Der Drache im Bewusstsein

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Astrid konnte gerade gar nicht fassen, was sie da tat. Sie hatte es wirklich getan. Sie, hatte ihren Hicks, als Nachtschatten geküsst. Nicht das sie es schon vorher getan haben, doch dies war das erste richtige Mal, dass sie hin als Drache geküsste hatte. Noch immer konnte sie es nicht so richtig glauben. Immer noch hielt dieser unbeschreiblich schöne Moment an, indem sie ihre Lippen auf seine presste, nur um zu zeigen, dass sie ihn immer noch liebte. Astrid konnte einfach nicht anders. Sie musste handeln. Es war einfach so und nichts hätte sie davon abbringen können.
Lange hielt noch dieser Moment an. Dieser Moment, der ihnen alles offenbarte und ihnen zeigte, dass trotz ihrer Unterschiede, die sich aus Hicks Situation ergaben, zusammen gehörten. Nie hätten sie daran gedacht, dass dies das Ende ihrer Beziehung ergeben könnte. Nie im Leben hätten sie es auch nur in Erwägung gezogen, so zu denken. Denn immerhin liebten sie sich. Sie liebten sich, dass es man nicht recht mit Worten hätte beschreiben können. Und auch Astrid, als auch Hicks fanden keine Worte dafür, was sie in diesem Augenblick empfanden. Für Hicks war es einfach nur atemberaubend, dass sie so etwas für ihn tat. Im ersten Moment hatte er es gar nicht realisiert, was sie tat, doch schon in der nächsten Sekunde kribbelte es in seinem Bauch so heftig, dass er dachte Ameisen würden sich darin befinden.
Doch nichts der gleichen war. Seine Leidenschaft und Liebe brannte mit ihm durch. Nie hätte er es erwartet, dass Astrid es gewagt hätte, ihn als Nachtschatten zu küssen. Vor allem nicht, da sie nicht hätte wissen können, wie man das überhaupt macht. Aber sie war eine Hofferson. Die waren bekannt für ihre Hartnäckigkeit und dafür, dass sie immer eine Lösung fanden. Hicks war halt nicht das einzige schlaue Köpfchen auf Ber.
„Na du scheinst es wohl zu genießen. Ehrlich gesagt ich habe nicht erwartet, dass sie so weit geht. Dass sie dich nicht so schnell im Stich lässt, war mir schon klar, aber dass sie dich küsst. Muss schon sagen Hicks, sie scheint sehr viel an dir zu finden, wenn sie sogar es schafft, ihren Ur-trieb Drachen zu töten, zu überwinden." Auf einmal mischte sich wieder diese Stimme ein. Diese Stimme die Hicks nur allzu gut bekannt vorkam. Dieser Drache. Der Nachtschatten. Musste er jetzt wirklich sprechen? Musste er wirklich jetzt diesen wundervollem Moment zu nichte machen? „Hau ab aus meinen Gedanken. Verschwinde ein für alle Male. Ich brauche dich nicht.", schrie Hicks in seine Gedanken, während er von außen her immer noch die Fassade aufbaute, dass er den Kuss genoss. Das tat er auch mit Leib und Seele, doch wollte ihn wohl dieser doofe Nachtschatten einen Strich durch die Rechnung machen, indem er diesen Moment mit seinem Gedanken unterbrach und störte. „Ach so ich soll abhauen? Nun Hicks das geht nicht. Wie gesagt. Ich habe mich in deinen Gedanken eingenistet, um dich immer daran zu erinnern, was du getan hast und was du geworden bist. So schnell wirst du mich nicht los. Er dann wenn dein Körper zu neige geht, sei es durch ein Schwert oder den langsamen Verfall des Alters. Erst dann kann ich frei werden und mich ins Jenseits begeben. Jedoch mit dir zusammen Hicks."
Hicks konnte gerade nicht glauben, was der Nachtschatten da gerade zu ihm gesagt hatte. Meinte er es wirklich ernst? Haftete die Seele dieses Ungeheuers an seinem verstand, wie ein Parasit an seinem Wirt? Der schwarze Tod wusste, dass solch eine Trennung nur schwer wieder zu lösen war, wenn überhaupt. Als würde ihn wohl sein gesamtes Leben weiter dieser Drache begleiten und das auf Schritt und Tritt. Wer würde hin bewachen und alles miterleben, was auch Hicks gerade erlebte. Ein komisches Gefühl brach in ihm aus. Es war Wut. Zügellose Wut und Unwohlsein. Es durchfraß ihn dermaßen, dass er aufhörte, Astrid Lippenbewegungen zu folgen. „Das werden wir noch sehen Nachtschatten. Eines Tages werde ich es schaffen wieder ein Mensch zu sein, oder dich wenigstens zu entfernen. Du wirst es sehen." Aber er erhielt keine weitere Antwort. Der Geist dieses Wesens schien sich wieder in die tiefsten Winkel von Hicks Seele zurück gezogen zu haben, was dem Wikinger schon ein wenig Angst bereitete. Scheinbar konnte dieser Drache tiefer in die Seele des ehemaligen Wikingers blicken, als er selbst. Doch schien das aber nicht das jetzt vorherrschende Problem zu sein, denn Hicks hatte unbewusste den Kuss zu Astrid gelöst, die ihn jetzt ein wenig verwundert anstarrte.
„Was ist denn los Hicks. Hat es dir etwa nicht gefallen?", sprach sie ruhig, aber doch mit Bedacht. Sie hatte ja wirklich spontan gehandelt und konnte nicht wissen, wie Hicks darauf reagieren würde. Gleichzeitig durchfuhr ihren Körper Unsicherheit. Warum hatte Hicks so schnell abgebrochen. Es waren doch nur einige Minuten, die sie sich geküsst hatten. Kürzer als manchmal sonst und auch vielleicht nicht so intensiv, doch war Astrid schon ein wenig verwundert darüber, dass Hicks auf einmal abgebrochen hatte.
„Ist irgend etwas? Hat es dir etwa nicht gefallen?", hakte sie schließlich nach und schien wirklich fragend und verzweifelt zu wirken. Hatte sie tatsächlich etwas falsches gemacht? Sie wusste es nicht. Doch dann schrieb Hicks etwas in den Boden, der ihr die Klammer um ihr Herz ein wenig löste. „Es hat mir sehr gefallen Astrid. Ich werde dich auch immer lieben, doch musste ich gerade an etwas denken.", las sie vor, als er mit der Kralle den letzten Buchstaben in den weichen Sand ritzte. „Was denn. An was hast du gedacht?", hatte sie nochmals nach, denn sie wollte es genau wissen.
Hicks wusste jetzt nicht, was er in den Boden ritzen sollte. Er wollte einfach nicht, dass Astrid erfährt, dass da sich ein Nachtschattengeist in seiner Seele breit gemacht hatte und alles mit verfolgte, was er erlebte und fühlte. Nein, das konnte er ihr nicht sagen. Also musste schnell ein Notlüge her, die was auch brachte, denn so leicht konnte man Astrid nicht täuschen.
„Habe nur gerade daran gedacht, wie das wohl sein wird, wenn wir zurück kehren. Sicherlich hatte Vater schon alles geregelt, doch was ist mit Johanns Spontanbesuchen. Was wenn der mal nicht das Maul halten kann, bei dem, was er so viel redet.", schreib Hicks den etwas längeren Text in den Boden, was auch einiges an Zeit beanspruchte. Gleich danach als Astrid es gelesen hatte wurde sie auch stutzig. Damit könnte Hicks recht haben und sie kannten Johann nur zu gut. Dieses Plappermaul konnte wirklich einen mit Reden töten. Es heißt auch, dass er alle Drachen, die ihn auf seinen Weg durch die Meere kreuzen und ihn angreifen wollen, von ihm zu Tode gequatscht werden. Deswegen machten scheinbar die Viecher immer einen großen Boden um ihn, um ihn zu meiden, denn er wurde lange Zeit nicht auf See angegriffen.
„Damit könntest du recht haben Hicks. Der Kerl ist zwar nett, doch könnte er für dich als auch das ganze Dorf eine Gefahr darstellen." Astrid wurde Hicks Gedanken bewusst, nicht im Wissen, dass es eigentlich aus einer Notlüge heraus entstand. Doch auch Hicks schien das auf einmal durch den Kopf zu schwirren, denn immerhin redete Johann viel, wenn der Tag lang war. Astrid hingegen ergänzte noch etwas: „Und wenn er mal wieder bei den Berserkern ist oder anderen Stämmen, mit denen wir so schon eher in angespannten Verhältnissen leben, dann kann das für dich, als auch für das ganze Dorf zum Verhängnis werden.", gab sie besorgt von sich. Und in der Tat hatte sie damit recht. Schließlich waren die Strafen für Betrug nicht gerade mild. Das halbe Dorf würde abgeschlachtet werden, nur weil sie Hicks als nun Drachen nicht getötet hatten. Es galt als ungeschriebenes Urgesetz, dass Drachen und Wikinger verfeindet sein mussten. Und wer es brach, den erwarteten schlimme Strafen, die über den Tod noch weit hinaus gingen.
Doch daran wollten sie nun nicht mehr denken, denn Haudrauf würde schon alles im griff haben. Sicherlich hatte er auch Johann erst einmal aufgehalten. Und außerdem war er erst hier gewesen, warum sollte er denn noch mal kommen. Die Wikinger von Berk hatten seine Waren gekauft, seine Geschichten gehört und waren damit auch recht zufrieden. Also wandten sich Hicks und Astrid, dem, mit dem sie angefangen hatten.
Sie küssten sich noch mehrere male, unternahmen was, fischten, dabei jeder auf seine eigene Art und Weise und verbrachten einen entspannten Tag zu zweit. Hicks hatte auch den Nachtschatten völlig ausgeblendet. Es interessierte ihn auch jetzt nicht mehr. Nun verbrachte er erst einmal schöne Stunden mit Astrid, die ihm keiner so schnell verderben würde.

Nach einiger Zeit schließlich machten sie sich auf den Heimweg nach Berk. Die Sonne stand schon sehr flach über dem Horizont und kündigte mit den immer mehr ins Rot gehenden Farben die Abenddämmerung an, die auf Berk an klaren tagen, keine andere auf der Welt übertraf.
Hicks und Astrid, die sich mittlerweile auf Hicks Rücken befand und von dem schweren und langen Weg nicht mehr richtig laufen konnte, zum teil, da sie auch erschöpft war. Der Nachtschatten unter ihr tat es gerne, sie ein Stück zu tragen, denn dieser Talkessel war schon einige zeit und Weg von Berk entfernt, das praktisch sich auf der anderen Seite der Insel befand.
Nachdem sie wieder ins Haus eintraten und noch eine Kleinigkeit zu sich nahem, legten sie sich schon in zusammen in Hicks Zimmer. Haudrauf hatten sie noch nicht getroffen. Entweder befand er sich noch in der großen Halle, oder plauderte wieder mit seinem besten Freund Grobian.
Die beiden Verliebten auf jeden Fall schliefen seelenruhig eingekuschelt aneinander ein und ahnten noch nicht, was in der Nacht auf sie zukommen würde...


Der Fluch des NachtschattensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt