Darauf fing der kleine an zu Winseln und wollte Hicks Aufmerksamkeit, die er auch bekam. „Was ist denn kleiner?", fragte er ihn verwundert. Darauf wies Nachtklaue mit dem Kopf in Gustavs Richtung und dann wieder auf die Steinplatte. Hicks verstand sofort, was der kleine von ihm wollte. „Verstehe schon, du willst, dass Gustav auch hierher kommt. Ich kann ihn ja mal fragen."
Darauf gab Hicks ein Brummen von sich, gerichtet auf den jungen schwarzhaarigen Wikinger. Der drehte sich um, und fragte: „Was ist denn?" Verschlafen klang seine Stimme, denn er hatte für den Tag genug erlebt und wollte sich nur noch in seine provisorische Liege fallen lassen. Nichtsdestotrotz aber verstand er die Botschaft. „Du willst. Dass ich zu dir komme?", fragte er noch einmal. Hicks erwiderte mit einem Nicken und hob seinen Flügel, wo auch schon Nachtklaue lag und ihn mit großen Augen anschaute.
Da konnte Gustav nicht anders. So herzerweichend war der Blick, dass er sich diesem nicht widersetzen konnte. So gab er sich einen Ruck, nahm seine Decke und sein Kissen und begab sich mit den Worten zu der Steinplatte: „Na dann komme ich halt. Mal sehen, wie es sich bei einem Drachen anfühlt zu schlafen."
Freudig machte Nachtklaue Platz und half sogar mit, die Decke auszubreiten, unter der sich Gustav schnell verkroch. Behütend senkte Hicks wieder seinen mächtigen Flügel und bedeckte die beiden vorsichtig. Ein wohltuendes Schnurren verließ seine Kehle und irgendwie schien es ihm gerade in diesem Moment, dass er niemals glücklicher zuvor gewesen war, als bis jetzt. Dort drüben lag seine Astrid schon friedlich schlafend und an seinen Bauch kuschelten sich Gustav und Nachtklaue ganz fest heran. Es bereitete Hicks Freude und ein gewisses Gefühl von Zufriedenheit. Trotz all dem, was in den letzten Tagen passiert war, fühlte er sich in diesem Moment einfach nur glücklich, dass sich alles noch zum Guten gekehrt hatte.
Er wollte gerade die Augen schließen, als sich noch einmal Ohnezahn meldete. „Er hat es wirklich schnell akzeptiert, den Namen.", kam es von ihm beruhigt und gelassen. Es schien so, als ob er auch einen guten Tag hinter sich gebracht hatte. „Oh ja Kumpel. Wirklich schnell. Ich hätte es auch nicht vermutet, dass ihm der Name so gut gefällt."
Hicks und Ohnezahn hatten einige Stunden nach der Ankunft der Wikinger dem kleinen Nachtschatten den Vorschlag unterbreitet, ihm diesen Namen zu geben, Und siehe da, er schien ihm zu gefallen. Auf jeden Fall reagierte er auch auf den Namensruf und war immer gleich zur Stellen, wenn Hicks ihn mal aus den Augen verloren hatte, denn als Ziehvater trug er eine Verantwortung für den kleinen. Aber meist schnüffelte Nachtklaue einfach bei den anderen Wikingern herum, um heraus zu finden, was sie so den ganzen Tag taten.
„Ohnezahn. Wenn wir hier alles aufgebaut haben. Dann verspreche ich dir, dass wie einen Weg finden werden, wieder unsere alte Gestalt wieder zu finden, auch wenn wir zu diesem Überwilden fliegen müssen. Du kannst ihm ja erzählen, dass wir Freunde geworden sind. Es könnte ihn vielleicht milde stimmen." - „Ja Hicks es könnte. Doch ist der Charakter dieses Drachen manchmal schwer einzuschätzen.", gab Ohnezahn bedenklich von sich. „Wie meinst du das Kumpel?" Hicks war verwundert. Wenn sie ihm die Situation schildern könnten, wäre doch alles in Ordnung. Der Alpha würde sie wieder voneinander trennen und jeder bekäme seinen eigenen Körper wieder zurück.
„Es ist kompliziert Hicks. Der Alpha kann sehr launisch sein. Manchmal hat er einen guten Tag und manchmal kann ihn schon die kleinste Sache aufregen und dann Gnade dir von den Göttern. Wir würden beide in seinem Zorn sterben.", sprach Ohnezahn warnend und voller Besorgnis. Er hatte Angst und Hicks und sich, falls sie zum Überwilden gehen würden und er sie vereisen würde. Es wäre das Ende der beiden. Astrid würde verzweifeln und die Wikinger, die das Massaker von Berk überlebt hatten, hätten darauf keinen Anführer mehr. Es wäre eine Katastrophe. „Gibt es denn da noch andere Wege? Ich meine ja nur. Zwar ist die Situation schön und gut, doch würde es mich auch freuen, wenn Nachtklaue seinen leiblichen Vater in Person kennen würde. Und dann noch Astrid. Ich würde sie gerne wieder in den Armen halten können. In meinen richtigen Armen." Hicks Stimme klang besorgt und voller Verzweiflung. Ohnezahn verstand das. Hicks war nun mal ein Mensch, egal welche Vorzüge dieser Körper mit sich brachte, und er würde es auch immer innerlich sein. Aber jetzt war der Zeitpunkt noch nicht gekommen. Jedenfalls nicht zum Überwilden zu gehen.
Doch da viel Ohnezahn etwas ein, was Hicks vielleicht aufmuntern könnte. „Es gibt da noch eine Möglichkeit Hicks. Wir müssten dabei die Drachenmagie, die in uns wohnt aktivieren." - „Ich verstehe nicht ganz." - „Hör zu Hicks. Die Magie eines Drachens, egal wie stark sie auch sein mag ruht in der Seele eines jeden Drachen. Und da sich bei uns zwei Seelen einen Körper teilen...." - „...ist bei uns die Drachenmagie doppelt so groß.", schlussfolgerte Hicks daraus. Und dies brachte ihm Hoffnung. Hoffnung, wieder seinen alten Körper zu bekommen und Ohnezahn seinen. „Aber wie soll ich meine Magie aktivieren?", fragte er darauf. „Das werde ich dir zeigen, wenn wir mit dem Stress des Aufbaus fertig sind. Und vorher muss ich dich trainieren Hicks. Drachenmagie kann man nicht einfach so nutzen. Man muss sie erst beherrschen können." - „Gut Ohnezahn...aber jetzt lass uns schlafen. Morgen wird wieder ein harter Tag werden."
So beendeten sie das Gespräch und schliefen beide ein. Es war eine optimistische Stimmung geblieben, die allen im Raum ein Gefühl der Zuversicht gab. Jedem auf seine Art und Weise. Aber sollte das nicht lange andauern, denn schon bald erfasste Hicks ein Albtraum, der ihn bald des friedlichen Schlafes entreißen und ihm neues offenbaren sollte sollte...

Der Fluch des NachtschattensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt