Nachtschatten weinen nicht!

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Es war spät geworden auf der kleinen Insel, auf der es sich die Überlebenden von Berk niedergelassen hatten. Grobian feuerte immer noch seine Esse an, während Muffelchen sich schon tief im Land der Träume befand und schlief.
„Man dieser Drache ist wirklich faul wie ein verdorbener Fisch.", meckerte der Schmied leicht herum und schaute zu dem dicken Etwas, welches in der Ecke an seiner Werkzeugbank lag. Trotz all dem. Muffel war eine Bereicherung für das ganze Dorf. Durch sein Feuer hatten die anderen mehr Holz für den Winter abbekommen. Grobian griff einfach auf das Drachenfeuer zurück.
Als es schließlich sehr spät geworden war, hing der Schmied seine Schürze an einen Nagel und humpelte langsam zu seinem Bett. Der Tag hatte viel gebracht. Morgen würde er alle Schwerter für das Dorf fertig bekommen. Dank Muffi.

In der Höhle von Hicks und Astrid hatten sich alle an einem warmen Feuer versammelt. Hicks nahm sich ein paar frisch gefangene Fische und verspeiste sie genüsslich. Auch Nachtklaue nahm sich den einen oder anderen. Ab und an bot er seinem besten Freund Gustav ein Stück an, doch der junge Wikinger verzichtete lieber. Roher Fisch bekam ihm nicht so, wie gegrillter.
„Und Hicks. Wie geht es voran bei dir?" Astrid schaute zu dem großen Nachtschatten herüber, der ihren Liebhaber verkörperte. Es war mittlerweile nicht mehr so komisch, mit einem Drachen zu sprechen. Anfang hatte sie sich nämlich ein wenig merkwürdig gefühlt. Sie wusste zwar, dass Hicks jedes Wort verstand, was er sagte, aber es kam nicht viel zurück. Mal eine Kritzelei im Boden oder ein Gurren.
Doch mit der Zeit entschlüsselte sie die Laude, die Hicks Drachenkehle verließen. Immer besser verstand, sie, was ihr Freund in Drachengestalt ausdrücken wollte.
Ein leichtes Gurren verließ den Nachtschatten und Astrid lächelte. „Also gut. Dann freue ich mich." Astrid lächelte, währen Hicks ein zahnloses Lächeln von sich gab.
Diese einziehbaren Zähne. Das fand Astrid immer noch bemerkenswert. Kein anderes Lebewesen konnte das. Nur der Nachtschatten.

„Wenn der Schnee geschmolzen ist und der Frühling Einzug hält, wird es nicht mehr lange dauern und dann musst du sie verlassen Hicks. Das ist dir schon klar." Ohnezahn meldete sich zu Wort. Er hatte Hicks Gedanken gesehen und wusste, was er für diese blonde Wikingerin empfand. Hicks liebte sie über alles und das breitete Ohnezahn auf der einen Seite Freude. Auf der anderen Seite besorgte es ihn sehr, denn er wusste, würde es bei dem Alpha nicht sehr gut laufe, könnte er nicht garantieren, dass Hicks noch einmal seine Schönheit wieder sehen würde. Es wäre vielleicht ein Abschied für immer.
„Ich werde sie schon wieder sehen. Davon bin ich überzeugt. Und natürlich werde ich sie vermissen, wenn wir auf Reisen gehen werden."
Hicks blieb optimistischer als Ohnezahn. Er wusste genau so um Die Gefahren, die sich ihnen bahnen würden, aber was nützte es. Wenn er jemals wieder ein Mensch sein wollte, dann müssten sie zum großen Überwilden und Ohnezahns Fluch brechen. Was auch geschehen würde. Hicks wollte wieder normal sein. Es brachte zwar viele Vorteile mit sich, ein Drache zu sein. Aber er vermisste seine menschliche Gestalt. So konnte er Astrid in die Arme nehmen und sie drücken, sie trösten, wenn sie Kummer hatte. Ihr ein Beschützer sein.
Zwar war Astrid stark und besser im Kampf, als so manch anderer Wikinger. Aber auch sie hatte im Inneren ihre zarten Seiten, die sie bisher nur Hicks offenbart hatte.
„Aber Hicks. Du darfst nicht allzu optimistisch sein. Was ist, wenn selbst der Alpha es nicht schafft, meinen Fluch zu brechen. Was dann?" Diese Frage von seinem besten Freund aus, erschütterte Hicks sehr. Zwar hatte er schon daran gedacht, was passieren würde, wenn es keinen Weg zurückgäbe. Aber genauer wollte sich der junge verwandelte Wikinger das nicht ausmalen. Zu schmerzhaft war die Vorstellung, Astrid nicht mehr in menschliche Arme nehmen zu können. Es war für ihn immer noch eine feste Überzeugung, wieder ein Mensch zu werden.
„Ich weiß Ohnezahn.", seufzte er, „Aber wir werden nicht aufgeben, bis wir wenigstens unsere eigenen Körper wieder haben. Und wenn es einen Weg gibt, mich wieder zurück zu verwandeln, dann finden wir ihn."
Hicks hatte gar nicht gemerkt, dass bei diesen Worten ihm eine Träne aus dem Auge lief. Er musste sich wirklich zusammen zu reißen, nicht zu weinen. Er wusste selber, dass seine Vorstellungen sehr naiv und gewagt waren. Und das es wahrscheinlich keinen Weg mehr zurück geben könnte.
„Hicks ich bitte dich. Ich habe dich nur gewarnt. Aber ich sehe es doch. Ich habe es gespürt. Dich nimmt diese Verwandlung sehr mit. Siehe da die Träne..." Doch Ohnezahn konnte es nicht zu Ende sprechen, da unterbrach Hicks den Gedankengang des Nachtschattens: „Nachtschatten weinen nicht. Nicht ich zumindest!" Und genau bei diesen Worten floss eine weitere Träne aus dem Auge des Verwandelten und kullerte bis zu seinem Kiefer, bis sie auf den Stein der Höhle traf.

„Hicks ist etwas mit dir?" Astrid blieb es nicht verborgen, was passierte. Besorgt war ihr Blick, als sie aufstand und zu ihrem Hicks gehen wollte. Aber dann passierte etwas, was sie nicht erwartete:

„Hicks lass es!" Ohnezahn wollte ihm Einhalt gebieten, als Plötzlich sein Freund sich aufrichtete, einen bösen Blick von sich gab und hinaus ins Freie Stürmte.
Astrid blieb wie gelähmt stehen. Sie wusste nicht, was mit Hicks los war. Nur dass er auf einmal weg war.
Von draußen wehte es kühl herein, als die Tür aufgestoßen wurde. Was sie sah, war ein Nachtschatten, der sprintend in der Dunkelheit der vom Schneesturm gepeitschten Nacht verschwand...


Der Fluch des NachtschattensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt