Ein Neuanfang

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„Ein kleiner Nachtschatten. Ein wahrhaftig kleiner Nachtschatten. Bei Thor ist der niedlich!" Fischbein hielt es kaum noch auf seinen Beinen. Der kräftige Wikinger löste sich von der Umarmung um seinen besten Freund Hicks und näherte sich dem kleinen ganz vorsichtig. Doch der fühlte sich nicht gerade wohl im Angesicht der Tatsache, dass so viele Menschen auf einmal hier waren und diese Insel wohl bevölkern wollten. So viele, die auf zwei Beinen gingen und nicht den Anschein erweckten, dass sie Drachen waren. Aber na gut. Wenigstens war Hicks hier. Der kleine hatte sich schon sehr an ihn gewöhnt. So sehr, dass er sich, als Fischbein ihm zu nahe kam, unter den großen Nachtschatten stellte und anfing zu fauchen.
Darauf zuckte der etwas gewichtige Wikinger ein wenig zurück und warf Hicks wieder einen Blick zu: „H...Hicks, bist du dir wirklich sicher, diesen kleinen Nachtschatten zu behalten? Der macht einen aggressiven Eindruck." Doch der ehemalige Wikinger nickte nur sicher und ritze etwas in den Sand, was Fischbein darlegte, dass er bleiben würde: „Der kleine bleibt bei mir. Er ist nur etwas schüchtern, da auf ihn plötzlich so viele neue Eindrücke wirken. Das muss er erst mal verarbeiten." - „Verstehe Hicks. Dann werde ich den kleinen hier auch lieber nicht bedrängen." Fischbein entfernte sich vom jungen Drachen, der ihn immer noch an knurrte und machte sich wieder an die Arbeit, sein verbliebenes Hab und Gut aus dem Berserkerschiff zu holen.
Währenddessen begutachteten Hicks und Astrid die anderen, die es bis hierher geschafft hatten. Viele waren von den Wunden der Schlacht gezeichnet. Nicht nur körperlich, sondern auch psychisch ging es einigen sehr schlecht. Gustav zum Beispiel saß nur in einer Ecke und weinte. Der junge Wikinger hatte alles verloren, was ihm lieb war und jetzt stand er hone ein Heim und ohne eine Bezugsperson da. „Hey Gustav...", verließ es Astrids Mund, als sie ruhig auf ihn zu schritt und sich zu ihm hinkniete. Der Junge schaute mit seinen vor Tränen rot gewordenen Augen zu ihr auf und erwiderte nur mit einem leisen und heiseren „Hallo Astrid..." Danach senkte er wieder seinen Blick und schien wieder anfangen zu weinen. Doch die blonde Wikingerin wollte dies verhindern, schließlich trug sie nun als Lebenspartnerin des Oberhauptes Hicks auch einen großen Teil der Verantwortung für die, die noch das Volk von Berk bildeten.
„Komm mal her Gustav. Es wird schon alles wieder gut werden. Vertraue mir. Diese Insel ist weit entfernt von irgend welchen Berserkern oder Tyrannen. Hier werden wir ein neues Leben beginnen und uns was komplett neues aufbauen." Sie kniete sich zu ihm und umschloss ihn mit ihren Armen. Das wirkte auf den hageren Jungen wie ein Beruhigungsmittel. Vorerst hörte Gustav gänzlich auf zu weinen und gab sich ganz der Umarmung hin, die Astrid ihm gab. Er drückte sich ganz fest an sie und wollte am liebsten nicht mehr los lassen. In diesem Augenblick hatte er mehr Liebe und Zuneigung bekommen, wie er es noch nie erlebt hatte. Immer schubste ihn Gustav herum oder seine Eltern gaben ihm Kommandos. Das war für ihn das erste richtige Zeichen von Liebe und wärme, was er spürte. Und Astrid schien dies auch nicht entgangen zu sein. Ganz besonders nicht deswegen, da Gustav immer stärker die Umarmung erwiderte.
Doch da wurde sie von Hicks mit der Schnauze an gestupst. Die Junge Wikingerin, vertieft in die Umarmung, erschrak sich darauf leicht, reagierte sich aber ab und löste die Umarmung. Hicks indessen hatte etwas in den Boden geschrieben, was sie wohl lesen sollte. Sie richtete sich auf, klopfte den Sand von ihren Knien und las es sich durch: „Wir haben noch ein wenig Platz in unserer Höhle. Wenn er will, kann er bei uns mit einziehen. Alle anderen Jugendlichen oder Kinder haben noch jemanden, nur er nicht. Und dann wäre Nachtklaue auch nicht ganz so alleine, falls wir mal unseren Pflichten für das Dorf nachgehen müssen." Astrid nickte nur. Sie fand es richtig und einen guten Einfall von ihrem Geliebten. So würden sie es machen. Wenn sich schon keiner mehr um Gustav kümmern sollte, warum dann nicht sie? Dann wäre die kleine Familie ja perfekt. „Hicks so machen wir es...aber...", erst jetzt fiel es ihr auf, „Wer ist denn Nachtklaue?" Da zeigte Hicks auf den kleinen Nachtschatten, der sich es wieder auf dem Rücken seines Ziehvaters gemütlich gemacht hatte und mit seinen Augen alles anstarrte, was er für interessant und merkwürdig hielt. Die Menschen hatten ja auch komische Dinge mit sich gebracht, die der junge Drache einfach nicht einordnen konnte oder den Sinn dahinter nicht verstand. Warum trug zum Beispiel einer der großen männlichen Menschen einen Eimer auf dem Kopf und was waren das für flauschige Tiere da, die sie mit gebracht hatten? Konnte man die essen?
Astrid indes hatte sich wieder zu Gustav gewandt und kniete sich wieder vor ihm hin. „Du sage mal? Was hältst du davon, wenn du bei uns einziehen würdest? Wir haben genug Platz bei uns in der Höhle." Bei diesen Worten blickte der kleine auf und schaute Astrid ganz entgeistert mit seinen vertränten Augen an. Der Vorschlag schien ihm zu gefallen. Zumindest bildete sich langsam ein Lächeln auf seinen Lippen, bis er schließlich antwortete: „Ja gerne würde ich...wenn es keine Umstände macht." - „Nein Gustav. Du bist bei uns herzlich willkommen. Du kannst bei uns wohnen." Astrid lächelte zurück und richtete sich wieder auf. Folgend reichte sie dem jungen Wikinger die Hand und sprach: „Komm. Du kannst den anderen sicher noch etwas helfen. Und wenn du fertig bist, gibt es ein kräftiges Mittagessen. Du glaubst ja nicht wie gebratener Fisch schmeckt, wenn er auf Nachtschattenart zubereitet wurde." Darauf fingen beide an zu Lachen. Gustav als auch Astrid.
Der junge Wikinger ergriff die Hand der blonden jungen Frau und wurde mit einem Ruck von ihr hoch gezogen. Sofort rannte Gustav zum Schiff und half den anderen, ihre Fracht auszuladen, während die anderen sich schon auf den Weg in den Kern der Insel gemacht hatten, wo sich Hicks und Astrids Höhle befand. Auf ihre Anweisung hin hatte Grobian ihnen allen gesagt, dass sie dort das neue Dorf bauen sollten. Es gab noch eine größere Höhle nebenan, die man als neue große Halle hätte ausbauen können. Und drum herum gab es eh viele Bäume, um ein ganzes Dorf wieder auf zu bauen. Ebenso wegen der Sicherheit wurde das Dorf nun nicht mehr an der Küste gebaut. So lag es versteckt im Wald und konnte von Schiffen nicht gesehen werden. Ein weiterer Vorteil, da Angreifer hier niemanden vermuten würden.

„So Astrid. Das Schiff ist entladen. Was sollen wir denn nun mit dem Teil machen?", fragte Grobian, als sie mit dem Ausräumen des Einmasters fertig waren. Schließlich besaßen sie jetzt ein großes und wehrfähiges Schiff, dass niemand so schnell angreifen würde. Viele gedachten daran, es zu behalten, aber die Gefährtin des Häuptlings nicht. „Hicks würdest du es bitte verbrennen?" Der Nachtschatten nickte darauf nur und trat einige Schritte vor. Der Kleine Nachtklaue befand sich inzwischen in Obhut von Gustav, der den jungen Nachtschatten erst gar nicht bemerkt hatte.
Nach einigen Spannungen zwischen den beiden, die eher auf Missverständnissen beruhten, freundeten sich die beiden langsam an. Zumindest standen sie jetzt mit den anderen am Strand und sahen zu, wie Hicks langsam einen Plasmablitz in seinem Maul lud und bereit machte, ihn auf das Berserkerschiff abzugeben.
„Und bereit Hicks? Das ist schon ein wenig größer, als ein Lagerfeuer.", sprach Ohnezahn zu ihm und versicherte sich bei Hicks, dass auch alles klappen sollte. Doch der Wikinger gab sich sicher und erwiderte nur, während sich indes immer mehr Plasma in seinem Maul sammelte und der Druck immer höher wurde. „Es wird schon alles glatt gehen Ohnezahn. Ich pass schon auf und außerdem hast du mit bis auf Teile des Fliegens fast alles beigebracht. Ich bekomme das schon hin.", sprach er selbstsicher in Gedanken zu seinem Freund. Hicks wollte es schaffen, dieses Schiff mit einem Schuss zum explodieren zu bringen. Genau so, wie es Ohnezahn geschafft hatte, die Katapulte damals am Tag des Angriffs samt ihren Fundamenten ins Meer zu befördern. Das faszinierte den ehemaligen Menschen schon sehr, sodass er es auch ausprobieren wollte. Immerhin war er jetzt ein Nachtschatten und daher musste er sich auch dem entsprechend verteidigen oder angreifen müssen. Doch vor allem trieb ihn sein Drang zur Perfektion und immer alles sehr gut zu können dazu, denn schon vorher wollte er immer der beste Drachentöter von allen sein und da er jetzt durch etwas andere Umstände ein Drache war, wollte er nun darin gut sein. Den Gedanken fasste Ohnezahn gleich auf und musste innerlich lächeln. Er war schon darüber erstaunt, welchen Ehrgeiz Hicks an den Tag legte, um seine Ziele wahr werden zu lassen. Der Nachtschatten vermutete, dass keine Zehn Drachen ihn von seinen Zielen hätten abhalten können.
Dann war es soweit. Hicks hatte genug Plasma im Maul gesammelt und gab es mit nur einem heftigen Stoß ab. Alles zuckte in seinem Körper, denn solch eine Menge dieses Drachengases hatte er noch nie zuvor in seinem Leben abgegeben, was ihm um so mehr an seine körperlichen Grenzen brachte. Hicks schleuderte eine riesige Plasmakugel direkt auf das Schiff, welches darauf mit einem gewaltigen Knall explodierte und die übrigen Trümmer zu Asche verbrannten. Das Berserkerschiff war Geschichte, denn vielleicht hätten sie diese Insel mal gefunden und sofort geschlussfolgert, dass hier die Flüchtlinge von Berk waren. Und jeder in der Runde wusste, das Dagur mit solchen machte...

Der Fluch des NachtschattensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt